Politik

Orban gegen die EU: „Ungarn haben für Europa mit Blut gekämpft“

Ungarns Premier Orban will in der Migrationspolitik weiter einen harten Kurs gegen die EU fahren.
12.09.2018 01:54
Lesezeit: 2 min

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban hat den umstrittenen Kurs seiner Regierung vor dem EU-Parlament mit Verweis auf die wichtige Rolle des Landes für Europa verteidigt. Sein Land habe mit seiner Arbeit und - wenn nötig - mit seinem Blut zur Erfolgsgeschichte Europas beigetragen, sagte Orban am Dienstag in Straßburg. Ungarn sei seit 1000 Jahren Mitglied der europäisch-christlichen Familie, habe sich gegen die Sowjet-Armee aufgelehnt und seine Grenze für Ostdeutsche geöffnet. "Ungarn hat schwere Blutopfer gebracht für Freiheit und Demokratie", sagte er in einer Rede.

Am Mittwoch soll das Parlament über eine Aufforderung an den Rat abstimmen, sich mit der Einleitung eines Rechtsstaatsverfahren gegen Ungarn zu befassen. Orbans Partei Fidesz ist gegen die Flüchtlingspolitik der Europäischen Union und geht gegen Nichtregierungs-Organisation vor. Ein Parlamentsausschuss listete in einem Bericht zahlreiche Vergehen auf.

Die Europäische Volkspartei (EVP) setzt die umstrittene Mitgliedspartei Fidesz aus Ungarn nicht vor die Tür. EVP-Fraktionschef Manfred Weber habe zwischen Fidesz und der konservativen Parteienfamilie einen Burgfrieden angekündigt, sagte ein Fraktionssprecher am Dienstagabend der Nachrichtenagentur Reuters. Zuvor hatte Weber noch angekündigt, dass sich Fidesz und der ungarische Ministerpräsidenten Viktor Orban auf die EU-Partner zubewegen müssten, da ansonsten ein harter Streit drohe.

Gleichzeitig hob Weber nach Aussagen des Sprechers den Fraktionszwang für eine wichtige Abstimmung über Ungarn am Mittwoch auf. Das Europaparlament stimmt darüber ab, ob gegen das Land ein Rechtsstaatsverfahren wegen Verstoßes gegen die EU-Regeln eingeleitet werden soll. Dafür bedarf es einer Mehrheit von zwei Dritteln. Die EVP-Stimmen gelten dabei als Zünglein an der Waage. Weber selbst kündigte an, für eine Strafe zu stimmen. Beobachtern zufolge könnte ein Drittel der 218 EVP-Abgeordneten es ihm gleichtun.

Falls das Plenum die Strafe auf den Weg bringt, müssen sich die Staats- und Regierungschefs mit dem Thema befassen. Der CSU-Vizevorsitzende Weber erklärte vorige Woche seine Kandidatur für die Position des Spitzenkandidaten der EVP bei den nächsten Europawahlen im Mai.

Orban hat Kritik aus der EU am Abbau von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in seinem Land vehement zurückgewiesen. Damit werde nicht seine Regierung verurteilt, sondern "ein Land und ein Volk", sagte er am Dienstag im Europaparlament in Straßburg. Zu Vorwürfen wegen der restriktiven Flüchtlingspolitik seiner Regierung sagte Orban, es gebe Pro-Einwanderungskräfte in der EU, die "Lügen über Ungarn verbreiten und das Land erpressen wollen".

Die Ungarn hätten ihre eigene Meinung zu Christentum, Nation, Familie, Kultur und Einwanderung, sagte Orban. Ungarn wolle kein Einwanderungsland werden. Daher habe es einen Zaun gebaut, um seine Grenzen zu schützen. Dadurch seien "Hunderttausende von Migranten" gestoppt worden.

Am Mittwoch soll das Plenum des Europaparlaments entscheiden, ob es die Weichen für die Einleitung eines Verfahrens zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn stellt. Dieses Verfahren könnte in letzter Konsequenz dazu führen, dass dem Land im Rat die Stimmrechte entzogen werden.

