Politik

Lynch-Justiz in Pariser Problem-Viertel gegen Roma-Jungen

In einem Pariser Problem-Vorort ist es zu einem Fall von Lynch-Justiz gekommen. Ein 16jähriger Rom wurde lebensgefährlich verletzt, weil ihn eine Bande eines Einbruchs verdächtigte und ihn zusammenschlug. Der Junge schwebt in Lebensgefahr.
17.06.2014 22:11
Lesezeit: 2 min

Weil er in eine Wohnung eingebrochen sein soll, ist ein Teenager in einem Pariser Vorort beinahe gelyncht worden. Der 16-jährige Rom kämpft seit Freitag um sein Leben. Die Attacke war nicht die erste ihrer Art in dem sozialen Brennpunkt-Viertel. Seit Monaten kocht die Stimmung hoch.

Der Jugendliche wurde in der vergangenen Woche für den Einbruch in eine Wohnung in Pierrefitte-sur-Seine (Seine-Saint-Denis) verantwortlich gemacht. Gleich ein Dutzend Personen gingen darauf hin auf ihn los. Gewaltsam verschleppten sie den Teenager in einen Keller. Dort wurde der Junge brutal misshandelt.

Die Familie des Jungen hatte ihr Lager gemeinsam mit rund 200 anderen Roma aus Rumänien rund um ein verlassenes Haus aufgeschlagen. Nachdem die Mutter ihren Sohn als vermisst gemeldet hatte, fand man den Schwerverletzten am späten Freitagabend schließlich bewusstlos in einem Einkaufswagen. Jetzt liegt er im Koma in einem Pariser Krankenhaus. Das berichtet die Zeitung Libération.

Nach Angaben des Bürgermeisters sei das Opfer seit Anfang Juni wiederholt im Zusammenhang mit Wohnungseinbrüchen von der örtlichen Polizei befragt worden. Diese hatten in den vergangenen Wochen bei den Anrainern für Ärger gesorgt. Ihnen zufolge sei die Roma-Gruppe erst vor drei Wochen in der Ortschaft im Norden von Paris aufgetaucht. Nach der jetzigen Tat seien sie jedoch verschwunden.

Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve hat die Tat am Dienstag verurteilt. Auch der Vorsitzende des Bezirksrats, Stephane Troussel, bezeichnete das Geschehen als ein abscheuliches Verbrechen unter dem Mantel der Rache. Der französische Staat müsse alle schützen, wo auch immer sie lebten, unabhängig von ihrer Herkunft. Festnahmen soll es im aktuellen Fall bislang allerdings nicht gegeben haben.

Seit etwa zwei Jahren gibt es gewalttätige Übergriffe gegen die Roma, wie die Libération in einer Chronologie dokumentiert. So wurden etwa im September 2012 Roma aus ihrem Lager in Marseille von der Polizei vertrieben. Danach kamen die Anwohner und verbrannten ihre Hinterlassenschaften. Im April 2013 demonstrierten 200 bis 300 Personen gegen die Ankunft neuer Roma-Familien in Rosny-sous-Bois (Seine-Saint-Denis). Im Juli kam es dann zu einem nächtlichen Angriff auf ein Roma-Lager in Saint-Denis. Bei der Attacke mit Baseballschlägern und Eisenstangen wurden zwei Roma verletzt. Unter den Opfern befand sich eine Frau, die einen Schädelbruch erlitt. Im darauffolgenden September musste ein Lager in Décines (Rhône) von der Polizei evakuiert werden. Zuvor hatte es auch hier Proteste gegeben.

Auch Anfang des neuen Jahres setzte sich die Aggression gegen die Roma fort. Am 8. Juni flogen in Hellemmes-Lille zwei Molotow-Cocktails in Richtung eines Roma-Lagers. Einer landete dicht neben einem Wohnwagen, in dem Kinder schliefen. Er explodierte jedoch nicht. Zuvor hatte einer der Wageninsassen Drohungen gegen die Bewohner ausgesprochen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Krypto-Coup: Milliarden für die Familienkasse
30.06.2025

Donald Trump lässt seine Kritiker verstummen – mit einer beispiellosen Krypto-Strategie. Während er Präsident ist, verdient seine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Streit um Stromsteuer belastet Regierungskoalition
30.06.2025

In der Bundesregierung eskaliert der Streit um die Stromsteuer. Während Entlastungen versprochen waren, drohen sie nun auszubleiben –...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft PwC: Künstliche Intelligenz schafft Jobs nur für die, die vorbereitet sind
30.06.2025

Künstliche Intelligenz verdrängt keine Jobs – sie schafft neue, besser bezahlte Tätigkeiten. Doch Unternehmen müssen jetzt handeln,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen United Internet-Aktie unter Druck: 1&1 reduziert Prognose
30.06.2025

1&1 senkt überraschend seine Gewinnprognose trotz zuletzt guter Börsenstimmung. Der Grund: deutlich höhere Kosten beim nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Inflation in Deutschland sinkt im Juni auf 2,0 Prozent: Energiepreise entlasten
30.06.2025

Die Inflation in Deutschland hat im Juni einen überraschenden Tiefstand erreicht – doch nicht alle Preise sinken. Was bedeutet das für...

DWN
Politik
Politik Trumps Schritte im Nahen Osten: Nur der Anfang eines riskanten Spiels
30.06.2025

Donald Trump bombardiert den Iran, erklärt die Waffenruhe – und feiert sich selbst als Friedensbringer. Experten warnen: Das ist erst...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Raucherpause im Job: Ausstempeln erforderlich?
30.06.2025

Raucherpause im Job – ein kurzer Zug an der Zigarette, doch was sagt das Arbeitsrecht? Zwischen Ausstempeln, Betriebsvereinbarung und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lufthansa sichert sich Anteile an Air Baltic – trotz Bedenken
30.06.2025

Die Lufthansa steigt bei der lettischen Fluggesellschaft Air Baltic ein – jedoch nicht ohne Bedenken der Kartellwächter. Was bedeutet...