Mit dem Einstieg bei Whole Foods im Sommer 2016 plante Amazon, ein neues Segment des Handels zu erschließen. Was viele nicht wissen: Dies ist nicht das erste Projekt des US-Konzerns im Bereich der Lebensmittel. Bereits seit einem Jahr existiert in Seattle ein Supermarkt, der das Konzept des Einkaufens auf eine neue Ebene bringt – durch Künstliche Intelligenz und eine Überwachung mithilfe hunderter Kameras. Bisher war die Filiale nur für Mitarbeiter zugänglich. Seit Montag kann jeder hier einkaufen.
Wer dort einkauft, braucht nicht mehr an der Kasse anzustehen, um die ausgewählten Produkte zu bezahlen. Er meldet sich beim Betreten des Ladens mit einer App an, packt ein, was er braucht und geht wieder. Möglich wird das durch zahllose Kameras und Sensoren, die jeden Schritt und jede Bewegung des Kunden beobachten. Nach dem Verlassen des Ladens wird dann automatisch in Rechnung gestellt, was mitgenommen wurde. Auch kurzfristige Änderungen sind möglich: Sobald das Produkt in das Regal zurückgestellt wird, wird es auch von der Liste gelöscht.
Zu den Details der Technik wollte sich Amazon nicht genauer äußern. Zudem gab es auch keine Ankündigungen, ob weitere Filialen eröffnet werden sollen. Dies lasse Spekulationen zu, ob Amazon plant, die Technik zu verkaufen, so das IT-Portal Golem.
Wie überall, wo Roboter und KI die Arbeit von Menschen übernehmen, herrscht auch hier die Meinung vor, dass weitere Arbeitsplätze verloren gingen. Daten des Bureau of Labor Statistics für das Jahr 2016 beziffern die Zahl der an Kassen beschäftigten Personen auf 3.555.500. Sollte sich das Konzept von Amazon Go durchsetzen, könnten diese Arbeitsplätze in Gefahr sein. „Wir geben unseren Mitarbeitern einfach andere Aufgaben, von denen wir glauben, dass sie für die Kunden von Vorteil sind“, so Amazon in einem Statement. Dies betreffe vor allem das Auffüllen der Regale, Kundenservice und auch das Kontrollieren der Ausweise, wenn Kunden beispielsweise Alkohol kaufen, berichtet die New York Times.
Diese Art der Automatisierung greifen auch andere Unternehmen auf. So ist es bei US-amerikanischen Filialen von Walmart möglich, eine Bestellung online aufzugeben. Geliefert wird zwar nicht, aber den Markt muss der Kunde bei der Abholung auch nicht mehr betreten. Mittels eines Codes können die Bestellungen innerhalb von zwei Stunden an Automaten ohne Aufpreis abgeholt werden.
Ein ähnliches Projekt wie Amazon Go hat auch das schwedische Start-up Wheelys aufgegriffen. Kassenloses Bezahlen ist nur einer der Vorteile. Denn der Supermarkt ist mobil. Das Automobil hat in etwa die Größe eines Kleinbusses und bietet ein begrenztes Angebot an Waren. In der Theorie soll das Gefährt autonom fahren – insofern Technik und Gesetze dies zulassem. Zudem soll das System lernen und selbstständig ein Lager anzufahren, wenn bestimmte Produkte nicht mehr vorrätig sind, berichtet das Magazin The Verge.
In Deutschland sind die Innovationen, allen voran Amazon mit seinen Diensten „Go“ und „Fresh“, noch nicht so weit. Der Lebensmittelhandel war besorgt, als Amazon im Mai vergangenen Jahres seinen Lebensmittellieferdienst Amazon Fresh auch in der Bundesrepublik startete. Denn niemand wusste, wie dramatisch der durch den US-Konzern ausgelöste Wandel sein würde.
Doch nicht einmal ein Jahr später sind die größten Ängste offenbar erst einmal verflogen, so die dpa. „Im Lebensmittelhandel ist eine Ernüchterung zu beobachten, was das Online-Geschäft angeht. Viele haben einen Gang zurückgeschaltet, was den Ausbau ihrer Internet-Aktivitäten angeht“, sagt der E-Commerce-Experte Kai Hudetz vom Kölner Institut für Handelsforschung (IFH).
Die durch ein dichtes Ladennetz verwöhnten Deutschen erweisen sich als schwierige Kunden für die Onliner.