Politik

Chaos im Reaktor: Politiker fordern sofortige Abschaltung von AKWs in Frankreich

Lesezeit: 2 min
04.03.2016 14:12
Die Energieministerin von Rheinland-Pfalz fordert die sofortige Abschaltung der französischen Atomkraftwerke von Fessenheim und Cattenom. Die Ministerin sagte, sie sei „entsetzt, dass es erneut eine gravierende Panne in einem französischen AKW gab und die französische Atomaufsicht offenkundig nicht funktionierte“.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Nach Berichten über einen ernstlichen Störfall im umstrittenen elsässischen Atomkraftwerk Fessenheim im April 2014 hat Rheinland-Pfalz die umgehende Abschaltung gefordert. Energieministerin Eveline Lemke fordert nun die sofortige Abschaltung der AKWs. Der Vorfall zeige "einmal mehr, dass unsere Forderung gegenüber der französischen Regierung, Fessenheim vom Netz zu nehmen, gute Gründe hat", erklärte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Er sei "ein weiterer Beleg für das Risiko, das vom Betrieb dieses alten Reaktors ausgeht". Die Kovorsitzende der Grünen-Fraktion im Europaparlament, Rebecca Harms, forderte einen "europäischen Gipfel zu atomaren Sicherheitsfragen".

Die Süddeutsche Zeitung hatte berichtet, ein Reaktor in Fessenheim habe sich im April 2014 vorübergehend nicht mehr richtig steuern lassen. Eine Überschwemmung habe damals eine „Abfolge von technischem Versagen und Chaos“ nach sich gezogen, schrieb die SZ unter Berufung auf gemeinsame Recherchen mit dem Westdeutschen Rundfunk. Es sei festgestellt worden, dass das Wasser auch in Schaltschränke gelaufen sei.

Dadurch sei offenbar eines der beiden parallelen Sicherheitssysteme außer Gefecht gesetzt worden, berichtete die Zeitung weiter. Das einberufene Krisenteam habe darum entschieden, den Reaktor abzuschalten. Am Ende wurde der Meiler dem Bericht zufolge per Einleitung von Bor in das Kühlsystem heruntergefahren. In der Mitteilung der französischen Atomaufsicht sei von einer solchen Maßnahme allerdings nicht die Rede gewesen.

Fessenheim werde „vom selben Unternehmen betrieben wie das an Rheinland-Pfalz angrenzende Atomkraftwerk Cattenom“, erklärte Lemke weiter. Beide Anlagen müssten abgeschaltet werden, „bis der Störfall umfassend aufgeklärt ist“. „Wir können uns offensichtlich nicht auf die Auskünfte des AKW-Betreibers EDF verlassen“, kritisierte die Ministerin. „Und was noch viel schlimmer ist – die französische Atomaufsicht mauschelt, statt ihren Job zu machen“, fügte sie hinzu.

Dieser Zwischenfall in Fessenheim zeigt erneut – Deutschland ist umstellt von Schrottreaktoren“, erklärte der Ko-Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter. Die Bundesregierung müsse „gegenüber Frankreich, der Schweiz, Tschechien und Belgien unmissverständlich auf deren Abschaltung drängen“. „Der Weiterbetrieb dieser Atomkraftwerke ist unverantwortlich“, erklärte Hofreiter mit Blick auf die Anlagen in den Nachbarstaaten.

Die beiden Reaktoren in Fessenheim wurden 1977 in Betrieb genommen und sind damit die ältesten in Frankreich. Atomkraftgegner und Politiker in Frankreich, Deutschland und der ebenfalls nahe gelegenen Schweiz fordern seit langem die Stilllegung des besonders pannenanfälligen Atomkraftwerks.

Frankreichs Präsident François Hollande hatte wiederholt versprochen, die am Oberrhein gelegene Anlage noch in seiner bis Mai 2017 laufenden Amtszeit vom Netz zu nehmen. Immer wieder werden aber Zweifel daran laut, dass dies auch wirklich geschehen wird. Zuletzt hatte die französische Energieministerin Segolene Royal angekündigt, die Laufzeit von bereits abgeschriebenen AKWs zu verlängern.

