Politik

Neue US-Sanktionen: Geschäfte mit Russland würden fast unmöglich

Lesezeit: 4 min
24.07.2017 02:35
Die geplanten neuen US-Sanktionen würden Geschäfte mit Russland faktisch unmöglich machen - und damit europäische und amerikanischen Unternehmen schaden.
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Der US-Kongress bereitet für diese Woche Sanktionsbeschlüsse gegen Russland, den Iran und Nordkorea vor.

Der US-Senat hatte mit 98 zu zwei Stimmen fast geschlossen für die Verlängerung der Sanktionen gegen Russland gestimmt. Am Samstag wurde im Repräsentantenhaus eine Einigung erzielt. Demnach soll bei einer Abstimmung am Dienstag im Repräsentantenhaus zugleich über die neuen Sanktionen gegen alle drei Staaten gestimmt werden.

Der Beschluss enthält zwei wesentliche Komponenten: Er sieht vor, dass US-Präsident Donald Trump eine Lockerung der Sanktionen gegen Russland nicht ohne den Kongress vornehmen kann. Eigentlich sieht die amerikanische Verfassung vor, dass die Außenpolitik die Domäne des Präsidenten ist.

In der Sache sind die Sanktionen sehr weitreichend. Sie schaden vor allem europäischen Unternehmen. Die Zusammenfassung auf der Website des Auswärtigen Ausschusses des Senats zeigt, dass es vor allem gegen die russische Energiepolitik geht. Aber auch andere Bereiche der Industrie wie das Minenwesen oder die Eisenbahnen werden gezielt angegriffen. Außerdem sollen die Osteuropäer gestärkt und der russischen "Desinformation" gegengearbeitet werden. De facto kann die US-Regierung gegen jeden Sanktionen verhängen, der auch nur ansatzweise Geschäfte mit Russland macht. So werden ausdrücklich jene erwähnt, die die "Sanktionen verletzten" - ein Problem, dem sich kürzlich Siemens ausgesetzt sah. Auch auch im Technologiebereich ist Russland ab sofort ein heißes Pflaster: Die Russen werden pauschal der Cyber-Kriminalität beschuldigt und jeder, der mit der Russland beim "Hacking" kooperiert, soll von den US-Behörden verfolgt werden. Wie gefährlich diese Drohung ist, zeigen die Wikileaks-Enthüllungen über die CIA-Programme: Demnach kann die CIA Cyberattacken so tarnen, dass andere Staaten als Schuldige erscheinen. Das Gegenteil wäre für Beschuldigte so gut wie nicht nachzuweisen.

Die Senatoren, die die Sanktionen vorgeschlagen haben, wollen außerdem, dass die US-Exposure bei russischen Staatsfirmen ermittelt wird - eine Maßnahme, die in der amerikanischen Bankenwelt und in de Ölindustrie für Irritationen sorgt.

Denn mittlerweile ist auch den US-Konzernen aufgefallen, wie weitreichend die Sanktionen für ihr globales Geschäft wären. Laut CNN haben in den vergangenen Wochen Vertreter aus Energie, Banken, Auto, Luft- und Raumfahrt und Maschinenbau bei den Abgeordneten Lobbyarbeit betrieben, um den Politikern klarzumachen, dass sie mit den neuen Sanktionen den US-Unternehmen schweren Schaden zufügen würden. Unter den Firmen, die gegen die Sanktionen Sturm liefen befanden sich BP, Exxon, General Electric, Boeing Citigroup, MasterCard, Visa, Ford, Dow Chemical, Procter & Gamble, International Paper, Caterpillar und Cummins.

Noch folgenschwerer wären die Sanktionen allerdings für die Europäer.

Der Chef der Münchener Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, hat  in einem Gastbeitrag des Wall Street Journal zum Gesetz des US-Senats erklärt, welch gravierende Probleme die neuen Sanktionen für die europäische Wirtschaft bringen würden. Ischingers Position ist interessant - weil Ischinger noch im Jahr 2016 gegen eine Lockerung der Sanktionen aufgetreten war. Ischinger sagte damals der Rheinischen Post, die Lockerung "wäre genau die falsche Vorgehensweise. In dem Maße, in dem Wladimir Putin seinen Anspruch, als Großmacht anerkannt zu werden, in Syrien geltend machen kann, muss man von ihm auch erwarten können, bei der Lösung der Ukrainekrise nicht zu blockieren, sondern verantwortlich mitzuwirken."

Nun allerdings warnt Ischinger in dem Artikel für das WSJ eindringlich vor den neuen Sanktionen. Sie würden nämlich nicht in erster Linie Russland, sondern Europa schaden. Sollten die Sanktionen wirklich in Kraft treten, wäre die Energiesicherheit bedroht.

Ischinger kritisiert - wie auch die EU-Kommission - dass die Sanktionen ohne Konsultationen mit Europa erweitert werden sollen.

Ischinger erläutert, der Entwurf des Sanktions-Gesetzes deute darauf hin, dass die die USA ihre kommerziellen Interessen auf Kosten Europas vorantreiben wollten. Abschnitt 257 bezeichne den "Export von US-Energie-Ressourcen als Priorität", "um in Amerika Arbeitsplätze zu schaffen". Dies müsse den Europäern wie ein unfreundlicher politischer Versuch erscheinen, US-amerikanische LNG-Exporte nach Europa zu fördern.

