Österreich drängt auf eine Schließung aller möglichen Fluchtrouten über den Balkan. Nach der Sperrung der bisherigen Route durch das ehemalige Jugoslawien und dem Flüchtlingsdeal mit der Türkei gebe es nun ein Potenzial von 1,1 Millionen Menschen, die sich auf einen alternativen Weg Richtung Bulgarien machen könnten, sagte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) am Sonntag zur Begründung. Zugleich äußerte sie sich in der ORF-Pressestunde skeptisch zu den Erfolgsaussichten für den Flüchtlingspakt zwischen der EU und der Türkei.
Dieser Deal löse das Problem nicht, sagte die Ministerin. Sie fordert den entschlossenen Schutz der EU-Außengrenzen und sagte wörtlich: „Aus Europa muss eine Festung werden – jetzt sind wir gerade dabei, diese zu bauen.“ Zwar sei die Westbalkanroute bereits geschlossen, aber die Flüchtlinge seien dabei, auf andere Routen auszuweichen – etwa auf die Ostbalkanroute über die türkisch-bulgarische Grenze. „Das kann der nächste Korridor für einen Massenandrang von Flüchtlingen sein und muss daher gesichert werden.“ Zu den Vorzeichen gehörten eine vermehrte Schleppertätigkeit Richtung Bulgarien. So seien bereits Flüchtlinge und Migranten in Güterzügen aufgegriffen worden.
Die von Österreich gesetzte Obergrenze für die Aufnahme von 37.500 Asylbewerbern werde voraussichtlich im Herbst erreicht, sagte die Ministerin weiter. In letzter Zeit seien pro Tag rund 100 Asylanträge gestellt worden.
Österreichs Bundespräsident Heinz Fischer (SPÖ) glaubt ebenfalls nicht an einen echten Erfolg des Flüchtlingsdeals zwischen der EU und der Türkei, wie er der Wiener Zeitung Die Presse am Sonntag sagte. Bundeskanzlerin Angela Merkel hoffe zwar, dass der Deal funktioniere. Die Chancen seien jedoch eher gering: „Wenn etwas nur mit 50- oder 35-prozentiger Wahrscheinlichkeit funktioniert, kann ich darauf kein Riesenverantwortungsgebäude errichten, von dem das Schicksal Tausender Menschen abhängt.“
Österreichs Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) sagte, eine Verteilung von Flüchtlingen innerhalb Europas sei kaum noch möglich, nachdem sie in Staaten wie Deutschland oder Österreich aufgenommen wurden. Ein Verteilungsmechanismus sei nur umsetzbar, wenn Flüchtlinge nicht ziehen könnten, wohin sie wollten. „Wer eine Wohnung in Berlin bezogen hat, wird nicht mehr nach Polen gehen. Etwas anderes zu glauben, ist absurd“, sagte der Minister der Presse. Eine Verteilung könne man nur aus den Herkunftsländern oder höchstens noch von Griechenland aus schaffen. „Du wirst nie eine Wegverteilung aus Österreich oder Deutschland durchsetzen – außer mit staatlicher Gewalt. Es geht hier nicht mehr um die Suche nach Schutz, sondern um die Suche nach einem besseren Leben.“
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