Politik

Angela Merkel polarisiert im Wahlkampf in Frankreich

Die Kandidaten Fillon und Le Pen haben bei der ersten TV-Debatte zur Frankreich-Wahl ihre Distanz zu Bundeskanzlerin Merkel betont. 40 Prozent der Wähler sind noch unentschlossen.
21.03.2017 01:53
Lesezeit: 3 min

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In der ersten Fernseh-Diskussion der französischen Präsidentschaftskandidaten hat die Bewerberin des Front National, Marine Le Pen, ihre Ablehnung der EU unterstrichen. „Ich will die Präsidentin Frankreichs sein und nicht eine unbestimmte Region der Europäischen Union beaufsichtigen“, sagte Le Pen am Montagabend und fügte hinzu: „Ich will nicht die Vizekanzlerin von Angela Merkel sein.“ Emmanuel Macron sagte, den traditionellen Parteien sei es seit Jahrzehnten nicht gelungen, „die Probleme von gestern“ zu lösen. „Sie werden das auch nicht morgen schaffen.“ Diese Aussage ist interessant, weil Macron sich zwar als unabhängiger Kandidat präsentiert, jedoch im sozialistischen Kabinett von Francois Hollande als Wirtschaftsminister gedient hat.

Der Präsidentschaftskandidat der Konservativen, Francois Fillon, kritisierte die Flüchtlingspolitik von Merkel. „Die Art, wie mit der Krise umgegangen wurde, hat enorme Probleme in Europa geschaffen“, sagte Fillon. Die Flüchtlingspolitik Merkels habe sich als schlechte Politik erwiesen. Die Kanzlerin werde inzwischen in den eigenen Reihen dafür kritisiert.

Fillon gehört derselben konservativen Parteienfamilie an wie die CDU-Vorsitzende Merkel. Trotzdem gibt es in mehreren Punkten Meinungsverschiedenheiten, unter anderem auch in der Russland-Politik. Fillon betonte in der TV-Debatte, mit dem Lob des unabhängigen Präsidentschaftskandidaten Emmanuel Macron für Merkels Flüchtlingspolitik sei er überhaupt nicht einverstanden. Macron hatte die Kanzlerin vergangene Woche in Berlin getroffen.

Le Pen und der Ex-Wirtschaftsminister haben laut Umfragen die besten Chancen, nach dem ersten Wahlgang am 23. April in die Stichwahl am 7. Mai einzuziehen. Wer die zweite Runde gewinnt, ist noch völlig unklar: Fast 40 Prozent der Wähler sind laut Reuters noch unentschieden. Demoskopen weisen darauf hin, dass viele Befragten nicht offen sagen wollen, für wen sie in der zweiten Runde stimmen würden. An den Finanzmärkten herrscht Nervosität, dass es zu einer ähnlichen Überraschung kommen könnten wie beim britischen Brexit-Referendum im vergangenen Juni. Le Pen hat versprochen, den Euro in Frankreich abzuschaffen und eine Volksabstimmung über die EU-Mitgliedschaft anzusetzen. Die ersten Banken haben bereits beim FN vorgefühlt, um die wirtschaftspolitische Ausrichtung der Partei zu erkunden. 

Zentrale Wahlkampfthemen sind der desolate Zustand der französischen Wirtschaft, die hohe Arbeitslosigkeit sowie die Sicherheitslage nach mehreren Anschlägen.

Deren Aufklärung verläuft allerdings schleppend und widersprüchlich – was Le Pen stärken könnte.

So wurde am Montag bekannt, dass der Angreifer auf eine Soldatenpatrouille am Pariser Flughafen Orly während der Tat unter dem Einfluss von Drogen und Alkohol gestanden haben soll. Bei der Obduktion seines Leichnams seien Cannabis, Kokain und 0,93 Promille Blutalkohol nachgewiesen worden, verlautete in der Nacht auf Montag aus Justizkreisen. Die Ermittler gehen von einer terroristisch motivierten Tat aus, es gibt aber noch viele offene Fragen.

Der mehrfach vorbestrafte 39-jährige Mann hatte am Samstagmorgen auf Frankreichs zweitgrößtem Flughafen eine Soldatenpatrouille angegriffen und einer Soldatin ihr Sturmgewehr entrissen. Nach Angaben des Pariser Anti-Terror-Staatsanwalts François Molins schrie der mit einem Schrotrevolver bewaffnete Franzose tunesischer Abstammung dabei, er wolle im Namen „Allahs“ sterben. Er wurde nach einem rund zweiminütigen Kampf von Soldaten erschossen.

Belege für den Ausruf gibt es nicht. Die AP veröffenlichte ein Video, das aber keine Aufschlüsse gibt:

Die Staatsanwaltschaft ermittelt unter anderem wegen terroristischen Mordversuchs. Neben dem Verweis auf Allah begründete Molins dies damit, dass der Mann sich als Angriffsziel Soldaten ausgesucht habe, wozu dschihadistische Organisationen anstiften. Außerdem waren bei einem Gefängnisaufenthalt 2011 und 2012 Anzeichen einer Radikalisierung festgestellt worden. Eine Wohnungsdurchsuchung erbrachte Ende 2015 dazu aber keine belastenden Hinweise.

Der 39-Jährige war in der Vergangenheit unter anderem wegen bewaffneten Raubüberfalls und Drogenhandels zu Gefängnisstrafen verurteilt worden. Vor der Attacke in Orly schoss er am Samstagmorgen bei einer Fahrzeugkontrolle mit seinem Schrotrevolver auf einen Polizisten und verletzte ihn leicht am Kopf.

Später schoss er in einer Bar um sich, ohne jemanden zu verletzen, und raubte ein Auto. Im Flughafen sei er „entschlossen“ gewesen, „bis zum Ende zu gehen“ und Menschen zu töten, sagte Staatsanwalt Molins.

Unklar ist aber nach wie vor, ob der Mann wirklich einen Anschlag geplant hatte, oder ob es sich um eine Art Kurzschlusshandlung handelte. „Wir wissen nicht, ob die Straßenkontrolle ausgelöst hat, dass er zur Tat geschritten ist, oder ob es einen Vorsatz gab“, verlautete am Sonntag aus Ermittlerkreisen.

Die Ermittler wollen unter anderem prüfen, ob der Mann mit jemanden über Anschlagspläne gesprochen hatte. Dazu sollen auch seine Telefondaten ausgewertet werden. Der Vater, der Bruder und ein Cousin des Angreifers wurden im Laufe des Wochenendes aus dem Polizeigewahrsam entlassen. Sie hatten sich selbst bei der Polizei gemeldet.

Frankreich wurde seit Anfang 2015 von einer Reihe Anschläge mit insgesamt 238 Toten getroffen. Seit der Anschlagsserie in Paris vom 13. November 2015 gilt in ganz Frankreich der Ausnahmezustand.

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