Finanzen

US-Steuerrefom: Gut für die Reichen, schlecht für die Mittelschicht

Die US-Steuerrefom wäre gut für die Reichen, aber schlecht für die Mittelschicht. (Dieser Artikel ist nur für Abonnenten zugänglich)
27.04.2017 00:19
Lesezeit: 4 min

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Die neue amerikanische Administration hat ihre Vorlage zu einer Reform des Steuersystems präsentiert. Die Vorlage sieht enorme Steuersenkungen für Unternehmen und Unternehmer vor. Zugleich bringt sie zahlreiche versteckte Steuererhöhungen für die Mittelschicht. Die Reform ist eine Umverteilung zugunsten der Reichen. Sie höhlt den Staat aus – und das vermutlich ohne positive Wirkung auf das Wirtschaftswachstum. Allerdings ist es zum gegenwärtigen Zeitpunkt ohnehin sehr unwahrscheinlich, dass die Steuerreform die ausreichenden Mehrheiten bekommt.

US-Präsident Donald Trump hat seine vierte Version für eine Steuerreform innerhalb eines Jahres präsentiert, die erste in seiner Funktion als Präsident. Sie wurde von neuem Personal ausgearbeitet, nämlich von den beiden früheren Goldman-Bankern Finanzminister Stephen Mnuchin und Wirtschaftsberater Gary Cohn, dem neuen starken Mann der Administration in allen wirtschaftspolitischen Belangen. Autoren früherer Versionen wie Larry Kudlow wurden diskret abgeschoben.

Auf den ersten Blick bringt die Reform eine Vereinfachung des Steuersystems, verbunden mit Kürzungen der Steuersätze. Die bisher gültige Besteuerung der Unternehmen wird vom Global- auf das Territorialprinzip umgestellt. Die in den USA ansässigen Unternehmen müssen also in den USA keine Steuern mehr auf im Ausland erzielte Einkommen entrichten. Sie zahlen einen einheitlichen Satz von 15 Prozent auf die in den USA realisierten Gewinne, statt bisher bis zu 35 Prozent Maximalsteuersatz für das globale Einkommen. Die bisher im Ausland geparkten Cash-Bestände können die Unternehmen einmalig zu einem reduzierten Steuersatz von 10 Prozent repatriieren. Nicht nur der Satz für normale Corporations (C-shares), sondern auch der Einkommens-Steuersatz für die Unternehmer und Selbständigen mit einer Gesellschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (S-shares) wird auf 15 Prozent reduziert. Das sind Partnerschaften mit wenigen Partnern.

Analog wird das Steuersystem für Individualpersonen vereinfacht. Es sieht künftig noch drei statt acht Steuerklassen vor – abhängig nach Einkommen. Die tiefsten Einkommen werden mit 10 Prozent, mittlere mit 25 Prozent und hohe mit 35 Prozent besteuert. Dabei wird ein Grundfreibetrag von 24.000 Dollar Einkommen gewährt. Oberflächlich betrachtet enthält also auch die Reform der Individualbesteuerung eine reduzierte Besteuerung für alle Steuerzahler.

Das größte Problem besteht darin, dass diese massiven Steuersenkungen nicht gegenfinanziert sind. Die Ausgangslage in den Vereinigten Staaten sind hohe Budgetdefizite und eine eskalierende Staatsverschuldung. Die Bundesschuld beträgt Stand Ende September 2016 hohe 105 Prozent, die gesamte Staatsschuld 120 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Für die nächsten 10 Jahre sind bei gegenwärtigem Steuer- und Ausgabenregime jährliche Schuldenzuwächse von 1.000 Milliarden Dollar oder rund 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Aussicht gestellt. Mit den neuen Steuersenkungen ändern sich die Größenordnungen gravierend. Pro Jahr kämen je nach Schätzung weitere 200 bis 300 Milliarden Dollar an Defizit hinzu. Darüber hinaus will Trump zahlreiche Ausgaben steigern – für Infrastruktur, Militär, Veteranen oder den Grenzwall zu Mexiko.

Diese mechanische Schätzungen ziehen die bei reduzierten Steuersätzen Wirkung des veränderten Steuerregimes nicht in Betracht. Der Hauptimpuls würde von der Reduktion der Einkommenssteuer für Unternehmer in steuerbefreiten Partnerschaften ausgehen. Diese Partnerschaften sind deshalb steuerbefreit, um eine Doppelbesteuerung von Klein- und Mittelunternehmern zu vermeiden. Ihre Partner, d.h. die Unternehmer, müssen bisher die an sie ausbezahlten Einkommen – Saläre, Dividenden, Zinsen auf Unternehmerdarlehen – zu den normalen Einkommens-Steuertarifen versteuern. Bisher betrug der in vielen Fällen zur Anwendung kommende Höchststeuersatz für private Einkommen 39,5 Prozent. In Zukunft beträgt dieser nur noch 15 Prozent, also viel weniger, als etwa ein leitender Angestellter oder einkommensstarker Fachspezialist bezahlt.

