Politik

AfD-Fraktion im Streit um Antisemitismus zerbrochen

Keine vier Monate nach ihrem Erfolg bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg hat sich die AfD selbst gespalten. Noch ist völlig unklar, wer in dem Machtkampf in der Partei die Oberhand behält.
06.07.2016 01:02
Lesezeit: 2 min

Im Streit um die Antisemitismus-Vorwürfe gegen den AfD-Politiker Wolfgang Gedeon ist die Fraktion der Partei im baden-württembergischen Landtag zerbrochen. Der Fraktionschef und AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen sowie zwölf weitere Abgeordnete verließen am Dienstag die Fraktion im Stuttgarter Landtag. Grund sei der Konflikt um Gedeon. Bei einer neuen Abstimmung über den Rauswurf des Abgeordneten aus der Fraktion sei die nötige Zweidrittelmehrheit nicht zusammengekommen. Am Abend verkündete der umstrittene Abgeordnete Gedeon den Austritt aus der AfD-Fraktion.

«Der Fraktionsbruch ist rechtskräftig», sagte Meuthen der dpa am Abend nach der Erklärung Gedeons. An diesem Mittwoch sollen die Abgeordneten zusammenkommen, um über eine mögliche Neugründung der AfD-Fraktion zu tagen, kündigte Meuthen an. «Wenn nun mindestens fünf Abgeordnete überlaufen zu uns, dann kann die andere Gruppe nicht als Fraktion existieren. Dann gibt es eine neue AfD-Fraktion frei von Antisemitismus», betonte Meuthen.

Meuthen kritisierte im Gespräch mit der dpa die Einmischung seiner Co-Vorsitzenden auf Bundesebene, Frauke Petry, in die Angelegenheiten der baden-württembergischen Landespartei. «Ich frage mich, wie Frau Petry reagieren würde, wenn ich in Sachsen so agieren würde wie sie hier», sagte Meuthen. Petry hatte nach Gesprächen in Stuttgart verkündet, mit dem Austritt Gedeons sei die Spaltung der AfD-Fraktion in Baden-Württemberg abgewendet.

Die AfD hat 23 der 143 Sitze im Stuttgarter Parlament. Die AfD hatte bei der Landtagswahl im März 15,1 Prozent der Stimmen erzielt und zwei Direktmandate errungen.

Der AfD-Bundesvorstand unterstützte Meuthen, der auch Co-Vorsitzender der Partei ist. In einer einstimmig beschlossenen Erklärung der Parteispitze vom Dienstag hieß es: «Der Bundesvorstand distanziert sich von denjenigen Mitgliedern der Fraktion, die nicht mit Jörg Meuthen die Fraktion verlassen.» Als Vertreter der AfD im Landtag von Baden-Württemberg werde nur die Gruppe um Meuthen anerkannt. Die Co-Vorsitzende der AfD, Petry, nahm an der Besprechung des Bundesvorstandes dem Vernehmen nach nicht teil.

AfD-Chef Meuthen sah sich in den letzten Wochen Vorwürfen ausgesetzt, in den eigenen Reihen Antisemitismus nicht entschieden genug zu bekämpfen. Er hatte zuerst mit Rücktritt gedroht, sollte Gedeon nicht ausgeschlossen werden aus der Fraktion. Dann blieb er aber zunächst doch. Gedeon hatte vor zwei Wochen erklärt, seine Mitgliedschaft in der Fraktion bis September ruhen zu lassen.

Eigentlich wollte die AfD die Antisemitismus-Vorwürfe gegen Gedeon zuletzt durch Gutachter klären lassen. Es seien bereits zwei Gutachten angefertigt worden, sagte Meuthen. Diese seien zu dem Schluss gekommen, dass die Äußerungen von Gedeon antisemitisch seien. Gedeon sieht sich Kritik ausgesetzt, Holocaust-Leugner zu unterstützen. Er hatte sie als «Dissidenten» - Gegner in autoritären Regimes - gewürdigt.

Auch Gedeons Satz «Das Talmud-Judentum ist der innere Feind des christlichen Abendlandes» wurde von einigen AfD-Politikern als hinreichender Beleg für antisemitisches Gedankengut gewertet. Gedeon hatte überdies den Holocaust als «gewisse Schandtaten» bezeichnet.

Zudem hält der Politiker die sogenannten Protokolle der Weisen von Zion, aus denen Antisemiten Theorien über eine angebliche jüdische Verschwörung ableiten, für «eher» keine Fälschung, wie die dpa schreibt. Diese Aussage ist blanker Unsinn: Über den Charakter der Protokolle als antisemitische Fälschung besteht seit Jahrzehnten nicht der geringste Zweifel. 

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Krypto-Coup: Milliarden für die Familienkasse
30.06.2025

Donald Trump lässt seine Kritiker verstummen – mit einer beispiellosen Krypto-Strategie. Während er Präsident ist, verdient seine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Streit um Stromsteuer belastet Regierungskoalition
30.06.2025

In der Bundesregierung eskaliert der Streit um die Stromsteuer. Während Entlastungen versprochen waren, drohen sie nun auszubleiben –...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft PwC: Künstliche Intelligenz schafft Jobs nur für die, die vorbereitet sind
30.06.2025

Künstliche Intelligenz verdrängt keine Jobs – sie schafft neue, besser bezahlte Tätigkeiten. Doch Unternehmen müssen jetzt handeln,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen United Internet-Aktie unter Druck: 1&1 reduziert Prognose
30.06.2025

1&1 senkt überraschend seine Gewinnprognose trotz zuletzt guter Börsenstimmung. Der Grund: deutlich höhere Kosten beim nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Inflation in Deutschland sinkt im Juni auf 2,0 Prozent: Energiepreise entlasten
30.06.2025

Die Inflation in Deutschland hat im Juni einen überraschenden Tiefstand erreicht – doch nicht alle Preise sinken. Was bedeutet das für...

DWN
Politik
Politik Trumps Schritte im Nahen Osten: Nur der Anfang eines riskanten Spiels
30.06.2025

Donald Trump bombardiert den Iran, erklärt die Waffenruhe – und feiert sich selbst als Friedensbringer. Experten warnen: Das ist erst...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Raucherpause im Job: Ausstempeln erforderlich?
30.06.2025

Raucherpause im Job – ein kurzer Zug an der Zigarette, doch was sagt das Arbeitsrecht? Zwischen Ausstempeln, Betriebsvereinbarung und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lufthansa sichert sich Anteile an Air Baltic – trotz Bedenken
30.06.2025

Die Lufthansa steigt bei der lettischen Fluggesellschaft Air Baltic ein – jedoch nicht ohne Bedenken der Kartellwächter. Was bedeutet...