Politik

Deutliche Zeichen der Entspannung zwischen Obama und Putin

Lesezeit: 4 min
20.07.2015 00:58
Der Atom-Deal mit dem Iran und der Abzug der schweren Waffen seitens der Rebellen in der Ost-Ukraine sind deutliche Zeichen einer Entspannung zwischen Russland und den USA. Die EU muss nun schnellstens eine eigene Strategie entwickeln. Sonst müssen die Europäer für das Chaos in der Ukraine bezahlen.

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Zwischen den USA und Russland sind deutliche Anzeichen der Entspannung zu erkennen. Dies macht zunächst ein Interview klar, dass US-Präsident Barack Obama mit Thomas Friedman von der New York Times geführt hat.

Darin sagt Obama, dessen Strategen Russland noch vor wenigen Wochen als gleich gefährlich wie den „Islamischen Staat“ bezeichnet hatten, dass der Deal ohne die Russen nicht möglich gewesen sei. Obama lobt in geradezu freundschaftlichen Worten die konstruktive Rolle, die der russische Präsident Wladimir Putin und das russische Verhandlungsteam gespielt hätten. Hatte Obama früher noch stets von der „Aggression“ Russlands in der Ukraine gesprochen, war nun nur noch die Rede von „Unterschieden“ in der Beurteilung der der Situation in der Ukraine.

Obama merkte an, er glaube, Russland sei in Syrien bereit, einzulenken. Moskau unterstützt den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad seit Anbeginn des Konflikts. Obama sagte, er glaube, die Russen hätten eingesehen, dass Assad immer mehr an Boden an den „Islamischen Staat“ (IS) verliere.

Tatsächlich dürfte Obama eher erkannt haben, dass er in Syrien ohne die Russen nicht weiterkommt. Ursprünglich wollte Obama in Syrien militärisch intervenieren. Seine eigenen Militärs meuterten jedoch. Dadurch bot sich Putin die Möglichkeit, sich als Garant des Friedens in der Region zu positionieren. Die Amerikaner haben durch ihre durch und durch inkonsistente Politik dazu beigetragen, dass der IS im Nahen Osten zu einem Faktor wurde. Sie hatten den Aufstieg der islamistischen Rebellen sogar geduldet, um Assad zu stürzen. Die Lage ist völlig verfahren. Die humanitäre Katastrophe ist gewaltig, Millionen von Flüchtlingen sind aus Syrien geflohen. Viele von ihnen versuchen, sich nach Europa durchzuschlagen. Diese Entwicklung hat bereits dazu geführt, dass die EU destabilisiert ist. Am Montag treffen sich die EU-Spitzen, um erneut über eine Aufteilung von 60.000 Flüchtlingen in der EU zu diskutieren. Bisher waren alle Versuche, die Flüchtlinge, von denen viele aus Syrien kommen, am Widerstand mehrerer Staaten gescheitert.

Das zweite Zeichen der Entspannung ist aus der Ukraine zu vermelden: Dort haben die Rebellen am Samstag damit begonnen, ohne Vorbedingungen die schweren Waffen von der Front abzuziehen, wie die TASS berichtet. In Abstimmung mit der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) würden Waffen mit einem Kaliber auch von weniger als 100 Millimetern mindestens drei Kilometer von der Front abgezogen. Die Außenminister Sergej Lawrow und John Kerry sind bemüht, die Lage in der Ukraine zu stabilisieren. Den Auftakt dazu hatte ein Besuch von Kerry bei Putin vor einigen Monaten gemacht.

Offenbar haben die USA und Russland sich darauf verständigt, die Lage in der Ukraine nicht weiter zu eskalieren. Die Gründe dafür sind unterschiedlich: In den USA geht der kurzlebige Fracking-Boom zu Ende. Die Fördermethode ist zu teuer. In der Ukraine herrschen immer noch chaotische Verhältnisse. So hatten sich Aktivisten des rechtsextremen Rechten Sektors zu einem Protest von der Präsidialverwaltung in Kiew eingefunden. Die Rechten machen mobil, nachdem Präsident Poroschenko ihre Entwaffnung angekündigt hatte. Sie wollen nun am Dienstag eine „Versammlung“ auf dem Maidan abhalten. Offenbar sehen die Amerikaner, dass die von ihnen unterstützte Regierung in Kiew nicht in der Lage ist, die Ordnung wie versprochen herzustellen.

