Gemischtes

Dreiste Intervention: EU will Syriza-Regierung in Griechenland stürzen

Die EU forciert das Tempo in ihrem Bemühen, die Syriza-Regierung in Griechenland zu stürzen. EU-Präsident Martin Schulz wünscht sich eine Übergangsregierung und danach das Verschwinden der Tsipras-Partei. Erstmals agitiert ein EU-Organ offen gegen eine demokratisch gewählte Regierung in einem Mitgliedstaat.
03.07.2015 01:11
Lesezeit: 2 min

Unmittelbar vor dem Referendum in Griechenland wird immer deutlicher, dass die große Koalition auf EU-Ebene einen Sturz der Regierung von Alexis Tsipras betreibt.

Der Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz, hält Neuwahlen in Griechenland für zwingend, wenn die Bevölkerung für das Reformprogramm der Gläubiger stimmt. Die Zeit bis zur Wahl müsse „mit einer technischen Regierung überbrückt werden, damit wir weiter verhandeln können“, sagte Schulz in einem Handelsblatt-Interview. „Wenn diese Übergangsregierung eine vernünftige Vereinbarung mit den Geldgebern findet, dann wäre Syrizas Zeit vorbei. Dann hat Griechenland wieder eine Chance“, sagte Schulz.

Um die Interessen der Sozialdemokraten durchzusetzen, erhob Schulz schwere Vorwürfe gegen Tsipras und schreckte auch nicht vor einer persönlichen Diffamierung zurück. Tsipras sei „unberechenbar und manipuliert die Menschen in Griechenland, das hat fast demagogische Züge“, sagte Schulz. „Mein Glaube an die Verhandlungsbereitschaft der griechischen Regierung ist mittlerweile auf einem absoluten Tiefpunkt angekommen“, sagte Schulz.

Es ist bemerkenswert, dass ausgerechnet der Präsident des EU-Parlaments offen auf die Absetzung einer demokratisch gewählten Regierung hinarbeitet. Bisher hat es so einen Fall in der EU erst einmal gegeben. Damals war der österreichische FPÖ-Politiker Jörg Haider betroffen. Er war von den österreichischen Konservativen in die Regierung aufgenommen worden. Daraufhin hatte die EU Sanktionen gegen Österreich verhängt und alles unternommen, um Haider aus der Regierung zu vertreiben. Damals konnte der Widerstand gegen Haider mit dem Thema Rechtsextremismus legitimiert werden. Haider hat in seiner politischen Karriere tatsächlich übelste Ausfälle in diese Richtung zu verzeichnen. Deswegen kann man mit Recht daran zweifeln, ob ein solcher Politiker geeignet ist, in einer österreichischen Regierung tätig zu werden. Dennoch wäre bei allem unangenehmen Beigeschmack zu bedenken, dass es das Wesen der Demokratie ist, jene Parteien die von den Wählern gewählt werden, auch mit der Regierungsbildung zu beauftragen.

Im Falle Griechenlands ergibt sich eine völlig neue Situation. Denn das Rechtsextremismus-Argument ist im Falle der Syriza-Partei nicht anzuwenden. Die Partei ist eine klassische linke Partei, deren Positionen früher von den Sozialdemokraten besetzt worden waren. Umso erstaunlicher ist es, dass die Sozialdemokraten nun offen antidemokratisch agieren.

Die Ausfälle von Schulz zeigen, dass es den großen Parteien in Europa nicht um das europäische Projekt geht, sondern um den Machterhalt für die eigene Klientel. Der Fraktionschef der Linkspartei, Gregor Gysi, hatte in einer fulminanten Rede im Bundestag völlig zu Recht bemerkt, dass die SPD dem Vorschlag eines Referendums von einem sozialistischen Premier in Griechenland vor zwei Jahren noch begeistert zugestimmt hatte. Nun, da der Vorschlag von einem Linkspolitiker käme, lehne die SPD den Vorschlag rundweg ab.

