Finanzen

Gazprom verliert vor Schiedsgericht gegen ukrainische Naftogaz

Der russische Gazprom-Konzern muss vor einem Schiedsgericht in Stockholm eine Niederlage gegen die ukrainische Naftogaz hinnehmen.
06.06.2017 00:45
Lesezeit: 3 min

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Ein unter den Stockholmer Schiedsregeln bestelltes Schiedsgericht hat vor kurzem ein weitreichendes Urteil in dem Gaslieferstreit zwischen dem Ukrainischen Gaskonzern Naftogaz und der russischen Gazprom gefällt. Es geht es in dem Gasstreit zwischen 80 und 100 Milliarden US-Dollar. Der aktuelle Schiedsgerichtsfall umfasst laut der TASS 26,6 Milliarden Dollar.

In dem Verfahren geht es um die Rahmenbedingungen, zu welchen das russische Gasunternehmen Gazprom Gas an das ukrainische Staatsunternehmen Naftogaz liefert. Die Ukraine gilt als eines der wichtigsten Transitländer, durch welches russisches Gas fließen muss, um an die Abnehmer, inklusive in den EU-Mitgliedstaaten, zu gelangen. Insbesondere geht es in dem Verfahren um einen Vertrag, welcher von Naftogaz und Gazprom 2009 unterzeichnet wurde, nachdem Russland der Ukraine in einer früheren Streitigkeit den Gashahn ganz abgedreht hatte. Seitdem streiten sich Russland und die Ukraine in verschiedenen internationalen Foren.

Sowohl Nord Stream als auch das gescheiterte South Stream Projekt sind in unter anderem dafür gedacht, die Ukraine als Transitland zu umgehen und Russland damit teure Transitzahlungen zu ersparen. Gut ein Drittel der russischen Gaslieferungen in die EU fließen momentan durch die Ukraine, laut Reuters. Nord Stream 2 macht gute Fortschritte (hier), bei einer leicht abgeänderten Version von South Stream (Turkish Stream) sieht es nicht ganz so gut aus (hier).

In dem umstrittenen Gasliefervertrag zwischen Gazprom und Naftogaz befindet sich eine Klausel, welche bestimmt, dass Naftogaz ein bestimmtes Mindestvolumen an Gas abnehmen muss. Wird das Mindestvolumen nicht abgenommen, muss Naftogaz trotzdem für das Volumen bezahlen (soganannte “take-or-pay” Klauseln). Außerdem befindet sich in dem Vertrag eine Klausel, die es Naftogaz verbietet, russisches Gas an Drittabnehmer, wie zum Beispiel die EU, weiterzuverkaufen (sogannante “Destination” order “Zielklauseln”.

Der umstrittene Gasliefervertrag beinhaltet auch eine Preisrevisionsklausel, die es beiden Parteien erlaubt, eine Gaspreisrevision einzuleiten, wenn sich der Markt so grundlegend verändert, dass die Preisklauseln nicht mehr tragbar ist. Dieser Mechanismus ist besonders wichtig, weil der Gaspreis in vielen existierenden Gaslieferverträgen an den Ölpreis gekoppelt sind. Aufgrund der Volatilität des Ölpreises über die letzten Jahre und des zunehmenden internationalen Gashandels, insbesondere mit Flüssiggas, wird der Gaspreis in immer mehr Gaslieferverträgen auf der Basis von sogennanten Hub-Preisen bestimmt.

Dieser abgeänderte Mechanismus spielt vor allem eine Rolle, weil amerikanisches Flüssiggas zunehmend nach Europa abgesetzt wird. So wird laut Reuters zum Beispiel zur Zeit ein weiteres Flüssiggasterminal in Griechenland geplant. Vordergründig ein Exportterminal, könnte es aber auch als Importterminal für amerikanisches Gas umfunktioniert werden. Laut Reuters hat Cheniere Energy, ein führender US amerikanischer Flüssiggasexporteur, bereits Interesse an dem Terminal verlautbart.

Im Juni 2014 hatte Gazprom das Verfahren gegen Naftogaz vor dem Stockholmer Schiedsgericht initiiert. Laut Gazprom hatte Naftogaz die Rechnungen für geliefertes Gas nicht rechtzeitig bezahlt und weit weniger als das Mindestvolumen abgenommen. Laut Gazprom war Naftogaz also zu Nachzahlungen in Milliardenhöhe verpflichtet. Naftogaz bestritt die Höhe der von Gazprom geforderten Nachzahlungen.

Laut Medienberichten befand das Stockholmer Schiedsgericht in dem kürzlich erschienenen Schiedsspruch, dass die von Gazprom verlangten Gaspreise signifikant nach unten revidiert werden müssen um mit dem veränderten Marktfeld in Einklang gebracht zu werden.  Außerdem befand das Schiedsgericht, dass die Zielklauseln ungültig sind. Des weiteren befand das Schiedsgericht, dass die Klausel, welche Naftogaz an ein bestimmtes Mindestvolumen bindet, ungültig ist. Unter dieser Klausel hätte Naftogaz Gazprom etwa US-Dollar 35 Milliarden für Gas bezahlen müssen, welches nie geliefert wurde. Solch eine Strafzahlung hatte möglicherweise zum Bankrott von Naftogaz geführt und so den Weg der Ukraine zurück an die internationalen Märkte behindert.

Bei dem kürzlich erschienenen Schiedsspruch ging es ausschließlich um die Haftung der beiden Streitparteien. In den nächsten Monaten wird das von zwei schwedischen und einem dänischen Schiedsrichter besetzten Schiedsgericht entscheiden, wie viel genau Naftogaz Gazprom unter dem 2009 unterzeichneten Vertrag bezahlen muss. Andriy Kobolyev, der 38-jährige Geschäftsführer von Naftogaz, postete nach dem Erscheinen des Schiedsspruchs die Worte “We did it” zusammen mit einem Link zu dem Video “We are the Champions” von Queen.

Er hat allen Grund zur Freude: laut der Financial Times machte Naftogaz im letzten Jahr 1 Milliarde US-Dollar Gewinn (hier).

Das Urteil ist eine Verdeutlichung der Korrekturfunktion von Schiedsgerichten. So schränkt es das Quasi-Monopol von Gazprom als europäischen Gaszulieferer ein. Außerdem ist es ein Präzedenzfall für die Verhandlungen zwischen Gazprom und anderen Gasunternehmen, wie zum Beispiel den Gasunternehmen von EU-Mitgliedstaaten.

Es ist unklar, ob und wann der Schiedsspruch, oder der darauffolgende Schiedsspruch über ausstehende Zahlungen und Zinsen, öffentlich zugänglich gemacht wird.

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