Politik

Syrien: Russland fordert Sitzung des UN-Sicherheitsrats

Lesezeit: 5 min
22.02.2018 00:38
Russland will wegen der Eskalation in Syrien eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats.

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Angesichts der Eskalation in der syrischen Region Ost-Ghuta hat Russland ein Treffen des UN-Sicherheitsrates gefordert. Die Sitzung solle allen Seiten die Möglichkeit geben, "ihre Sichtweise, ihr Verständnis von der Lage" darzulegen und Lösungswege aufzuzeigen, sagte der russische UN-Botschafter Wassili Nebensia am Mittwoch in New York.

Verhandlungen über eine friedliche Lösung des Konflikts in der heftig umkämpften syrischen Region Ghuta sind nach russischen Angaben gescheitert. Das vom russischen Militär betriebene Zentrum für die Überwachung von Waffenstillständen erklärte am Mittwoch, die Rebellen hätten ihre Aufrufe zur Einstellung des Widerstandes und Niederlegung ihrer Waffen nicht befolgt. "Im Osten Ghutas entsteht eine kritische humanitäre und sozioökonomische Situation", erklärte das Zentrum weiter.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte der Nachrichtenagentur Tass: „Die in Aleppo gemachten Erfahrungen, als mit militanten Kämpfern eine Vereinbarung über ihren organisierten Abzug erzielt wurde, könnte auch in Ost-Ghouta angewandt werden (...) Nachfolgende Bemühungen, die großräumige Evakuierung von Zivilisten aus diesem Gebiet zu organisieren, stieß auf die Weigerung der Al-Nusra-Front, die die Menschen als Schutzschilde behalten wollen”.

Die Al-Nusra-Front habe nicht nur eine einfache Präsenz in Ost-Ghouta, sondern führe Angriffe aus. „Die russische Botschaft war mehrmals Zielscheibe für solche Angriffe. Vor nicht allzu langer Zeit wurde der Bau der russischen Handelsmission bei einem solchen Angriff schwer beschädigt (...) Deshalb bitten wir unsere westlichen Kollegen, die Einfluss auf die Al-Nusra-Front haben, sich zu bemühen, diese Struktur zu disziplinieren (...) Das Problem besteht darin, dass in Idlib und in Ost-Ghouta die Al-Nusra-Front, eine vom UN-Sicherheitsrat als terroristische Organisation eingestufte Organisation, den Laden schmeißt”, so Lawrow.

Deshalb könne der Anti-Terror-Kampf gegen diese Gruppe nach keiner einzigen Vereinbarung gestoppt werden.

Tatsächlich gehört die Nutzung von Zivilisten als menschliche Schutzschilde nach Angaben des Hohen Kommissars der UN für Menschenrechte (UNHCR) zu einer Kriegstaktik der Al-Nusra-Front und weiterer militanter Söldner-Gruppen. Während der Schlacht um Aleppo im Jahr 2016 berichtete der UNHCR, dass die Al-Nusra-Front Zivilisten daran hindern würde, Aleppo zu verlassen. Söldner der Al-Nusra-Front und weiterer Söldner-Truppen würden sich ganz gezielt unter Zivilisten mischen, und diese damit einem hohen Risiko aussetzen.

Das Regionale Informationszentrum der UN für Westeuropa mit Sitz in Brüssel (UNRIC) führt in einem Bericht ebenfalls aus, dass eines der Taktiken der  Al-Nusra-Front sei, menschliche Schutzschilde einzusetzen.

Human Rights Watch (HRW) hatte bereits im Jahr 2015 über diese Taktik berichtet. In einem Bericht nennt sie namentlich die Al-Nusra-Front als einer der Urheber dieser Vorgehensweise. HRW wörtlich: „Rebellen (Al-Nusra-Front, Anm. d. Red.) in Ghouta haben 100 Käfige verteilt. Jeder Käfig enthält ungefähr sieben Menschen und der Plan ist im Gange, 1.000 Käfige zu produzieren, die in Ost-Ghouta (...) in verschiedenen Teilen der Stadt Douma, insbesondere an öffentlichen Orten und Märkten, verteilt werden, die zuvor Angriffsziele der russischen Luftwaffe und des Regimes gewesen sind”.

