Der russische Präsident Wladimir Putin hat die ukrainische Regierung für die jüngste Eskalation der Gewalt im Osten des Landes verantwortlich gemacht. "Die Schuld liegt nicht bei den Donbass-Milizen sondern bei deren Gegnern", sagte Putin am Dienstag auf der Krim. Er hoffe, es werde nicht zu direkten Gefechten in großem Stil kommen. Der russische Präsident unternahm auf der Krim eine Fahrt mit einem Unterwasserfahrzeug. Die Schwarzmeerhalbinsel war im vergangenen Jahr von Russland annektiert worden.
Trotz eines im Februar in Minsk geschlossenen Friedensabkommens gibt es immer wieder Gefechte zwischen Regierungstruppen und den Rebellen in der Ostukraine. In der vergangenen Woche wurden die schwersten Auseinandersetzungen seit Unterzeichnung des Abkommens gemeldet. Zuletzt kamen auch mehrere Zivilisten ums Leben.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow warf der Regierung in Kiew am Montag vor, gegen das Waffenstillstandsabkommen von Minsk zu verstoßen. Die Entwicklung der vergangenen Tage erinnere an frühere Vorbereitungen für Militäraktionen, etwa im August vergangenen Jahres, als ukrainische Soldaten einen Angriffsbefehl erhalten hätten. "Man sollte nicht herumprobieren und sein Glück versuchen, sondern einfach nur die Minsker Vereinbarungen einhalten", sagte Lawrow in Moskau.
Die Lage wird von Beobachtern als äußert gespannt eingeschätzt. So schreibt der Chefvolkswirt der Bremer Landesbank, Folker Hellmeyer, in einer Notiz an seine Kunden:
Die internationale Gesamtlage ist instabil. Auch wenn der mediale Fokus derzeit nicht auf der Ukraine liegt, spitzt sich die Situation dort zu. Angriffe seitens Kiews auf die abtrünnigen Gebiete nehmen zu, so dass die Führung Donezks an die Minsk II Verantwortlichen appellierte, Kiew zur Einhaltung des Abkommens aufzufordern. Mehr noch steht der Vorwurf im Raum, dass seitens Kiews Phosphorbomben (international geächtet) verwendet werden.
Ob die von der EU unterstützte Regierung in Kiew tatsächlich zur Vernunft gerufen wird, ist eine offene Frage. Bisher ist es der Regierung von Petro Poroschenko immer gelungen, die Lage so darzustellen, dass alle Schuld bei den Russen liegt. Doch seit einiger Zeit ist das Misstrauen des Westens gegenüber der Regierung gestiegen. Vor allem die martialischen Sprüche von Premier Arseni Jazenjuk erzielen mittlerweile eher die gegenteilige Wirkung bei den Verbündeten im Westen, die sich einen weiteren Finanz-Kollaps in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft nicht mehr leisten können.
Frankreichs Präsident Francois Hollande, Bundeskanzlerin Angela Merkel und der ukrainische Präsident Petro Poroschenko sollen sich am Montag in Berlin treffen, um über die Eskalation in der Ostukraine zu reden. Das kündigte der französische Außenminister Laurent Fabius am Dienstag in Paris an. Interessant: Anders als früher halten sich die Franzosen gegenüber Putin betont zurück. Fabius sagte lediglich, man wolle über die in den vergangenen Tagen wieder stärker gewordenen Kämpfe sprechen. Er nannte die Entwicklung ohne explizite Schuldzuweisung besorgniserregend. "Wir müssen die militärischen Operationen stoppen, einen Abzug der Waffen und ein Ende der Attacken auf die OSZE-Beobachter erreichen", sagte Fabius. Zudem müssten die Lokalwahlen in den von den Rebellen kontrollierten Gebieten vorbereitet werden. Er hoffe, dass es in beiden Punkten Fortschritte bei den Gesprächen in Berlin geben werde.
Auch die Bundesregierung ist hinsichtlich der unkritischen Parteinahme für die Regierung der Ukraine vorsichtiger geworden: Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hatte bereits am Wochenende von einer explosiven Lage gesprochen. "Wenn sich jetzt nicht beide Konfliktparteien auf den Friedensprozess besinnen, können wir jederzeit in eine neue militärische Eskalationsspirale geraten", warnte er in der Bild am Sonntag. Sein Sprecher Martin Schäfer sagte am Montag, die Schlacht der Worte eskaliere ebenso wie die militärische Gewalt. Alle Konfliktparteien müssten die Waffenstillstandsvereinbarung umsetzen.