Seit rund zehn Jahren kann man in Deutschland auch ohne Abitur studieren, wenn man Berufserfahrung nachweist. Im Jahr 2017 waren rund 60.000 Studenten ohne Abitur an Fachhochschulen, Hochschulen und Universitäten eingeschrieben. Damit hat sich die Zahl der Studenten ohne Abitur seit 2007 vervierfacht. Frauen und Männer sind etwa gleich stark vertreten, wobei fast die Hälfte schon älter als 30 Jahre ist.
Wie aktuelle Zahlen des CHE Centrum für Hochschulentwicklung zeigen, geht der Trend, ohne Abitur-Abschluss zu studieren, eindeutig nach oben. Aktuell liegt der Anteil der Nicht-Abiturienten an allen Studienanfängern in Deutschland bei 2,9 Prozent. Dies entspricht rund 14.600 Personen und ist ein neuer Höchststand.
Es sei richtig und wichtig gewesen, den Campus auch für jene Studieninteressierte zu öffnen, die keine formale Hochschulreife aufweisen, sagte CHE-Geschäftsführer Frank Ziegele. „Immer mehr Menschen sind zum lebenslangen Lernen bereit, dafür muss es flexible Wege geben.“
Im Jahr 2007 erwarben nur knapp 1.900 Personen ohne Abitur einen Studienabschluss. Inzwischen hat sich diese Zahl mehr als vervierfacht und ist auf 8.100 angewachsen. Die konstant steigenden Zahlen von Absolventen zeige, dass die Studierfähigkeit nicht allein vom Abiturzeugnis abhängt, sagte Sigrun Nickel, Leiterin Hochschulforschung beim CHE.
Anteil der Studenten ohne Abitur in den Bundesländern
Auf der Ebene der Bundesländer zeigen sich unterschiedliche Entwicklungen. Beim Anteil der Studenten ohne Abitur oder Fachhochschulreife nehmen Hamburg, Bremen und Nordrhein-Westfalen die Spitzenpositionen ein. Schlusslicht ist das Saarland.
- Hamburg 5,0 Prozent
- Bremen 4,5 Prozent
- Nordrhein-Westfalen 4,0 Prozent
- Berlin 3,6 Prozent
- Rheinland-Pfalz 3,5 Prozent
- Hessen 3,2 Prozent
- Bayern 2,5 Prozent
- Mecklenburg-Vorpommern 2,5 Prozent
- Niedersachsen 1,9 Prozent
- Thüringen 1,8 Prozent
- Sachsen 1,7 Prozent
- Baden-Württemberg 1,7 Prozent
- Brandenburg 1,7 Prozent
- Schleswig-Holstein 1,4 Prozent
- Sachsen 1,4 Prozent
- Saarland 0,5 Prozent
„Besonders positiv ist die Entwicklung in Bremen“ sagt CHE-Expertin Sigrun Nickel. Hier hat sich die Zahl der Erstsemester und Studenten ohne allgemeine Hochschulreife im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt.
NRW ist das einzige Flächenland, das schon seit einigen Jahren einen Spitzenplatz im Ländervergleich einnimmt. Dies liege vor allem an der FernUniversität in Hagen, die knapp 1.500 Studenten ohne Abitur hat, viel mehr als alle anderen deutschen Hochschulen, so Nickel.
Studienanfänger ohne Abitur bevorzugen weiterhin Fachhochschulen beziehungsweise Hochschulen für angewandte Wissenschaften gegenüber den Universitäten. Zwei Drittel von ihnen entschieden sich im Jahr 2017 für diesen Hochschultyp.
An privaten Hochschulen liegt die Quote der Studienanfänger ohne allgemeine Hochschulreife mit fast 11 Prozent besonders hoch. Im Vergleich dazu sind es an staatlichen Hochschulen nur zwei Prozent.
Welche Studienfächer werden bevorzugt?
Knapp 56 Prozent aller Studienanfänger ohne Abitur im Jahr 2017 wählten ein Fach aus den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Es folgen die Ingenieurwissenschaften mit 20,8 Prozent und Medizin/Gesundheitswissenschaften mit 11,5 Prozent.
Sogar ein Medizin- oder Pharmaziestudium ohne Abitur ist möglich. Hierbei bewirbt man sich statt mit der Abiturnote mit seiner Note aus der Meister- oder Fachwirtprüfung. Auf diese Weise gelangten im Jahr 2017 rund 800 der insgesamt 109.000 Medizinstudierenden an einen der begehrten Studienplätze.
Voraussetzungen für die Bewerbung um einen Studienplatz ohne allgemeine Hochschulreife und Fachhochschulreife sind eine abgeschlossene Berufsausbildung sowie der Nachweis von Berufserfahrung. Interessierten stehen bundesweit über 8.000 Studienangebote offen.
Ausführliche und aktuelle Informationen zu dem Thema sowie Serviceangebote wie einen Qualifizierungs- und Beratungscheck bietet Studieren ohne Abitur. Bereits im letzten Jahr hatte der Online-Studienführer eine Handreichung zum Medizin- und Pharmaziestudium erstellt.
Noch ein Tipp: Bis zum 10. Juni 2019 können sich Interessierte ohne allgemeine Hochschulreife oder Fachhochschulreife bei der Stiftung Begabtenförderung berufliche Bildung (SBB) um ein Studienstipendium bewerben.