Die Regierung in Kiew ist nämlich vorrangig damit beschäftigt, die Staatspleite abzuwenden. Für US-Konzerne sich solche Rahmenbedingungen bei allem Expansionsdrang inakzeptabel. Daher hat die Ukraine zunächst die energiepolitische Bedeutung für Washington verloren.

Russland wiederum hat überhaupt keinen Grund, sich in der Ukraine zu engagieren. Moskau sieht das finanzielle Desaster und ist froh, dass die EU die Bezahlung der Gasrechnung für die Ukraine übernommen hat.

Die Entspannung zwischen Moskau und Washington müsste in den Hauptstädten der EU alle Alarmglocken schrillen lassen. Nach dem monatelangen Putin-Bashing sehen sich die EU-Politiker plötzlich im Abseits. Ihre Staaten haben wegen der Sanktionen einen enormen Preis zu bezahlen. Im Hinblick auf eine mögliche, neue Weltwirtschaftskrise ist der Verlust des russischen Absatzmarktes verheerend. Auch die Hoffnung, nach dem Iran-Deal mit Teheran schnell ins Geschäft zu kommen, könnte sich als Illusion erweisen. Daran wird auch die Blitz-Reise von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel nach Teheran wenig ändern. Anders als Russland hat die EU gegenüber dem Iran keinerlei Kontakte während der Sanktionen unterhalten, sondern war stur den US-Vorgaben gefolgt. In der Zwischenzeit hat Russland technologisch aufgeholt und ist heute sicher in der Lage, seine Exporte in den Iran auch außerhalb der Rüstungsindustrie zu forcieren.

Die größte Gefahr droht der EU allerdings finanziell in der Ukraine: Die EU haben, als Echo der USA, den Russen erklärt, dass die Ukraine zur EU gehören und am besten alle Verbindungen mit Russland kappen solle. Für die USA ist die Ukraine weit weg und kein finanzpolitischer Schwerpunkt. Im Gegenteil: Nachdem die USA die EU zu Sanktionen gedrängt hatte, reagiert man mittlerweile allergisch auf die chaotische Politik der EU. Die USA mussten zuletzt massiven Druck aufbauen, damit sich die Eurozone und Griechenland einigen. Der Deal ist längst nicht unter Dach und Fach: Der von den USA dominierte IWF will sich nur bei einem Schuldenschnitt an einem neuen Kredit-Programm beteiligen. Bundeskanzlerin Angela Merkel wiederholte am Sonntag in der ARD ihre Position, dass ein Einlenken bei den Schulden erst geben werde, wenn das neue Programm nach einer ersten Revision positiv beurteilt wird. Doch ohne IWF dürfte das Abkommen gar nicht zustande kommen.

Deutschland und Frankreich hatten im Februar angekündigt, die deutschen und französischen Banken würden in der Ost-Ukraine das Bankwesen aufbauen. Davon war in jüngster Vergangenheit nichts mehr zu hören.

Das unbedachte Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine nimmt die europäischen Steuerzahler in die Pflicht: Wie bei Griechenland werden die Amerikaner darauf dringen, dass die Europäer die Ukraine finanziell über Wasser halten müssen. Die Russen können jederzeit ihre Drohung wahrmachen, und die Gaslieferungen durch die Ukraine stoppen, wenn die EU nicht bezahlt. Ein Plan B existiert, wie bei Griechenland, nicht.