Störfälle oder Atomkatastrophen würden immer wieder "verharmlost oder vertuscht", erklärte der Vorsitzende des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Hubert Weiger. "Tschernobyl, Fukushima und Fessenheim zeigen: Die Risiken der Atomkraft sind zu groß."

Die Atom-Lobby nutzt die sozialen Netzwerke wie Facebook und Twitter seit Jahren intensiv, um Kritiker der Kernenergie zu denunzieren und schwere Störungen und Gefährdungen der Sicherheit der Bevölkerungen herunterzuspielen. So versuchte die Atom-Lobby nach der Katastrophe von Fukushima gezielt, kritische Medien zu diskreditieren – obwohl Kernkraftexperten bis zum heutigen Tag darauf verweisen, dass die Probleme an der Atomruine nicht gelöst sind und seit dem GAU Millionen an hochradioaktivem Wasser einfach in den Pazifik abgeleitet wird. Die Atom-Lobby bedient sich zu diesem Zweck sowohl einzelner etablierter Medien als auch individueller Facebook- und Twitter-Aktivisten, die gegen Bezahlung tätig werden, ihre Auftraggeber jedoch nicht offenlegen. Oft schaffen es die Denunziationen bis in Wikipedia.

Die umweltpolitischen Folgekosten der Profite von Atomkraftwerken haben im übrigen die Steuerzahler zu tragen: Derzeit verhandelt die Bundesregierung nach dem Atomausstieg mit den Konzernen über die Modalitäten zur Entsorgung der Ruinen und des Mülls.

Hinweis: Abonnieren Sie den täglichen Newsletter der DWN (gratis). Wir halten Sie auf dem Laufenden – gerade über jene Themen, die die anderen gerne unter den Tisch kehren möchten. 


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Zu Weihnachten Zukunft schenken

Gerade zu Weihnachten wünschen sich viele Menschen, etwas von ihrem Glück zu teilen und sich für diejenigen zu engagieren, die es nicht...

DWN
Politik
Politik Chaos und Dutzende Tote in Mosambik nach Wahlergebnis
26.12.2024

Seit der Verkündung des Wahlsiegs der Regierungspartei kommt es zu immer blutigeren Unruhen. Demonstranten befreien Gefangene und...

DWN
Immobilien
Immobilien In Life-Science-Immobilien investieren: Tipps für den Einstieg in die neue Assetklasse
26.12.2024

Immobilien in der Life-Sciences-Branche sind höchst spezialisiert und komplex - und für Investoren ein besonders spannender...

DWN
Politik
Politik Biden setzt Zeichen: Todesurteile werden zu lebenslangen Haftstrafen umgewandelt
25.12.2024

Der scheidende US-Präsident Joe Biden positioniert sich klar gegen die Todesstrafe auf Bundesebene. Sein Nachfolger Donald Trump vertritt...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft DWN-Interview: Hat Deutschlands Bergbau eine Zukunft?
25.12.2024

Deutschlands Bergbau steckt in einer kritischen Phase: Das Land verfügt über wertvolle Rohstoffe und ist in Bergbautechnologien führend....

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Klimaneutralität Deutschland: Wie der Ländervergleich die Fortschritte zeigt
25.12.2024

Deutschland muss seine Bemühungen zur Erreichung der Klimaziele des Pariser Abkommens intensivieren. Laut einer Bertelsmann-Studie...

DWN
Politik
Politik Auf einmal haben alle Ideen! Wahlkampfversprechen: Was die Parteien zu Steuern, Rente, Klima planen
25.12.2024

Die Wahlkampfprogramme der deutschen Parteien werden erst am kommenden Dienstag offiziell vorgestellt. Die Grundthemen und Positionierungen...

DWN
Politik
Politik CO2-Preis steigt - was das beim Tanken und Heizen bedeutet
25.12.2024

Das neue Jahr könnte mit höheren Preisen an der Tankstelle beginnen. Das liegt an einem steigenden CO2-Preis. Ab 2027 könnte sich dieser...

DWN
Technologie
Technologie KI-Wettlauf: Wie Europa den Anschluss an die Welt verliert
25.12.2024

Europas Wettbewerbsfähigkeit steht vor einer existenziellen Herausforderung. Während künstliche Intelligenz (KI) eine technologische und...