Tausende Linde-Mitarbeiter haben am Donnerstag gegen die geplante Fusion ihres Konzerns mit dem US-Rivalen Praxair demonstriert. Nach Gewerkschaftsangaben versammelten sich an europaweit 30 Standorten mehr als 2500 Beschäftigte. "Wir brauchen diesen Merger nicht. Wir wollen diesen Merger nicht", rief Betriebsrat Hans Peter Kaballo den rund 800 Demonstranten vor der Münchner Konzernzentrale zu. "Wir sind stark genug, eigenständig zu bleiben." Bayerns IG-Metall-Chef Jürgen Wechsler nannte das Vorgehen von Linde-Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle "schäbig" und "erpresserisch". "Wir wollen diese Fusion nicht, weil wir der Meinung sind, dass Menschen wichtiger sind als Profite", sagte er. Die Gewerkschaften befürchten den Abbau tausender Stellen und den Verlust der Mitbestimmung nach einer Fusion mit den Amerikanern.
"Es geht hier vor allem darum, Herrn Reitzle zu befriedigen. Aber diesen Gefallen werden wir ihm nicht tun", rief Wechsler. Er forderte die Vertreter der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat sowie die Belegschaft dazu auf, sich weiterhin gegen den 60 Milliarden Euro schweren Zusammenschluss zu stemmen. "Kämpft so weiter, dann werden wir gewinnen." Die Aktionärsvertreter im Aufsichtsrat sollten sich ebenfalls gegen Reitzle wenden. "Machen Sie sich nicht zu Handlangern des Ausverkaufs eines 137-jährigen Traditionsunternehmens hier in München."
Linde-Aufsichtsratschef Reitzle hatte angekündigt, zur Not auch gegen den Widerstand der Belegschaftsvertreter mit aller Macht den weltgrößten Industriegasekonzern zu schmieden. Die Demonstranten griffen Reitzle ungewöhnlich heftig an: "Wolfgang Reitzle - Wir haben Ihnen vertraut, Sie haben uns verraten", war auf einem Transparent zu lesen. "Fusion unter Gleichen bedeutet viele Leichen", auf einem anderen.
Die kurz vor Weihnachten eingefädelte Fusion war zuletzt ins Stocken geraten. Der eigentlich zur Hauptversammlung am 10. Mai erwartete Fusionsvertrag wird Insidern zufolge erst im Juni fertig. Grund für die Verzögerung sei die komplexe rechtliche Ausgestaltung des Vertragswerks. Durch die Verzögerung rückt auch die entscheidende Abstimmung über die Fusion im Aufsichtsrat nach hinten, die bisher für den 3. Mai geplant war.
Selbst die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) sieht die angekündigte Verlagerung des Holding-Sitzes ins Ausland und die operative Führung aus den USA kritisch. "Das wird unter anderem dazu führen, dass die Aktionäre mit einem komplett neuen Rechtssystem konfrontiert werden, mit entsprechend erschwerten Möglichkeiten, ihre Aktionärsrechte auszuüben", hatte DSW-Vizechefin Daniela Bergdolt erklärt. Die Aktionärsvertreter bemängelten, dass es kein Barangebot für die Linde-Eigner gebe. Sie sollen nach Reitzles Willen ihre Aktien in Titel der neuen gemeinsamen Holding eintauschen. Mindestens drei Viertel der Linde-Anteile müssen dafür angeboten werden.