Finanzen

Private Debt im Fokus: Steigt das Risiko einer Finanzkrise an den US-Börsen?

Die jüngsten Insolvenzen in der Autoindustrie haben an den internationalen Finanzmärkten eine neue Debatte über versteckte Risiken im Kreditgeschäft ausgelöst. Rückt damit ein bislang wenig beachteter Teil des Finanzsystems in den Mittelpunkt möglicher Verwerfungen?
25.12.2025 09:47
Lesezeit: 3 min
Private Debt im Fokus: Steigt das Risiko einer Finanzkrise an den US-Börsen?
Die Insolvenzen in der Autoindustrie verstärken an den US-Börsen die Diskussion über Risiken und die wachsende Bedeutung des Private-Debt-Marktes (Foto: iStock.com, JaysonPhotography) Foto: JaysonPhotography

Private Debt im Fokus der US-Börsen: Droht eine neue Finanzkrise?

Nach den Insolvenzen von First Brands und Tricolors mehren sich an den US-Börsen Warnungen vor einer neuen Finanzkrise. Im Mittelpunkt der Debatte steht der Markt für Private Debt, international auch als Private Credit bezeichnet.

Während einige Marktbeobachter Parallelen zur Finanzkrise von 2008 ziehen, zeigen sich Experten in Europa deutlich gelassener und verweisen auf regionale Unterschiede sowie Wachstumspotenziale. Trotz anhaltender Diskussionen über eine mögliche KI-Blase verlagert sich die Aufmerksamkeit an den US-Börsen zunehmend auf den bislang wenig beachteten Markt für private Kredite.

Kritiker sehen dort strukturelle Risiken, die bei einer Konjunkturabkühlung sichtbar werden könnten. Besonders die geringe Transparenz und die starke Vernetzung mit institutionellen Investoren stehen dabei im Fokus.

Wall Street sieht Insolvenzen in der Autoindustrie als Warnsignal

Auslöser der jüngsten Sorgen an den US-Börsen waren die Zusammenbrüche von First Brands Group und Tricolors Holdings. Beide Unternehmen waren in der Automobilbranche tätig. First Brands vertrieb Ersatzteile für den Aftermarket, Tricolors vergab Autokredite an Kunden mit geringer Bonität. Gemeinsam war beiden Firmen die Finanzierung über den Markt für Private Debt.

Jamie Dimon, Vorstandschef von JP Morgan, kommentierte die Insolvenzen mit dem Hinweis, dass erste Probleme häufig weitere nach sich ziehen. JP Morgan selbst verlor durch die Exponierung gegenüber Tricolors rund 170 Millionen US-Dollar.

Angesichts einer Marktkapitalisierung von etwa 860 Milliarden US-Dollar blieb der Schaden begrenzt. Deutlich stärker betroffen war die Investmentbank Jefferies, die bei einem Börsenwert von rund 11,5 Milliarden US-Dollar Kredite an First Brands in Höhe von über 700 Millionen US-Dollar abschreiben musste.

Kein systemisches Risiko aus Sicht europäischer Experten

Przemysław Paprotny, Partner bei PwC und Experte für den Markt für Private Debt, hält die Sorgen vor einem systemischen Risiko für übertrieben. Zwar wirkten die jüngsten Verluste an den US-Börsen aufgrund ihrer absoluten Höhe alarmierend, sie machten jedoch nur einen sehr kleinen Teil eines weltweit rund zwei Billionen US-Dollar schweren Marktes aus. Auch Rafał Lis, Managing Partner beim Investmenthaus CVI, relativiert die Bedeutung der Einzelfälle.

Beide Unternehmen hätten sich nicht ausschließlich über bilaterale Private-Debt-Darlehen finanziert, sondern in hohem Maße über Konsortialkredite, die in sogenannte CLO-Strukturen eingebracht wurden. Zusätzlich hätten die Unternehmen fehlerhafte Angaben zu Sicherheiten gemacht, was nach Einschätzung der Experten kein verbreitetes Marktverhalten darstellt.

Warum Banken sich zurückzogen und Private Debt wachsen konnte

Der Markt für Private Debt ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Im Jahr 2000 belief sich sein Volumen auf lediglich 46 Milliarden US-Dollar. Bis 2023 stieg es laut Daten der US-Notenbank auf rund eine Billion US-Dollar. Für das laufende Jahr schätzen Analysten von Morgan Stanley das Marktvolumen bereits auf über drei Billionen US-Dollar.

