Politik

Bonn: Steuerzahler muss 1,5 Millionen Euro für Kissinger-Professur zahlen

Der deutsche Steuerzahler muss für eine Professur aufkommen, die unter anderem vom Verteidigungsministerium finanziert wird: Sie trägt den Namen von Henry Kissinger. ´Die Professoren protestieren, der französische Politologe Alfred Grosser nennt Kissinger einen „Massenmörder“.
14.04.2014 00:13
Lesezeit: 2 min

An der Universität Bonn soll zum Wintersemester 2014/2015 eine Henry-Kissinger-Stiftungsprofessur für Governance und internationale Sicherheit eingerichtet werden. Im ersten Jahr wird sie mit dem amerikanischen Botschafter a.D. James D. Bindenagel besetzt werden. Das hat das Rektorat der Universität bekanntgegeben.

Die Professur kostet den Steuerzahler 1,5 Millionen Euro. Die Universität Bonn erklärt die Kosten:

„Finanziert wird die Stiftungsprofessur vom Bundesministerium für Verteidigung und vom Auswärtigen Amt, die für diesen Zweck fünf Jahre lang jährlich 300.000 Euro für Personal- und Sachmittel zur Verfügung stellen.“

Der Posten ist offenbar ein vom deutschen Steuerzahler zu finanzierender Versorgungsposten für ehemalige Diplomaten. Das kommt den maroden US-Staatsfinanzen sehr entgegen, denn die Amerikaner müssen seit geraumer Zeit auf Investmentbanker zurückgreifen, um den diplomatischen Dienst am Laufen zu halten (mehr hier).

Widerstand regt sich an der Universität vor allem gegen den Namen der Professur: Henry Kissinger gilt vielen als ein Kriegstreiber. Sie finden es unpassend, dass das Verteidigungsministerium einen Lehrstuhl finanziert, das seinen Namen trägt.

Der französische Politikwissenschaftler Alfred Grosser hat sich empört über die Einrichtung eines Henry-Kissinger-Lehrstuhls an der Universität Bonn geäußert. Kissinger als Namensgeber sei ein Skandal, „weil Kissinger ein Massenmörder ist. In Kambodscha und Chile ist er es gewesen“, sagte er dem Kölner Stadt-Anzeiger mit Blick auf die auf Kissinger fußende Politik während des Vietnam-Krieges und bei dem Putsch gegen den chilenischen Präsidenten Allende. Kissinger war während dieser Zeit Sicherheitsberater und später Außenminister der USA. Der in Paris lebende Intellektuelle sagte weiter: „Jedes Mal, wenn es um Folter ging, sagte er Pinochet, das sei nicht wichtig, wir unterstützen sie. Ich finde das furchtbar.“

Bereits im Januar hatte der Bonner Asta in einer Resolution die Uni-Leitung aufgefordert, auf die Stiftungsprofessur zu verzichten. In einem von dem globalisierungskritischen Netzwerk Attac formulierten offenen Brief haben sich nun mehr als 100 Wissenschaftler gegen die geplante Einrichtung der Professur gewandt. Die Unterzeichner, darunter mehrere Dutzend Professoren deutscher und europäischer Universitäten, kritisieren neben der Namensgebung der Professur auch die Finanzierung durch das Bundesverteidigungsministerium. Die Initiative Zivile Uni Bonn schreibt in ihrem Protest, der bereits von mehr als 1.000 Leuten unterzeichnet wurde:

„Die überwiegende Finanzierung des geplanten Kissinger-Lehrstuhls durch das Verteidigungsministerium lässt direkte und indirekte Einflussnahme befürchten und gefährdet die universitäre Autonomie. Wir sprechen uns klar dagegen aus, dass Lehrstühle durch das Bundesministerium der Verteidigung oder die Bundeswehr finanziert werden. Forschung, Lehre und Studium an der Universität sollen zivilen und friedlichen Zwecken dienen. Wir fordern eine ausreichende Grundfinanzierung der Universitäten, um sie als Institutionen zu stärken und in die Lage zu versetzen Angebote abzulehnen, welche nicht mit ihrer gesellschaftlichen Verantwortung in Einklang stehen.“

Die Haltung der Universität, weltanschaulich neutral sein zu wollen, kann Grosser, der einer der Unterzeichner des Briefes ist, nicht nachvollziehen. „Eine Universität hat nicht weltanschaulich in dieser Frage zu sein. Sonst könnte man ja auch eine Hermann-Göring-Professur einrichten“, sagte er.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Freelancer: Unverzichtbare Stütze in flexiblen Arbeitswelten
01.06.2025

Trotz Homeoffice-Boom bleibt die Nachfrage nach Freelancern hoch. Warum Unternehmen auf Projektarbeiter setzen, wo die Vorteile liegen –...

DWN
Politik
Politik „Choose Europe“: Brüssel will Gründer mit Kapital halten
31.05.2025

Die EU startet einen neuen Wachstumsfonds, der Start-ups mit Eigenkapital unterstützen und in Europa halten soll. Doch Geld allein wird...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Energiewende umgekehrt: US-Firmen fliehen vor Trumps Klimapolitik – nach Europa
31.05.2025

Während Trump grüne Fördermittel in den USA kürzt, wendet sich die Clean-Tech-Branche von ihrer Heimat ab. Jetzt entstehen in Europa...

DWN
Politik
Politik Ärztepräsident warnt vor „Versorgungsnotstand“
31.05.2025

Ärztepräsident Klaus Reinhardt warnt vor Beeinträchtigungen im medizinischen Netz für Patienten, wenn nicht bald Reformen zu mehr...

DWN
Finanzen
Finanzen Gesetzliche Erbfolge: Wer erbt, wenn es kein Testament gibt
31.05.2025

Jeder kann selbst bestimmen, wer seine Erben sein sollen. Wer das allerdings nicht durch ein Testament oder einen Erbvertrag regelt und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Datensammeln ohne Richtung: Warum der falsche Analyst Ihrem Unternehmen schadet
31.05.2025

Viele Unternehmen sammeln Daten – doch ohne den richtigen Analysten bleiben sie blind. Wer falsche Experten einsetzt, riskiert...

DWN
Panorama
Panorama Umfrage: Vielen Bädern fehlt das Personal
31.05.2025

Viele Bäder in Deutschland haben laut einer Umfrage mit Personalengpässen zu kämpfen. So hatten 38 Prozent der befragten Hallen- und...

DWN
Finanzen
Finanzen Trump plant Milliardeninvestition in Bitcoin und andere Kryptowährungen
31.05.2025

Donald Trump will Bitcoin zur Staatsangelegenheit machen – mit Milliarden-Investitionen seiner Mediengruppe. Während der Markt jubelt,...