Finanzen

Ryanair spekuliert offenbar auf Grounding bei Air Berlin

Der Grund für die massiven Streichung bei Ryanair könnte darin liegen, dass die Airline Kapazitäten freimachen will - um bei einem Zahlungsstopp bei Air Berlin schnell an die Slots kommen zu können.
27.09.2017 17:06
Lesezeit: 2 min

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Die aktuellen Flugstreichungen bei Ryanair könnten nach Einschätzung eines Luftverkehrsexperten einen anderen Hintergrund haben als öffentlich angegeben. Das Unternehmen bereite sich nach seiner Einschätzung auf den möglichen Fall vor, dass die insolvente Air Berlin ihren Flugbetrieb aus Geldmangel vorzeitig einstellen muss, sagte Gerald Wissel von der Beratungsgesellschaft Airborne der Deutschen Presse-Agentur: "Im Fall eines vorzeitigen Groundings der Air Berlin müssten die begehrten Start- und Landerechte vom zuständigen Koordinator der Bundesrepublik sofort neu vergeben werden", sagte Wissel. Den Zuschlag könnten aber nur Gesellschaften erhalten, die dann auch mit entsprechenden Flugzeugen die Strecken tatsächlich fliegen könnten.

Dafür wolle Ryanair einige Maschinen in der Hinterhand haben, sagte Wissel. Die irische Gesellschaft hat nach eigenen Angaben nicht für Betriebsteile der Air Berlin geboten.

Erst kürzlich hatte Ryanair hunderte Flugstreichungen bekanntgegeben – offiziell wegen einer fehlerhaften Urlaubsplanung. Am Mittwoch kündigte die Fluggesellschaft an, dass bis zum März 2018 mit zahlreichen Flugausfällen zu rechnen sei.

Die Fluggesellschaft hat weitere Flugstreichungen für die kommenden fünf Monate angekündigt (Video am Anfang des Artikels). Es seien nun fast 400.000 Passagiere betroffen, die mit Gutscheinen über jeweils 40 Euro entschädigt würden, kündigte Ryanair am Mittwoch an. Sie kommen zu den bisher stehen gelassenen rund 300.000 Ryanair-Kunden hinzu. Ab November sollen außerdem 25 Maschinen auf dem Boden bleiben, ab April sollen noch zehn geparkt bleiben. Ryanair, nach Passagierzahlen Europas Marktführer, werde dadurch im laufenden Geschäftsjahr mit 129 Millionen etwa zwei Millionen Fluggäste weniger zählen. Die Gewinnprognose für 2017/18 von 1,4 bis 1,45 Milliarden Euro bestätigte die Fluggesellschaft dennoch.

Ryanair-Chef Michael O'Leary erklärte sein Bedauern und versprach: „Ab heute wird es keine durch den Dienstplan verursachte Streichungen in diesem Winter oder im Sommer 2018 mehr geben.“ Die Iren teilten außerdem mit, dass sie nicht länger ein Kaufgebot für die angeschlagene italienische Fluggesellschaft Alitalia verfolgen. O'Leary hatte bereits ein zunächst angekündigtes Übernahmeangebot für Air Berlin nicht in die Tat umgesetzt.

Die Stimmung unter den Piloten der irischen Billigfluglinie Ryanair ist angespannt. Mehr als die Hälfte der für Ryanair arbeitenden Piloten sind nicht bei der Airline direkt angestellt, sondern arbeiten nach Angaben der Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) als „Scheinselbstständige“. Sie müssen eine eigene Kapitalgesellschaft nach britischem Recht gründen und sich dort selbst anstellen, meist sind es kleine Firmen von rund fünf Leuten, berichtet AFP. Ihre Arbeit verkaufen sie an eine zwischengeschaltete Mittlerfirma, die wiederum von Ryanair Aufträge entgegen nimmt und verteilt. Die Piloten werden nur dann bezahlt, wenn sie auch fliegen.

Die meisten Ryanair-Piloten haben somit keine klassischen Arbeitnehmerschutzrechte wie einen Kündigungsschutz oder eine Entgeltfortzahlung bei Krankheit. Außerdem drohen ihnen bei einem Aufbegehren Auftragseinbußen. Ryanair hat bislang keinen Betriebsrat. Es herrscht zudem eine große Unklarheit darüber, wo genau Steuern zu zahlen sind und wie hoch die Anteile zum Beispiel für die Krankenversicherung sind. Ryanair nutze das aus und verweise auf die Selbstständigkeit und somit Verantwortung der Piloten, moniert die Gewerkschaft.

Die „atypisch beschäftigten“ Piloten des irischen Billigfliegers müssen zudem für ihre Uniform und jedes Wasser, das sie an Bord trinken, selbst zahlen und Rücklagen für den Krankheitsfall bilden. Am Ende bleibe deutlich weniger Lohn als für normal angestellte Piloten übrig. Außerdem ist die Gefahr groß, dass Piloten krank zur Arbeit erscheinen, was wiederum ein Sicherheitsrisiko ist.

Die betroffenen Ryanair-Piloten fordern regionale Arbeitsverträge mit einer sozialen Absicherung – also einen Vertrag nach dem Arbeitsrecht des jeweiligen Landes, in dem sie stationiert sind. Das sei etwas „absolut Selbstverständliches“, betont die VC. Ryanair habe nun zwei Möglichkeiten: Entweder die Führung versuche „endlich mit legalen und anständigen Methoden“ eine Lösung zu finden und biete vernünftige Arbeitsverträge an, oder es drohe „noch mehr Chaos“.

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