Am Mittwoch sollen „bewaffnete Gruppen” 14 Mörsergranaten auf Ost-Ghouta in Damaskus gefeuert haben. Das berichtet die staatliche syrische Nachrichtenagentur SANA. Bei dem Angriff sollen drei Menschen verletzt worden sein. Die Granaten schlugen im Viertel Bab al-Salam in Alt-Damaskus ein. Zuvor wurden nach Angaben von SANA in Bab al-Salam/Alt-Damaskus zwei Menschen bei einem Mörserangriff verletzt. Weitere Angriffe hätten „bewaffnete Gruppen” auf die Viertel von Saba Bahrat und Abu Rummaneh ausgeführt. Dabei soll lediglich materieller Schaden entstanden sein.

Weitere Angriffe von „bewaffneten Gruppen” sollen auf die Städte Daraa und Izraa ausgeführt worden sein. Dabei wurden Raketen abgefeuert. Elf Zivilisten sollen verletzt worden sein. Es wurden insbesondere die Viertel al-Kashef, Shamal al-Khatt, al-Sahara, and al-Matar – in Daraa – angegriffen. In einem Video äußern sich syrische Bürger aus Damaskus zur aktuellen Situation. Das alltägliche Leben würde trotz der Angriffe ungehindert weiterlaufen.

Die militärische Lage in Afrin

Türkei

Der türkische Generalstab meldete am Mittwoch in einer Mitteilung, dass im Verlauf der „Operation Olivenzweig” im Norden von Syrien bisher 1.780 Mitglieder der Kurden-Milizen und der Terror-Miliz ISIS entweder getötet oder gefangengenommen wurden.

Bisher wurden das Zentrum der Gemeinde Bulbul, die Orte Şengal, Zehran, Bali, Kurni, Hay Oğlu, Heftar, Ursa, Bak Ubasi, Ali Kar, Şeyh Huruz, Edamanli, Ali Bekki, Bilal Köy, Ömer Uşağı, Mamel Uşağı, Süleyman Halil, Sati Şaği, Alkana, Kırmızı, Cukali Favkani, Orta Çakallı,, Kara Mitlak, Hac Bilal, Hacı İskender, Deyr Ballut, Hammam, Nisriyye, Dükkan, Eşkan, Muhammediye, Serincek, Kastel Cündo, Dikmetaş, die Gebirge Huruz, Darmık, Kurni, Burseya, Ayn Batman und die Hügel Havuz, 915, 740, 1027, Mersides, Nisriyye, Amara, Sirgaya und Şeyh Hadid von den Kurden-Milizen eingenommen, berichtet der türkische Sender NTV.

Bei den eingenommenen Orten, Hügeln und Gebirgen soll es sich um strategisch wichtige Punkte handeln.

Kurden-Milizen

Nach Informationen der PKK-nahen Nachrichtenagentur ANF mit Hauptsitz in den Niederlanden fanden am Mittwoch schwere Gefechte zwischen den türkischen Streitkräften und Kurden-Milizen in Dschindaras (Provinz Afrin) statt. Die Gefechte fanden in den Dörfern Til Silore und Erab Wêran statt. Bei den Kurden-Milizen soll es sich nach Angaben von ANF um Verbände der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), die von den USA unterstützt werden handeln.

Doch bei einer Pressekonferenz am 20. Februar 2018 sagte die Sprecherin des US-Außenministeriums, Heather Nauert: „Die USA operieren nicht in Afrin. Die USA rüsten niemanden in Afrin aus. Unser Wissen darüber, was in Afrin vor sich geht, ist etwas begrenzt, weil wir dort nicht operieren, weil wir dort nicht ausrüsten, weil die US-Streitkräfte sich nicht dort befinden.”

