Deutschland

Bofinger: „Währungsunion befindet sich in einem Teufelskreis“

Lesezeit: 3 min
30.09.2012 01:08
Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger erwartet eine Verschärfung der Schuldenkrise. Wenn es nicht gelingt, aus dem Lavieren herauszukommen, werde die Wirtschaft der Euro-Zone in eine schwere Krise – die vor allem Deutschland und den Rest Europas entzweien werde.
Bofinger: „Währungsunion befindet sich in einem Teufelskreis“

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: In Ihrem neuen Buch schreiben Sie: „Der Kampf um den Euro ist jetzt in ein entscheidendes Stadium getreten. Dabei nimmt die Chance, dass die Währungsunion am Ende überleben wird, von Tag zu Tag ab.“ Warum geht der Prozess des Zerfalls jetzt auf einmal so schnell?

Peter Bofinger: Die Währungsunion befindet sich in einem Teufelskreis. Die Staaten sparen, weil die Verschuldung sehr hoch ist. Das würgt die Konjunktur ab und die Defizite können nicht so schnell abgebaut werden wie geplant. Deshalb wird ein neues Sparpaket geschnürt, das die Wirtschaft noch stärker in den Keller treibt. Bei dieser Abwärtsspirale nimmt die Staatsverschuldung immer weiter zu und die Schuldenkrise verschärft sich.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Sie schreiben, dass das „Weiter so“ der europäischen Politik zu einem „politischen und ökonomischen Desaster“ führen würde. Warum?

Peter Bofinger: Wenn es nicht gelingt, diesen Teufelskreis zu stoppen, wird die Wirtschaft des Euroraums in eine schwere Krise geraten. In den Problemländern wird das zu einer großen Verbitterung über Europa und vor allem Deutschland führen, dem die Schuld für die Malaise in die Schuhe geschoben wird. Da bei einer solchen Entwicklung immer größere Stützungskationen der EZB für die Staaten und die Banken der Problemländer erforderlich sein werden, ist zugleich mit einer immer größeren Wut der deutschen Bürger über die wachsende Gemeinschaftshaftung zu rechnen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Haben die jüngsten Ankündigungen von EZB-Chef Draghi und das grüne Licht des BVerfG zum ESM nicht dazu geführt, dass sich die Märkte beruhigen?

Peter Bofinger: Die EZB kann mit ihren Aktionen zur Stabilisierung der Finanzmärkte beitragen. Da sie ihre Interventionen aber davon abhängig gemacht hat, dass sich Staaten zu zusätzlichen Anpassungsprogrammen verpflichten, ist zu befürchten, dass es zu noch mehr Sparen und damit einer noch ungünstigeren konjunkturellen Entwicklung kommen wird.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Sie schreiben: Es gibt nur „die Wahl zwischen einer umfassend erneuerten Währungsunion (Euro 2.0) und einer Rückkehr zum »monetären Nationalismus«.“ Sie schreiben ausdrücklich, dass es keine Zwischenlösung geben kann – warum?

Peter Bofinger: Man kann die Politik des Durchwurstelns sicher noch für ein oder zwei Jahre fortsetzen, aber die Gefahr ist groß, dass es dann zu den beschriebenen ungünstigen Prozessen kommen wird, bei denen in allen Ländern der Ruf nach einer Rückkehr zu den nationalen Währungen immer lauter wird.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Im Falle des neuen Euro fordern Sie „einen sehr viel wirksameren Kontrollmechanismus für Staaten mit unsolider Haushaltspolitik“. Wie soll der aussehen – in Griechenland erleben wir gerade, dass eine Kontrolle faktisch unmöglich ist, weil sich die Dinge dauernd ändern, weil es unterschiedliche Kulturen und Sprachen gibt. Wie kann man im Fluss der Wirtschaft „kontrollieren“, ohne zugleich in eine Planwirtschaft zu verfallen?

Peter Bofinger: Es geht nicht um eine Kontrolle der Wirtschaft, sondern um eine Kontrolle über Staaten, die eine unsolide Haushaltspolitik verfolgen. Mein Buch schlägt vor, über die bisherigen Verfahren hinausgehen, bei denen sich die nationalen Finanzminister gegenseitig überwachen sollen. Was wir brauchen ist ein Europäischer Finanzminister, der vom Europäischen Parlament legitimiert ist und somit über den nationalen Ministern steht. Er muss die Kompetenz haben, einem Staat mit unsolider Fiskalpolitik gegebenenfalls eine temporäre Steuererhöhung zu diktieren.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Eine Rückkehr zu den alten europäischen Währungen beschreiben Sie als den schlimmsten denkbaren Fall. Was würde konkret passieren, wenn der Euro zerbricht?