Damit hat sich ein Finanzierungssegment etabliert, das auch an den US-Börsen zunehmend Beachtung findet. Ein zentraler Treiber dieser Entwicklung war die Konsolidierung des US-Bankensektors seit den neunziger Jahren.

Der Zugang zu Krediten für mittelständische Unternehmen wurde dadurch eingeschränkt. Nach der Finanzkrise 2008 verschärften höhere Eigenkapitalanforderungen diesen Trend weiter, wodurch risikoreichere Finanzierungen zunehmend außerhalb der Banken stattfanden.

Vom Nischenprodukt zum zentralen Finanzierungsinstrument

Ursprünglich diente Private Debt vor allem der Finanzierung fremdfinanzierter Unternehmensübernahmen. Nach 2008 entwickelte sich zunehmend der Bereich des Direct Lending, der klassische Unternehmensfinanzierungen wie Betriebsmittel, Investitionen oder Übernahmen abdeckt. In der Folge sank der Anteil der US-Banken an der Vergabe kommerzieller Kredite von 52 Prozent im Jahr 1999 auf 16 Prozent im Jahr 2019.

Allein der Direct-Lending-Sektor erreichte 2024 ein Volumen von 1,9 Billionen US-Dollar. Das entspricht einem Wachstum von 375 Prozent innerhalb von 13 Jahren. Diese Dynamik wird an den US-Börsen zunehmend als strukturelle Verschiebung im Finanzsystem wahrgenommen, insbesondere mit Blick auf mögliche Risiken in Abschwungphasen.

Polen als Wachstumsmarkt für Private Debt

In Mittel- und Osteuropa wurden laut Deloitte zwischen Anfang 2020 und dem ersten Quartal 2025 insgesamt 235 Private-Debt-Transaktionen mit einem Volumen von 1,5 bis 2 Milliarden Euro abgeschlossen. Rund 200 dieser Transaktionen entfielen auf Polen. Der Markt wuchs in diesem Zeitraum im Durchschnitt um 18 Prozent pro Jahr und entwickelte sich zu einer Alternative zum klassischen Bankkredit.

Trotz höherer Finanzierungskosten entscheiden sich Unternehmen zunehmend für Private Debt, da flexible Strukturen und individuell angepasste Rückzahlungsmodelle Vorteile bieten. Der polnische Markt hat derzeit ein Volumen von umgerechnet rund 930 Millionen Euro und bleibt damit im internationalen Vergleich klein.

Private Debt als Teil der privaten Kapitalmärkte

Private Debt ist Teil der privaten Kapitalmärkte und ergänzt Bankkredite sowie öffentliche Anleihemärkte. Während Private-Equity-Fonds Kapital gegen Unternehmensanteile bereitstellen, vergeben Private-Debt-Fonds Kredite an Unternehmen, die keinen Zugang zu klassischen Finanzierungsquellen haben oder diesen bewusst meiden. Aufgrund des höheren Risikos liegen die Zinsen meist über dem Niveau öffentlicher Anleihemärkte.

Nach Einschätzung von Przemysław Paprotny finanzieren Private-Debt-Anbieter häufig Projekte mit erhöhtem Kreditrisiko, etwa in den Bereichen Infrastruktur, Immobilien oder Industrieanlagen. Der höhere Risikoappetit geht mit schnelleren Entscheidungsprozessen einher, spiegelt sich jedoch auch in höheren Finanzierungskosten wider.

Was die Entwicklung an den US-Börsen für Deutschland bedeutet

Die Diskussionen an den US-Börsen über Private Debt sind auch für Deutschland relevant. Der hohe Investitionsbedarf in Infrastruktur, Energiewende und Industrie trifft auf streng regulierte Banken und steigende Eigenkapitalanforderungen.

Vor diesem Hintergrund könnten alternative Finanzierungsformen auch hierzulande an Bedeutung gewinnen. Die Erfahrungen aus den USA und Polen zeigen, dass Private Debt insbesondere für mittelständische Unternehmen zu einer ergänzenden Finanzierungsquelle werden kann, ohne zwangsläufig ein systemisches Risiko für den deutschen Finanzmarkt darzustellen.

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