In einem weiteren Bericht führt ANF aus, welche Ziele die Türkei, Russland, Syrien, die USA, die Kurden und der Iran hätten.

Die Türkei wolle einen Teil Syriens einverleiben. Die Bekundungen der Türkei über die Wahrung der territorialen Integrität Syriens seien eine Lüge. Die Region zwischen Al-Bab, Azaz und Dscharabulus sei bereits türkisches Hoheitsgebiet.

Russland gebe sich hingegen dem Irrglauben hin, die Türkei aus der NATO herauszureißen. Moskau wolle zudem mit der Türkei als Partnern eine Alternative zu Syrien als Partner in der Hinterhand haben, um den Zugang zum Mittelmeer zu sichern. Die russische Führung sehe in der Türkei einen wichtigeren Partner als Syrien. Deshalb würde Moskau auch der Spaltung Syriens zustimmen, wenn die Beziehungen zwischen der Türkei und Russland besonders eng werden sollten.

Die USA hätten hingegen die Gebiete westlich des Euphrats gezielt den Russen überlassen, um sie dort zu beschäftigen. Die Verantwortung für das Gebiet westliche des Euphrats liege nun im Verantwortungsbereich Russlands, was den US-Interessen diene, weil Washington keine unnötigen Lasten tragen wolle. Die US-Regierung hätte darauf spekuliert, dass es früher oder später zu Unstimmigkeiten zwischen Moskau und Ankara kommen würde, was die Abhängigkeit der Türkei zu den USA erhöhen würde. Denn die USA gehen unter keinen Umständen davon aus, dass die Türkei die NATO verlassen wird. Eine weitere Funktion der Türkei im Sinne der USA hänge direkt mit den Kurden zusammen. Die USA würden die Türkei gezielt als „Drohkulisse” gegenüber den Kurden nutzen, damit den Kurden keine andere Wahl bleibe, als sich an die USA zu binden. Der “türkische Knüppel” gegen die Kurden sei im Interesse der US-Amerikaner, so ANF.

Der Iran habe seine eigene Strategie des „schiitischen Halbmonds” im Nahen Osten gehabt. Im Rahmen dieses „schiitischen Halbmonds” sei Syrien ein wichtiger Eckpfeiler. Allerdings sei Teheran über den Einfluss Russlands und der Türkei auf die Ereignisse in Syrien beunruhigt. Bisher habe Teheran mit Moskau und Ankara kooperieren müssen. Allerdings habe der Iran eine eigene Agenda im Nahen Osten, die sich von den Interessen der Türkei und Russlands unterscheide.

Das „syrische Regime” sei sich über die Ziele des türkischen Staats bewusst. Doch aufgrund des russischen Drucks habe die Regierung in Damaskus sich bisher nicht gegen die türkischen Pläne stellen können. Vor der türkischen Operation in Afrin habe die syrische Regierung gesagt, dass der syrische Luftraum für türkische Jets gesperrt werde. Die Regierung in Damaskus habe sogar mit dem Abschuss von türkischen Jets gedroht. Allerdings habe sich Russland durchgesetzt. Der Luftraum für türkische Flugzeuge wurde geöffnet und die syrische Regierung habe dagegen nichts machen können. Russland habe deutlich gesagt: „Ich habe hier das Sagen”.

Die Kurden hätten den Anspruch, einen Sonderstatus in Nordsyrien zu bekommen. Diese Forderung komme der Gründung einer Föderation gleich, so ANF. Die Kurden hätten nicht das Bestreben, die syrische Zentralregierung zu ignorieren oder sie abzulehnen. Die Kurden hätten im Verlauf des Syrien-Kriegs einen „dritten Weg” eingeschlagen und würden eine umfassende „Demokratisierung” fordern.

 


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