"Sie haben Ihre Meinung schon gebildet", hielt Orban den Abgeordneten vor. Eine Mehrheit werde für diesen Vorschlag stimmen. Damit werde ein Volk abgestempelt, das sich "gegen die Sowjets" aufgelehnt und dafür Blut vergossen und das seine Grenzen für die Menschen in Ostdeutschland geöffnet habe. "Sie wollen die Widerstandskämpfer in Ungarn verurteilen", rief Orban unter dem Applaus von Abgeordneten seiner Regierungspartei Fidesz und Vertretern der Rechtspopulisten im Europaparlament.

In einem Bericht des Innenausschusses im Europaparlament zur politischen Lage in Ungarn werden zahlreiche Verstöße gegen demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien aufgelistet - unter anderem Angriffe auf die Unabhängigkeit der Justiz, Einschränkungen der Medienfreiheit, Verstöße gegen die Rechte von Minderheiten oder Maßnahmen gegen Nichtregierungsorganisationen.

Mit seinem Beitritt zur EU habe sich Ungarn verpflichtet, deren Werte einzuhalten, sagte die Berichterstatterin, die niederländische Grüne Judith Sargentini. Dies sei aber nicht der Fall.

Der Vize-Präsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, verwies auf zahlreiche Ermittlungen der EU-Behörde zur Betrugsbekämpfung (OLAF) wegen der Verwendung von EU-Geldern in Ungarn. In dem Land müsse der Kampf gegen Korruption verschärft werden, doch dazu sei eine "effektive Staatsanwaltschaft" nötig.

Bei 30 Prozent der öffentlichen Ausschreibungen in Ungarn gebe es nur einen Anbieter, sagte der Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion, Udo Bullmann (SPD). Und unter ihnen seien Angehörige Orbans. "Sie stehen persönlich für das korrupteste System in der EU", rief Bullmann dem ungarischen Regierungschef zu.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

DWN
Politik
Politik „Choose Europe“: Brüssel will Gründer mit Kapital halten
31.05.2025

Die EU startet einen neuen Wachstumsfonds, der Start-ups mit Eigenkapital unterstützen und in Europa halten soll. Doch Geld allein wird...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Energiewende umgekehrt: US-Firmen fliehen vor Trumps Klimapolitik – nach Europa
31.05.2025

Während Trump grüne Fördermittel in den USA kürzt, wendet sich die Clean-Tech-Branche von ihrer Heimat ab. Jetzt entstehen in Europa...

DWN
Politik
Politik Ärztepräsident warnt vor „Versorgungsnotstand“
31.05.2025

Ärztepräsident Klaus Reinhardt warnt vor Beeinträchtigungen im medizinischen Netz für Patienten, wenn nicht bald Reformen zu mehr...

DWN
Finanzen
Finanzen Gesetzliche Erbfolge: Wer erbt, wenn es kein Testament gibt
31.05.2025

Jeder kann selbst bestimmen, wer seine Erben sein sollen. Wer das allerdings nicht durch ein Testament oder einen Erbvertrag regelt und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Datensammeln ohne Richtung: Warum der falsche Analyst Ihrem Unternehmen schadet
31.05.2025

Viele Unternehmen sammeln Daten – doch ohne den richtigen Analysten bleiben sie blind. Wer falsche Experten einsetzt, riskiert...

DWN
Panorama
Panorama Umfrage: Vielen Bädern fehlt das Personal
31.05.2025

Viele Bäder in Deutschland haben laut einer Umfrage mit Personalengpässen zu kämpfen. So hatten 38 Prozent der befragten Hallen- und...

DWN
Finanzen
Finanzen Trump plant Milliardeninvestition in Bitcoin und andere Kryptowährungen
31.05.2025

Donald Trump will Bitcoin zur Staatsangelegenheit machen – mit Milliarden-Investitionen seiner Mediengruppe. Während der Markt jubelt,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinas Monopol auf Seltene Erden wankt – doch der Westen zahlt den Preis
31.05.2025

China kontrolliert die Welt der Seltenen Erden – und lässt Konkurrenz nur zu ihren Bedingungen zu. Neue Minen entstehen, doch ihre...