Unternehmen

Russland-Sanktionen: Österreich rechnet mit Export-Minus von 25 Prozent

Lesezeit: 2 min
22.04.2015 00:00
Österreichs Exporte nach Russland werden infolge der Sanktionen um 25 Prozent einbrechen. Bis zu 45.000 Arbeitsplätze sind in Gefahr. Ein Studie aus Österreich räumt mit der Illusion auf, die Sanktionen träfen Russlands Präsident Wladimir Putin oder die mächtigen Staatskonzerne. Betroffen ist der Mittelstand in Russland und der EU: Russische Klein- und Mittelbetriebe bekommen keine Kredite mehr. Europäische Industrieunternehmen können nicht mehr nach Russland liefern.
Russland-Sanktionen: Österreich rechnet mit Export-Minus von 25 Prozent

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Russland-Sanktionen werden Österreichs Wirtschaft stärker treffen als zunächst befürchtet. Eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) geht davon aus, dass im Extremfall 45.000 Jobs wegfallen. Sollten die Sanktionen noch einmal verschärft werden kann der Export nach Russland um ein Viertel einbrechen, das entspricht einem Verlust der Bruttowertschöpfung in Höhe von 2,9 Milliarden Euro.

Von den gefährdeten Arbeitsplätzen kommen knapp 4.000 aus dem Einzelhandel. Die Handelsvermittlung und der Großhandel verlieren Berechnungen des Wifo zufolge 3.145 Jobs. Ein ähnliches Ausmaß nimmt der Jobabbau bei den Dienstleistungen, im Bauwesen, im Beherbergungs- und Gaststättenwesen sowie beim Maschinenbau an. Auch der Tourismus wird bei dauerhaften Sanktionen nachhaltig geschädigt.

„Im Vergleich zu den anderen EU-27 Ländern leidet Österreich aufgrund seiner engen Lieferbeziehungen in einigen Ländern mit einem hohen Exportanteil nach Russland stärker unter den indirekten Effekten der Russlandkrise als andere europäische Länder", heißt es in der Wifo-Studie.

Die Studie skizziert drei mögliche Szenarien. Im schlimmsten Fall droht Österreich der Verlust von 45.000 Jobs und der Einbruch der Exporte um bis zu 40 Prozent im Vergleich zu 2013. Sollten die Sanktionen nicht verschärft werden, doch länger anhalten, werden Exportausfall und Tourismusrückgang den Verlust von 24.000 Jobs bedeuten. Auch beim optimalsten Szenario der Wirtschaftsforscher, in dem die Exporte nur temporär ausfallen und sich der Tourismusrückgang in Grenzen hält, sind 9.000 Jobs nicht mehr zu retten.

Deutlich betroffen sind die Österreicher bei der Ausfuhr von Lebensmitteln. Russland hat die Einfuhr von Agrarerzeugnissen verboten. Unter das Importverbot fallen Rind- und Schweinefleisch in jeglicher Form, Geflügel und Geflügelerzeugnisse, Selch- und Wurstwaren, Milch und alle Milchprodukte, darunter auch Rohmilch und sämtliche Lebensmittel, die Milch enthalten, sowie Fisch, Gemüse und Obst. Die Sanktionen senken die Exporte der österreichischen Landwirtschaft in die Region um 50 Millionen Euro.

Zulieferer der Industrie können keine Maschinen-Teile mehr nach Russland schicken. Die Sanktionen betreffen auch sogenannte Dual-Use-Güter, die für den militärischen wie zivilen Sektor verwendet werden können. Der Boykott dieser Güter trifft vor allem Mittelständler und Industriebetriebe, denn jede Dichtung und jedes Kugellager kann genauso gut in eine Maschine oder in einen Panzer eingebaut werden.

Die Sanktionen des Westens verfehlen ihr Ziel. Sie treffen nicht in etwa die großen Konzerne in Russland, sondern die kleinen und mittleren Betriebe. Russische Banken bekommen kein Kapital mehr und können sich folglich nicht mehr in Europa und den USA refinanzieren. Die Kreditvergabe an den Mittelstand in Russland kommt daher zum Erliegen. „Die Staatsbetriebe Rosneft oder Gazprom rennen ohnehin zum Staat und werden von ihm auch unterstützt“, sagt Dietmar Fellner, Österreichs Wirtschaftsdelegierter in Moskau, zum Standard.

Aus Österreich kommen Maschinen und Anlagen sowie pharmazeutische Erzeugnisse nach Russland. Auch die Papierindustrie, Bauunternehmen und holzverarbeitende Konzerne haben Werke vor Ort. Die Unternehmen in Russland spüren den Rückgang der Kaufkraft, berichtet der Standard.

Abseits der aktuellen Entwicklungen wird es nachhaltige, spürbare negative volkswirtschaftliche Effekte im Handelskonflikt zwischen Russland und der EU geben. Die Handelsbeziehungen, die über Jahre hinweg aufgebaut wurden, werden durch die Sanktionen zerstört. Es wird wieder Jahre dauern, bis gegenseitiges Vertrauen in neue Handelsbeziehungen wachsen kann.

 


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Technologie
Technologie KI-Chips trotz Exportbeschränkungen: China sichert sich US-Technologie durch die Hintertür
25.04.2024

Trotz der US-Exportbeschränkungen für Hochleistungsprozessoren scheint China einen Weg gefunden zu haben, sich dennoch mit den neuesten...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Russlands Kriegswirtschaft: Putin geht das Geld nicht aus
25.04.2024

Russlands Wirtschaft wächst weiterhin, ist aber stark von der der Kriegsproduktion abhängig. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius...

DWN
Technologie
Technologie Petrochemie: Rettungsleine der Ölindustrie - und Dorn im Auge von Umweltschützern
24.04.2024

Auf den ersten Blick sieht die Zukunft des Erdölmarktes nicht rosig aus, angesichts der Abkehr von fossilen Treibstoffen wie Benzin und...

DWN
Politik
Politik Sunaks Antrittsbesuch bei Kanzler Scholz - strategische Partnerschaft in Krisenzeiten
24.04.2024

Rishi Sunak besucht erstmals Berlin. Bundeskanzler Scholz empfängt den britischen Premierminister mit militärischen Ehren. Im Fokus...

DWN
Finanzen
Finanzen Bundesbank-Präsident: Zinssenkungspfad unklar, digitaler Euro erstrebenswert
24.04.2024

Spannende Aussagen von Bundesbank-Präsident Joachim Nagel: Ihm zufolge wird die EZB nach einer ersten Zinssenkung nicht unbedingt weitere...

DWN
Technologie
Technologie Habeck sieht großes Potenzial in umstrittener CO2-Einlagerung
24.04.2024

Die Technologie "Carbon Capture and Storage" (CO2-Abscheidung und -Speicherung) ist in Deutschland ein umstrittenes Thema. Inzwischen gibt...

DWN
Politik
Politik Chinesische Spionage: Verfassungsschutz mahnt Unternehmen zu mehr Vorsicht
24.04.2024

Der Verfassungsschutz warnt vor Wirtschaftsspionage und Einflussnahme aus China. Vor allem für deutsche Unternehmen wäre eine naive...

DWN
Panorama
Panorama Fahrraddiebe nehmen vermehrt teure E-Bikes und Rennräder ins Visier
24.04.2024

Teure E-Bikes und Rennräder sind seit Jahren immer häufiger auf den Straßen zu sehen - die Anzahl von Diebstählen und die...