Politik

EZB-Direktor Asmussen spricht erstmals von „galoppierender Inflation“

Lesezeit: 2 min
29.09.2012 01:17
Erstmals spricht ein Mitglied des EZB-Direktoriums öffentlich von einer Hyperinflation. Auch wenn er sagt, dass mit einer solchen nicht zu rechnen sei - allein die Erwähnung des geldpolitischen Worst Case verdient Beachtung. Zuvor hatte die Europäische Statistikbehörde einen überraschenden Anstieg der Inflation auf 2,7 Prozent gemeldet.
EZB-Direktor Asmussen spricht erstmals von „galoppierender Inflation“

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

In der EZB hat Jörg Asmussen, enger Vertrauter des SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück (wurde heute nominiert - hier), stets für den Kurs von Mario Draghi gestimmt. Nun verteidigte Asmussen die Politik der EZB bei einer Bankenkonferenz in Berlin und sagte, das unbegrenzte Ankaufen von Staatsanleihen sei eine notwendige Maßnahme zur Stabilisierung der Bond-Märkte. Asmussen hatte mit seiner Haltung Bundesbank-Chef Jens Weidmann (der Draghi wenig später mit Mephisto verglich - hier) im Regen stehen lassen.

Asmussen überraschte jedoch mit einer weiteren Aussage: Nur wenige Stunden, nachdem die europäischen Inflationszahlen gemeldet wurden (sie fielen mit 2,7 Prozent sehr hoch aus - mehr hier), bezog Asmussen zum Thema der Geldentwertung Stellung. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, dass Asmussen vor zuviel Angst vor Inflation gewarnt habe - eine Angst, die vor allem in Deutschland aus den Erfahrungen der Geschichte weit verbreitet ist. Sogar der Chef der Deutschen Bank, Anshu Jain, hatte erst kürzlich gesagt, eine höhere Inflation sei der Preis für die Euro-Rettung (hier).

Asmussen ließ jedoch aufhorchen, weil er - eigentlich ohne Not - noch einen drauflegte, auch wenn freilich in eine Beschwichtigung gekleidet: Er sagte: „Furcht vor galoppierender Inflation hilft nicht. Es gibt keine Abstriche an unserer Politik der Geldwertstabilität.“ Diese Furcht sei unbegründet, weil die EZB gegensteuern werde, wenn sich die inflationären Tendenzen verstärken sollten. Da gäbe es, so Asmussen, „kein Pardon“. Nach Asmussens Beschreibung horten die Banken zwar Geld, geben dieses jedoch nicht in den Geldkreislauf weiter.

Die Tatsache, dass Asmussen nicht einfach von einer Inflation, sondern von einer „galoppierende Inflation“ spricht, ist bemerkenswert: Bisher war es Sprachregelung der EZB gewesen, dass man geradezu keine Inflation habe, dass die von der EZB vorgegebenen Korridore stets eingehalten werden. Dass er nun diese doch dramatische Steigerung ausdrücklich erwähnt, könnte darauf hindeuten, dass sich die Euro-Retter in der EZB zumindest der öffentlichen Ängste in Deutschland bewusst werden. Wenn aber ein EZB-Direktor eine galoppierende Inflation - das bisher völlig Undenkbare - in den Mund nimmt, ist eine neue Qualität in der Diskussion.

Im Kontext der politischen Praxis ist die Aussage von Bedeutung. Euro Gruppen Chef Jean Claude Juncker hatte erklärt, dass es, wenn es ernst werde, notwendig sei zu lügen, und dass man bei der EU gerne Veränderungen dadurch herbeiführe, dass man etwas in den Raum stelle und dann warte, was passiert.

Möglicherweise war Asmussens Spruch in diesem Zusammenhang Kalkül: Wenn es zu einer moderaten Inflation kommt, tut das den deutschen Sparern zwar auch schon weh, aber es ist immerhin weniger schlimm als eine „galoppierende Inflation“.

Zur Erinnerung: Mephisto sagt im Faust zum König, als dieser ihm befiehlt, Geld zu beschaffen: „Ich schaffe, was ihr wollt, und schaffe mehr.“ Im Zauberlehrling hat uns der geniale Finanz-Prophet Goethe von einem erzählt, der am Ende bekennen muss: „Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los.“


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Zu Weihnachten Zukunft schenken

Gerade zu Weihnachten wünschen sich viele Menschen, etwas von ihrem Glück zu teilen und sich für diejenigen zu engagieren, die es nicht...

DWN
Politik
Politik Kniefall in Warschau - Markus Söder gedenkt Opfern des Krieges
11.12.2024

In Warschau legt Markus Söder einen Opferkranz nieder und kündigt polnische Hinweisschilder für Bayerns Gedenkstätten an. Hinter der...

DWN
Politik
Politik Verteidigungsminister Pistorius für mehr Engagement im Nahen Osten
11.12.2024

Wie weiter für die Bundeswehr im Nahen Osten? Drei Tage nach dem Umsturz in Syrien bereist der Verteidigungsminister zwei Nachbarländer...

DWN
Politik
Politik Scholz beantragt Vertrauensfrage mit Ziel der Neuwahl
11.12.2024

Es ist der erste Schritt auf dem Weg zur Neuwahl des Bundestags: Kanzler Olaf Scholz hat bei Bundestagspräsidentin Bärbel Bas schriftlich...

DWN
Politik
Politik Scholz auf Stimmenfang? Kanzler-Vorstoß für weniger Mehrwertsteuer bei Lebensmitteln
11.12.2024

An der Kasse im Supermarkt merken Verbraucherinnen und Verbraucher die Inflation konkret – viele Produkte sind teurer geworden. Nun...

DWN
Immobilien
Immobilien Bundeskabinett beschließt verschärfte Mietpreisbremse - bis Ende 2029
11.12.2024

Die Mietpreisbremse soll nach dem Willen der Bundesregierung verlängert werden. Dass ihr Vorhaben im Bundestag eine Mehrheit findet, ist...

DWN
Politik
Politik Woidke als Ministerpräsident in Brandenburg wiedergewählt - im zweiten Wahlgang
11.12.2024

Der SPD-Politiker Dietmar Woidke ist zum vierten Mal zum brandenburgischen Ministerpräsidenten gewählt worden. Der 63-Jährige, der an...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Zalando-Aktie: Online-Händler will sich Konkurrent About You einverleiben
11.12.2024

Der drittgrößte Modehändler in Deutschland will einen wachsenden Konkurrenten (im Einflussbereich des Otto-Konzerns) übernehmen. Ein...

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienpreise: Was sind die 2025-Prognosen für den deutschen Wohnmarkt?
11.12.2024

Wie sehen die Aussichten für das Immobiliensegment Wohnen in 2025 aus? Immobilienpreise für Wohnungen und Häuser haben wegen...