Die frühere thailändische Regierungschefin Yingluck Shinawatra hat sich wegen eines umstrittenen Gerichtsverfahrens ins Ausland abgesetzt, berichtet AFP. Die Ex-Ministerpräsidentin verließ nach Angaben eines Parteifreundes vom Freitag das Land, um einer drohenden Verurteilung in einer Finanzaffäre zu entgehen. Die erste weibliche Ministerpräsidentin des Landes war 2014 von Militärs entmachtet worden und hält das Gerichtsverfahren gegen sie für politisch motiviert.
Eigentlich sollte das Urteil gegen Yingluck am Freitag verkündet werden, sie erschien aber nicht vor Gericht. Ihr Anwalt erklärte dies mit einer Krankheit – doch die ehemalige Regierungschefin hatte zu dem Zeitpunkt wohl schon das Land verlassen. Yingluck ist „definitiv nicht mehr hier, sie ist jetzt wahrscheinlich in Singapur“, sagte ein hochrangiger Vertreter ihrer Partei der Nachrichtenagentur AFP.
„Das Gericht glaubt nicht, dass Yingluck krank ist“, erklärte Richter Cheep Chulamon und ordnete einen Haftbefehl für die 50-Jährige an. Doch das, sowie die vom Chef der Militärregierung, Prayut Chan-O-Cha, angekündigten Grenzkontrollen waren nicht erfolgreich – es sei möglich, dass Yingluck die Grenze zu Kambodscha überquert habe, sagte ein Militärvertreter.
Bei einer Verurteilung hätte der Ex-Regierungschefin eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren gedroht. In dem Verfahren ging es um Landwirtschaftssubventionen, mit denen Yinglucks Regierung armen Landwirten den doppelten Marktpreis für Reis zahlte. Militär und Staatsanwaltschaft wollten, dass die Politikerin für das stark defizitäre System, das von Korruption geprägt war, persönlich haftbar gemacht wird.
Yingluck bestritt die Vorwürfe und sagte, sie sei unschuldig. Sie sah sich stattdessen als Opfer eines „raffinierten politischen Spiels“. Nur Stunden nach dem geplatzten Prozess gegen die Ex-Regierungschefin verurteilte ein Gericht einen ehemaligen Minister aus ihrer Regierung wegen ähnlicher Vorwürfe zu 42 Jahren Haft.
„Dies ist das Ende der Shinawatra-Familie in der Politik und der Pheu-Thai-Partei“, sagte eine politische Analystin der Chulalongkorn Universität in Bangkok, Puangthong Pawakpan. Sie glaubt, der thailändischen Militärregierung käme die Flucht Yinglucks sogar zunutze: Die Inhaftierung der Politikerin hätte zu ihrer Legendenbildung beitragen können.
Yinglucks Bruder Thaksin Shinawatra, ebenfalls ehemaliger Ministerpräsident, hatte Thailand 2008 verlassen – ebenfalls bevor er von einem Gericht wegen Korruption zu zwei Jahren Haft verurteilt wurde. Der Familienclan war länger als ein Jahrzehnt in die tief gespaltene Politik Thailands involviert.