Der in Russland wegen Steuerhinterziehung verurteilte frühere Hedgefonds-Manager Bill Browder hat vor der Wahl des russischen Kandidaten zum neuen Interpol-Chef gewarnt.
Die Bild-Zeitung zitiert Browder mit der Aussage, "hinter der Wahl von Alexander Prokoptschuk stehe eine massive Bestechungskampagne vieler der 190 Mitgliedsstaaten durch Russland". Browder sei ein "siebenfaches Red Notice-Opfer" der Russen, weil er per internationalem Haftbefehl gesucht wird.
Browder erhielt Unterstützung von Norbert Röttgen: Prokoptschuk habe sein Amt als Leiter des russischen Interpol-Büros „vielfach missbraucht“, um mithilfe des Instruments der Red Notice russische Oppositionelle und politische Gegner mit internationalem Haftbefehl verfolgen zu lassen. Es sei klar, dass er als Präsident von Interpol diese Praxis ausweiten werde. Röttgen: "Als führendes Mitglied des russischen Sicherheitsapparates ist Alexander Prokoptschuk Teil des Machtzentrums von Wladimir Putin.“
„Daher ist er unwählbar als Präsident für die internationale Polizeibehörde, die wir dringend als politisch unabhängige Institution brauchen, um Herausforderungen wie dem internationalen Terrorismus zu begegnen“, so Röttgen.
Prokoptschuk hat laut Bild in seiner Zeit als Russland-Chef von Interpol "zahlreiche politisch motivierte „Red Notice“-Vermerke an Interpol gesendet, um kremlkritische Aktivisten und Geschäftsleute in Europa und den USA nach Russland ausliefern zu lassen".
Im Falle Browder geht es um das Verschwinden von mehreren Millionen an Steuergeldern. Russland beschuldigt Browder, das Geld außer Landes geschafft zu haben. Browder sagt, die russische Polizei habe sich das Geld unter den Nagel gerissen und, um das Verbrechen zu kaschieren, seinen Buchhalter Magnitzky im Gefängnis ermordet. Nach Magnitzky ist ein US-Gesetz benannt, das es der US-Regierung ermöglicht, wegen Menschenrechtsverletzungen gegen jedermann auf der Welt Sanktionen zu verhängen.
Browder fürchtet, dass die Personalie auch ihn unter Druck setzen könnte. Bisher hat sich Interpol einer Auslieferung an Russland widersetzt. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte nach seinem Treffen mit US-Präsident Donald Trump gesagt, er habe unter vier Augen auch über Bill Browder gesprochen. Es ist nicht bekannt, ob sich Russen und Amerikaner auf die Auslieferung der früheren Managers von Hermitage Capital verständigt haben.
Ebenfalls unangenehm für Browder: Großbritannien hat signalisiert, sich nicht gegen Prokoptschuk stellen zu wollen, da seine Wahl unvermeidlich sei. Browder lebt derzeit in London und hat unter anderem als Whistleblower den Geldwäsche-Skandal bei der Danske-Bank ausgelöst.
Russland beklagt im Fall von Interpol eine versuchte Wahlbeeinflussung durch die USA. "Die USA versuchen hier, sich in einen Wahlprozess einzumischen", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Dienstag in Moskau laut dpa.
Zuvor hatten mehrere US-Senatoren vor einer Wahl des russischen Kandidaten Alexander Prokoptschuk gewarnt. Sollte der 57-jährige Polizeigeneral an die Spitze des Exekutivkomitees treten, werde er die Organisation zugunsten der Kreml-Politik missbrauchen, hieß es in einem Brief an US-Präsident Donald Trump und die Interpol-Mitglieder. Prokoptschuk ist seit 2016 Vize-Präsident der Interpol.
Am Mittwoch wählen die Vertreter der Interpol-Mitgliedsländer bei ihrer Jahreshauptversammlung in Dubai ihren neuen Leiter. Der bisherige Präsident, der Chinese Meng Hongwei, wurde im September in seiner Heimat festgenommen. Gegen ihn wird wegen des Verdachts ermittelt, "Bestechungsgelder angenommen" zu haben und in illegale Aktivitäten verwickelt gewesen zu sein. Für den vakanten Chefposten steht unter anderem auch ein Kandidat aus Südkorea zur Wahl.
Die Ukraine drohte damit, die «Stilllegung ihrer Mitgliedschaft» in Betracht ziehen. Innenminister Arsen Awakow bezeichnete eine mögliche Leitung der Organisation durch einen Russen als absurd. Sie widerspräche «Geist und Zielen der Organisation».
Litauen nennt dessen mögliche Wahl «einen enormen Schaden für den Ruf der Organisation und das Vertrauen in deren rechtliche Neutralität», hieß es in einem verabschiedeten Entschluss des Parlaments in Vilnius.