Politik

Financial Times: Merkel hat Aufstieg Erdogans möglich gemacht

Bundeskanzlerin Angela Merkels Rückendeckung für den türkischen Staatschef Erdoğan ist ausschlaggebend für seinen Aufstieg. Ohne ihre Hilfe, wäre er in der Türkei niemals nahezu allmächtig geworden, so der ehemalige EU-Botschafter in Ankara.
21.05.2016 01:10
Lesezeit: 1 min

Der Rücktritt des türkischen Premiers Ahmet Davutoğlu hat in der Türkei eine politischen Umbruch eingeleitet. Erdoğans Verlangen nach absoluter Macht verwurzelt sich immer fester, schreibt der ehemalige EU-Botschafter in der Türkei, Marc Pierini, in einem Gastbeitrag der Financial Times. Interessant: Pierini ist auch Mitarbeiter von Carnegie Europe, einem einflussreichen transatlantischen Think Tank. Man kann also aus Pierinis Ausführungen durchaus Rückschlüsse ziehen, was in Washington im Hinblick auf die Rolle Merkels diskutiert wird.

Angela Merkel fungiere seit dem vergangenen Jahr als Rettungsanker des türkischen Staatschefs. Ausschlaggebend dafür sei die Flüchtlings-Krise, die Merkel und die EU dazu gezwungen hat, einen Deal mit der Türkei abzuschließen. Merkel habe Erdoğan innerhalb von sechs Monaten insgesamt drei Mal besucht, was die Wahrnehmung verfestigt, dass sie sich für ihn „entschieden“ habe, so Pierini. Sie habe ihn, um das Flüchtlingsproblem zu lösen, von der Verpflichtung entbunden, Rechtsstaatlichkeit und Meinungsfreiheit zu achten. Dies seien eigentlich unverzichtbare Kriterien für die EU, doch Merkel scheint Erdoğan das Gefühl gegeben zu haben, dass dies ausgerechnet für ihn nicht gelte. Dadurch habe er seine Machtposition im In- und Ausland erheblich ausbauen können.

Merkel hätte der Türkei weitreichende Privilegien zugesagt und verlange im Gegenzug die Eindämmung des Flüchtlingsstroms. Erdoğan hingegen kann die Flüchtlings-Frage mit Rückendeckung durch die deutsche Kanzlerin jederzeit nutzen, um die EU zu erpressen, meint Pierini.

Merkel will mit Erdoğan am Montag in Istanbul über die Flüchtlingskrise und die Folgen der Immunitätsaufhebung sprechen. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Freitag: „Grundsätzlich erfüllt uns die zunehmende innenpolitische Polarisierung in der Türkei mit Sorge.“

Pierini stellt in seinem Kommentar in der FT die Frage, welchen Preis die EU für die Lösung der Flüchtlingskrise durch die Türkei zu bezahlen bereit sei.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik US-Zölle als Wirtschaftskrieg: Trump zielt auf Europas Wohlstand
15.07.2025

Mit 30-Prozent-Zöllen will Donald Trump die europäische Wirtschaft in die Knie zwingen – und trifft damit ausgerechnet die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas seltene Chance: Schwedisches Metallvorkommen soll Abhängigkeit von China brechen
15.07.2025

In Schwedens Norden liegt Europas größte Hoffnung auf Rohstoffsouveränität. Doch der Fund der Seltenen Erden birgt Zielkonflikte,...

DWN
Immobilien
Immobilien Grunderwerbsteuer sparen: So zahlen Käufer weniger beim Immobilienkauf
15.07.2025

Der Kauf einer Immobilie wird schnell teurer als geplant – oft durch hohe Nebenkosten. Besonders die Grunderwerbsteuer kann kräftig...

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz: Zuckerberg kündigt Mega-Rechenzentren an
15.07.2025

Mark Zuckerberg treibt den KI-Wettlauf in eine neue Dimension. Der Meta-Chef kündigt gigantische Rechenzentren an und will dabei selbst...

DWN
Politik
Politik Jetzt unterstützt Trump die Ukraine: Ist das die Wende?
15.07.2025

Donald Trump vollzieht die Wende: Plötzlich verspricht er der Ukraine modernste Waffen – auf Europas Kosten. Russland droht er mit...

DWN
Panorama
Panorama Deutsche fahren wieder mehr Auto
15.07.2025

Deutschland erlebt eine Kehrtwende beim Autofahren: Nach Jahren des Rückgangs steigen die gefahrenen Kilometer wieder – obwohl einzelne...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldverbot 2025: Panikmache oder reale Gefahr für Ihr Gold?
15.07.2025

Mehrere Goldhändler warnen vor einem staatlichen Zugriff auf Barren und Krügerrands – Millionen Anleger fürchten um ihre Ersparnisse....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trumps Zölle sollen bleiben – weil er sie als Erfolg verbucht
15.07.2025

Donald Trump sieht seine Zollpolitik als Erfolg – und will sie verschärfen. Was der transatlantische Handelskrieg für Europa,...