Doch die Lage in Griechenland ist noch weitaus grotesker. Die Sozialdemokraten haben sich dort durch jahrelange Misswirtschaft, Vetternwirtschaft, Korruption und Selbstbedienung vollständig diskreditiert. Die ehemals stolze PASOK wurde bei der jüngsten Wahl marginalisiert und liegt heute bei vier Prozent. Sie ist Mitglied der Sozialistischen Internationale und daher eine Schwesterpartei der SPD. Sie ist jedoch zu schwach, dass mit ihr keine Regierung zu machen ist.

Die Sozialdemokraten in Europa hoffen offenbar, dass in Ländern, wo ihnen von den Wählern vollständiges Versagen bescheinigt wurde, über den Umweg einer Technokraten Regierung wieder an die Macht gelangen können. Die Sozialdemokraten versprechen sich offenbar, ihnen willfährige Technokraten in die Regierungsämter zu hieven. Für die Parteibasis ist es ohnehin wichtiger, lukrative Posten in den verschiedenen Staatsbetrieben zu erhalten. Damit bereiten Vorschläge wie der von Schulz einer Funktionärsdiktatur in Europa den Weg.

In eine ähnliche Richtung konnte man auch die jüngsten Aussagen von Angela Merkel im Bundestag zur Griechenland Krise interpretieren.

Die Tatsache, dass Schulz den griechischen Premier auch persönlich diffamiert, deutet auf besorgniserregende Defizite der demokratischen Kultur in Europa hin. Es steht zu befürchten, dass diese ohnehin brüchige Kultur im Verlauf der Zuspitzung der aktuellen Krise noch weiter verfallen wird.

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trotz US-Verboten finden chinesische Tech-Giganten Wege, um im KI-Rennen zu bleiben
14.06.2025

Die USA wollen Chinas Aufstieg im KI-Sektor durch Exportverbote für High-End-Chips stoppen. Doch Konzerne wie Tencent und Baidu zeigen,...

DWN
Technologie
Technologie Einsatz von Tasern: Diskussion um „Aufrüstung“ der Polizei
14.06.2025

Taser gelten als umstritten, nun will Innenminister Alexander Dobrindt damit die Bundespolizei ausrüsten. Kritik kommt von Niedersachsens...

DWN
Finanzen
Finanzen Dividendenstrategie: Für wen sie sich im Aktiendepot lohnen kann
14.06.2025

Mit einer Dividendenstrategie setzen Anleger auf regelmäßige Erträge durch Aktien. Doch Ist eine Dividendenstrategie sinnvoll, wie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Krisenmodus in der Industrie: Autohersteller weichen Chinas Regeln aus
14.06.2025

Weil China den Export kritischer Magnetstoffe drastisch beschränkt, geraten weltweite Lieferketten ins Wanken. Autohersteller suchen eilig...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft H&M baut Milliardenhandel mit Secondhand-Mode aus
14.06.2025

H&M will das Image der Wegwerfmode abschütteln – mit gebrauchten Designerstücken mitten im Flagshipstore. Wird ausgerechnet Fast...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Atomkraftgegner fordern Ende der Uran-Geschäfte mit Kreml
14.06.2025

Atomkraftgegner wenden sich an die Bundesregierung: Sie fordern einen Stopp russischer Uranlieferungen nach Lingen. Auch die hybride Gefahr...

DWN
Finanzen
Finanzen Teuer Wohnen in Deutschland: Rund jeder Siebte zahlt mehr als halben Monatslohn für Miete
14.06.2025

Nach der Mietzahlung ist bei manchen nicht mehr viel übrig für den Rest des Monats, zeigt eine Studie. Jedoch haben viele Menschen auch...

DWN
Technologie
Technologie Autoren fragen, ob ihre Werke für künstliche Intelligenz genutzt werden können – eine unmögliche Mission?
14.06.2025

Ein Ex-Spitzenmanager von Meta warnt: Wenn KI-Unternehmen vor jedem Training urheberrechtlich geschützte Werke lizenzieren müssten,...