Diese Arbeitnehmer müssen für ihre hohen Einkommen den nun 35 Prozent betragenden Spitzensteuersatz entrichten. Die riesige Differenz der Steuersätze würde wohl viele sehr gut verdienende Freiberufler wie Ärzte, Anwälte oder sonstige Selbständige veranlassen, ihre Aktivitäten von Personengesellschaften in steuerbefreite Gesellschaften mit S-shares zu verlagern. Parallel würden hochbezahlte Fachspezialisten sich gerne von der Lohnliste von Großunternehmen streichen lassen, um Subkontraktoren in steuerbefreiten Gesellschaften zu werden. Selbst für Spitzenmanager müssten sich ähnliche Vehikel und Strukturen schaffen lassen.

Die Steuerreform, welche angeblich vor allem die Mittelklasse entlasten soll, enthält versteckte substantielle Steuererhöhungen für ebendiese Mittelklasse. Viele Ausgaben können nicht mehr von der bisher Einkommenssteuer abgezogen werden. Nur noch die Zinsen auf Hypotheken sowie Spenden für wohltätige Stiftungen, zwei klassische Steuersparvehikel für Gutverdienende, bleiben abzugsfähig. Hingegen könnten die Einzahlungen in Pensionskonten (k401-accounts), die an die Bundesstaaten bezahlten Steuern, die an die Gemeinden bezahlten Grundsteuern (property tax) oder die Ausgaben für die Krankenversicherung nicht mehr vom steuerbaren Einkommen für die Bundessteuer abgezogen werden. Für die meisten Steuerzahler würde dies eine heftige Steuererhöhung bedeuten. Für Rentner wären die den Pensionsfonds entnommen Renten zu normalen statt reduzierten Einkommens-Steuersätzen zu versteuern.

Die ganze Steuerreform offenbart, wie verschiedene abrupte Kurswendungen der letzten Wochen, eine eindeutige Wählertäuschung. Trump hatte im Wahlkampf die weißen Arbeiterschicht damit gewonnen, dass er den „Sumpf“ trockenlegen, die reichsten „Ein Prozent“ bekämpfen und für die Rechte der Arbeiter einstehen werde. Die Steuerreform besteht allerdings nun aus massiven Steuergeschenken an die Bestverdienenden, während die breite Masse der Steuerzahler erkleckliche Steuererhöhungen verkraften muss.

Makroökonomisch dürfte die Wirkung dieser Steuerreform negativ sein. In den USA ist der Konsum eine Haupttriebkraft der Konjunktur. Die Realeinkommen der Lohnbezüger sind seit Jahren rückläufig. Rund die Hälfte der Bevölkerung hat praktisch keine Reserven, um unerwartete Ausgaben von wenigen 100 Dollar bezahlen zu können. Wenn die amerikanischen Konsumenten mit höheren Steuerzahlungen konfrontiert werden, müssen sie sich weiter einschränken, was den Konsum dämpft. Die Wirkung auf Investitionen in den USA, die sich aus tieferen Steuersätzen für die Unternehmen ergeben, ist unsicher. Warum zusätzliche Kapazitäten errichten, wenn die Endnachfrage der privaten Haushalte eher eingeschränkt wird? Auch die Wirkung im Hinblick auf eine verstärkte Exporttätigkeit ist wohl zu vernachlässigen. Die geplante ‚border adjustment tax’ werde definitiv fallen gelassen, wie Finanzminister Mnuchin präzisierte.

Insgesamt vermittelt dieser Auftritt der Administration den Eindruck politischer Instinktlosigkeit. Viele mit dem Politbetrieb vertraute Beobachter sehen den Vorschlag, der im Mai mit Kongressvertretern diskutiert werden soll, als Totgeburt an. Sollten sich die bisher positiv verlaufenden Gespräche mit Vertretern des republikanischen ‚Freedom Caucus’ für einen zweiten Anlauf für die Abschaffung und den Ersatz von ‚Obamacare’ nicht in einen in Repräsentantenhaus und Senat mehrheitsfähigen Vorschlag umsetzen, wäre Trump innenpolitisch weitgehend gescheitert. Er hätte zwei seiner beiden zentralen Wahlprioritäten nicht realisieren können. Außerdem würde damit ein großes Infrastruktur-Programm unmöglich und so das erklärte Ziel der Trump-Administration, mehr Jobs zu schaffen, nicht mehr erreichbar.

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