Das Sanktions-Gesetz beziehe sich ausdrücklich auf die deutsch-russische Pipeline Nord Stream 2, an der sowohl russische als auch europäische Unternehmen beteiligt sind. Es gäbe gute Argumente, warum Europa seine Gasversorgung diversifizieren sollte. Die Ängste bezüglich einer Energieabhängigkeit wegen Nord Stream 2 seien jedoch übertrieben. Die EU habe schließlich entscheidende Maßnahmen ergriffen, um die Versorgungssicherheit zu stärken. Es seien zusätzliche Verbindungsleitungen und LNG-Terminals eingerichtet worden. Die Reverse-Flow-Möglichkeiten seien ausgebaut worden. Restriktiven Klauseln im Zusammenhang mit Destinationspunkten seien außer Kraft gesetzt worden. All diese Maßnahmen würden es Russland schwer machen, seine Energielieferungen als Waffe gegen Europa zu nutzen.

In Europa gebe es Ischinger zufolge eine lebhafte Debatte über die Vor- und Nachteile von Nord Stream 2. Die Regierungen Polens und der Ukraine seien besorgt, dass Nord Stream 2 in Konkurrenz zu jenen Pipelines stehe, die bereits heute durch die Territorien der beiden Länder verlaufen und ebenfalls russisches Gas liefern. Die beiden Staaten fürchten den Verlust lukrativer Transportgebühren.

Andere Stimmen, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel, begrüßen alle zusätzlichen Energiequellen, um Energie nach Europa zu liefern. Darunter befänden sich auch Lieferungen von US-amerikanischem LNG. Idealerweise sollte dann alles weitere dem Markt überlassen werden. Das sei keine Frage, die in Washington entschieden werden sollte. Das sei eine europäische Angelegenheit, die von Europäern nach europäischem Recht und Regeln zu entscheiden sei. Ischinger fragt in seinem Gastbeitrag:  "Wie würden die USA reagieren, wenn Europa Gesetze bezüglich der US-Pipeline Keystone XL verabschieden würde, insbesondere wenn diese für europäische Unternehmen von Vorteil wären?"

Ischinger sieht die Gefahr, dass der Geltungsbereich des Gesetzes auf andere Länder als Russland ausgedehnt werden könnte, in die die US-Wirtschaft gerne ihre Waren, Dienstleistungen und Technologie exportieren möchte. Auslöser dieses Schritts könnte dann der Umstand sein, dass in den betroffenen Ländern russische Energieunternehmen tätig sind.

Die Präsenz des russischen Energiekonzerns Lukoil in Aserbaidschan könnte in diesem Fall dazu führen, dass die Amerikaner das Shah-Deniz-Gasfeld mit Sanktionen belegen. Die kaspischen Gaslieferungen nach Europa über den südlichen Korridor wären dann gefährdet, meint Ischinger. In einem solchen Szenario wäre zu erwarten, dass Banken ihre Finanzierungsvorhaben in dieser Region stoppen. Anstatt die Energie-Sicherheit zu fördern, würden die Sanktionen eine der neuen Gaspipeline-Alternativen Europas nach Russland gefährden. US-Unternehmen müssten sich aus Joint Ventures, an denen russische Unternehmen weltweit beteiligt sind, zurückziehen.

Ischinger argumentiert, dass sich das Sanktions-Gesetz auch auf Waren, Dienstleistungen, Technologien erweitern lassen könnte, die für die Wartung von Pipelines in Russland unerlässlich seien. Das könnte zwei Drittel der Öl-Exporte Kasachstans, die durch das Caspian Pipeline Consortium verschifft werden, zum Erliegen bringen. Das Caspian Pipeline Consortium wird von Chevron kontrolliert. Die russische Regierung hält 31 Prozent am Caspian Pipeline Consortium.

Sollte dieses Gesetz in der aktuellen Art und Weise fortbestehen, würde es nach Meinung von Ischinger zu einer Entfremdung der europäischen Verbündeten der USA kommen und die transatlantische Partnerschaft verkomplizieren. Deshalb sei ein transatlantischer Ansatz im Rahmen des Sanktions-Gesetzes wichtig.

Noch ist unklar, ob US-Präsident Donald Trump das Gesetz unterschreiben wird. Die Botschaften dazu aus dem Weißen Haus waren am Sonntag widersprüchlich, was auch mit der Ernennung von Anthony Scaramucci zum neuen Kommunikationsdirektor zusammenhängen dürfte.

Trumps Gegner sind der Auffassung, dass ein Veto Trumps einem Schuldeingeständnis gleichkäme, dass Trump mit den Russen konspiriere. Diese These klingt zwar für neutrale Beobachter abwegig, ist jedoch vor dem Hintergrund der anhaltenden öffentlichen Debatte über Trumps Russland-Connections nicht ganz von der Hand zu weisen.

Denkbar wäre allerdings auch, dass die Republikaner, die im Kongress die Mehrheit haben, mit Trump über Bande spielen und die Unterzeichnung durch Trump so verzögern, dass sie nicht mehr vor der Sommerpause geschehen kann. In diesem Fall könnte durch Fristenablauf der Vorlage eine nur kurze Lebenszeit beschieden sein.

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