Peter Bofinger: Kurzfristig käme es zu einem globalen Schock, wie man ihn beispielsweise im September 2008 bei der Lehman-Pleite beobachten konnte. Mittelfristig würde die deutsche Währung massiv unter Aufwertungsdruck geraten. Die ganzen Vorteile, die sich Deutschland durch die zurückhaltende Lohnpolitik des letzten Jahrzehnts verschafft hat, würden sich so in Luft auflösen. Wahrscheinlich ginge die Aufwertung sogar noch darüber hinaus, so dass die Existenz unserer Industrie erheblich gefährdet würde.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Sie argumentieren, dass mit der Einführung des Euro das Kasino des Devisenmarktes für die Spekulanten geschlossen wurde. Warum geht es dem Euro dann heute so schlecht?

Peter Bofinger: Insgesamt gesehen steht der Euroraum besser da als andere Währungsräume. Die Inflationsrate liegt nicht höher als die durchschnittliche deutsche Inflationsrate zu Bundesbank-Zeiten. Das Haushaltsdefizit des Euroraums ist weitaus geringer als das der Vereinigten Staaten, des Vereinigten Königreichs oder Japans. Als Ganzes betrachtet kann sich der Euroraum international also durchaus sehen lassen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Ihre Konzepte sehen eine langfristige Neuordnung Europas vor. Haben wir dazu noch die Zeit – oder könnte der Crash schon vorher kommen?

Peter Bofinger: Wir sollten mit den Verfahren, die zu einer solchen Neuordnung erforderlich sind, in der Tat lieber heute als morgen beginnen. Die Chance der Krise besteht darin, am Ende zu einer stabilen Architektur der Währungsunion zu kommen.

Peter Bofinger ist einer der fünf Wirtschaftsweisen, der demnächst wieder das Herbstgutachten für die Bundesregierung vorstellen wird. Seine neues Buch „Zurück zur D-Mark? Deutschland braucht den Euro“, ist soeben bei Droemer erschienen.


Mehr zum Thema:  
Europa >

DWN
Politik
Politik Russland stoppt Gaslieferungen: Moldau unter Druck, Rumänien hilft aus
02.01.2025

Russland setzt Moldau mit einem Gaslieferstopp unter Druck. Vor allem Transnistrien, die prorussische Separatistenregion, spürt die Folgen...

DWN
Politik
Politik Estlink 2: Kabelschäden ohne Folgen für Anschluss an EU-Stromnetz
02.01.2025

Estlink 2: Der Ausfall des Unterseekabels sorgt für Unsicherheit in den baltischen Staaten. Dennoch bleibt die litauische Regierung...

DWN
Finanzen
Finanzen Strompreise 2025: Wie sich Kosten durch Netzentgelte und Umlagen entwickeln
02.01.2025

Strompreise 2025 bleiben ein heißes Thema: Verbraucher:innen erwarten steigende Kosten durch höhere Netzentgelte und CO2-Preise. Doch...

DWN
Politik
Politik CSU verschärft Ton in der Migrationspolitik
02.01.2025

Zur CSU-Winterklausur gehören traditionell lautstarke Forderungen an die Bundesregierung. Dieses Mal hofft die Partei, viele davon nach...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis anno 2025: Konflikte und Verschuldungen bleiben die Hauptsorgen der Anleger
02.01.2025

Die Gold-Verwalter von BullionVault in London haben mal wieder seine Kunden befragt, warum sie in Gold und Edelmetalle investieren....

DWN
Panorama
Panorama New Orleans und ein explodierter Cybertruck vor Trumps Hotel: Gibt es einen Zusammenhang?
02.01.2025

Mit voller Absicht soll der Attentäter in die Menge gerast sein und 15 Menschen getötet haben. Das FBI geht von einem Terroranschlag aus,...

DWN
Politik
Politik „Im Sinne der USA“: Warum ein Investor aus Miami Nord Stream 2 kaufen möchte
02.01.2025

Der potenzielle Nord Stream 2 Investor Stephen Lynch möchte die Pipeline kaufen. Dies sei im Interesse der USA. Kann der Kauf der...

DWN
Technologie
Technologie EUDI-Wallet nicht vor 2026: Warum Deutschland bei der digitalen Ausweis-App auf Gründlichkeit setzt
02.01.2025

Während Italien die digitale Brieftasche bereits eingeführt hat, wird das EUDI-Wallet in Deutschland nicht vor 2026 kommen. Thorsten...