Die Kosten der „Rettung“ der Ukraine werden jene für Griechenland um ein Vielfaches übertreffen. Die ukrainische Regierung gedenkt allerdings nicht, sich irgendwelchen Vorgaben aus Berlin oder Brüssel zu unterwerfen. So folgte auf die Aufforderung von Bundeaußenminister Frank-Walter Steinmeier, die Ukraine müsse sich aus dem belagerten Ort Schyrokyne zurückziehen, eine ziemlich kaltschnäuzige Antwort aus Kiew: Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko sagte, bisher unternehme nur sein Land Schritte für den Frieden. Er forderte den Abzug russischer Kämpfer und sowie die Schließung der Staatsgrenze zum östlichen Nachbarn. Erst dann könne der Konflikt, bei dem bereits mehr als 6.000 Menschen umkamen, friedlich gelöst werden.

Immerhin: Auch den Mauerbau finanzieren die EU-Steuerzahler.

Damit diese nicht noch mehr zu Schaden kommen, müsste die EU das Tauwetter zwischen Washington und Moskau nützen, um wenigstens die Sanktionen so rasch als möglich aufzuheben. Denn sollte sich das Fenster des Dialogs zwischen Russland und den USA wieder schließen, werden die EU-Staaten für ihr vermeintlich hehres Engagement für die Integration der Ukraine einen nachhaltig hohen Preis zahlen. Es ist nicht befriedigend, wenn die EU-Politiker – Angela Merkel eingeschlossen – dauerhaft nach dem Motto „Nach mir die Sintflut!“ agieren.


Mehr zum Thema:  
Europa >

DWN
Politik
Politik US-Staatsapparat: Tech-Milliardär Elon Musk setzt auf Technologie statt Personal - Unterstützung bekommt er von Trump
21.11.2024

Elon Musk soll dem künftigen US-Präsidenten Trump dabei helfen, Behördenausgaben zu kürzen und Bürokratie abzubauen. Er gibt einen...

DWN
Politik
Politik Neue EU-Kommission: Nach heftigen Streit auf „umstrittenes“ Personal geeinigt
21.11.2024

Nach erbittertem Streit haben sich die Fraktionen im EU-Parlament auf die künftige Besetzung der Europäischen Kommission geeinigt. Warum...

DWN
Panorama
Panorama Merkel-Buch „Freiheit“: Wie die Ex-Kanzlerin ihre politischen Memoiren schönschreibt
21.11.2024

Biden geht, Trump kommt! Wer auf Scholz folgt, ist zwar noch unklar. Dafür steht das Polit-Comeback des Jahres auf der Tagesordnung: Ab...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Prognose: Kryptowährung mit neuem Rekordhoch - geht es jetzt Richtung 100.000 US-Dollar?
21.11.2024

Neues Bitcoin-Rekordhoch am Mittwoch - und am Donnerstag legt die wichtigste Kryptowährung direkt nach. Seit dem Sieg von Donald Trump bei...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Wirecard-Zivilprozess: Ein Musterkläger für 8500 Aktionäre - Kommt eine Entschädigung für Aktionäre?
21.11.2024

Holen sich Wirecard-Aktionäre jetzt eine Milliarden-Entschädigung von EY? Viereinhalb Jahre nach der Wirecard-Pleite geht es vor dem...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Ifo-Umfrage: Industrie bewertet Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit miserabel
21.11.2024

Seit 1994 hat die Industrie ihre Lage nicht mehr so schlecht eingeschätzt, sagt das ifo Institut. Im EU-Vergleich stehen deutsche...

DWN
Panorama
Panorama Finnland startet Ermittlungen zum Kabelschaden in der Ostsee
21.11.2024

Nachdem die schwedischen Behörden bereits tätig wurden, hat nun auch die finnische Kriminalpolizei Ermittlungen zu einem Kabelschaden in...

DWN
Politik
Politik Solidaritätszuschlag: Kippt das Bundesverfassungsgericht die „Reichensteuer“? Unternehmen könnten Milliarden sparen!
21.11.2024

Den umstrittenen Solidaritätszuschlag müssen seit 2021 immer noch Besserverdiener und Unternehmen zahlen. Ob das verfassungswidrig ist,...