Finanzen

Banken verlieren Mitarbeiter an Finanz-Startups

Erfahrene Banker zieht es vermehrt zu jungen Firmen aus dem Finanzbereich.
01.01.2019 18:12
Lesezeit: 3 min

Reuters berichtet vom Wechsel führender Banker zu kleinen Finanz-Startups:

Mit Dreitagebart, Boots und Pulli passt Daniel Gasteiger optisch nicht richtig zum riesigen Edelholztisch und dem königsblauen Teppich im früheren Verwaltungsratssaal der VP Bank. Doch der Ex-Devisenhändler ist als Mitgründer des Blockchain-Zentrums Trust Square der neue Herr im Haus an der Zürcher Bahnhofstraße. Im Prachtbau direkt gegenüber der Schweizerischen Nationalbank tüfteln inzwischen 230 Jungunternehmer, IT-Experten und Akademiker an der neuen Technologie, von der sie sich unter anderem ein effizienteres Finanzsystem erhoffen. Mehr als die Hälfte von ihnen stammt aus dem Finanzbereich - das ist kein Zufall. "Ich würde heute niemandem mehr empfehlen, in den klassischen Bankbereich zu gehen", warnt der 45-jährige Gasteiger.

Dass Start-ups Räume von altehrwürdigen Instituten in Beschlag nehmen, kann als Zeichen der Zeit gelesen werden. Denn die Fintech-Firmen dringen immer weiter ins angestammte Geschäft der Banken und Versicherer ein – und ziehen ihre besten Köpfe an. Was löst diesen Braindrain aus? Wächst sich das zu einer ernsthaften Gefahr für die Platzhirsche aus?

Wer mit Jungunternehmern in Zürich oder der Fintech-Hochburg Berlin redet, bekommt zuerst einmal eher unverfängliche Antworten. "Es war an der Zeit, etwas anderes zu machen", erklärt Christian Müller, der nach fast 15 Jahren bei der Deutschen Bank den Hut nahm und als Finanzchef beim Berliner Kreditvermittler Spotcap anheuerte. Ein anderer ehemaliger Deutsch-Banker, Chris Bartz, sagt: "Es ist unglaublich bereichernd, ein Unternehmen von null aufzubauen." Sein Glück fand er bei der Fintech-Schmiede Finleap, die im früheren Firmensitz der Berliner Bank residiert, und jetzt als CEO der Vermögensverwaltungs-Plattform Elinvar. Etwas schärfer formuliert es Minho Roth, der während seiner Zeit bei der Baader Bank als "Deutschlands jüngster Börsenhändler" bezeichnet wurde und inzwischen als Chef von Avaloq Ventures vielversprechende Fintechs aufspürt. "Ich habe gemerkt; ich habe mehr Spaß daran, Firmen aufzubauen, als 14 Stunden am Tag vor zwölf Bildschirmen zu sitzen und Knöpfchen zu drücken."

Es ist aber nicht nur das Gründerfieber, das die Banker weglockt. "Viele sind müde", sagt Gasteiger, der bei der UBS zuletzt Bürochef von Präsident Axel Weber war. "Ich war das bis zu einem gewissen Grad auch, trotz des super Jobs, den ich hatte." Den etablierten Banken fehle eine Vision für die langfristige Entwicklung.

Dazu kommt, dass viele Stellen im Bankensektor durch Technologie ersetzt werden. Im Fintech-Bereich herrscht dagegen Aufbruch-Stimmung. "Nach meiner Zeit bei der DAB Bank wollte ich einen Job ausüben, in dem ich innovativer sein kann und besser aggressives Wachstum mitgestalten kann", erklärt Markus Gunter, Manager bei der Smartphone-Bank N26, einem der bekanntesten Fintechs Deutschlands. Ein bestehender Kundenstamm mache träge. Äußerlich unterscheidet sich der 52-Jährige allerdings kaum von einem Banker, der Verzicht auf eine Krawatte ist die einzige Konzession an die traditionelle T-Shirt-Kultur der Branche.

Auch bei anderen Berliner Start-ups zeigt sich: Die Garagenromantik ist vielerorts kühler Professionalität gewichen. Die Fintech-Branche ist erwachsen geworden - das verdeutlichen auch Zahlen. Risikokapital-Experte Roth schätzt, dass es in Deutschland, Österreich und der Schweiz inzwischen rund 1000 Fintech-Start-ups mit gegen 20.000 Beschäftigten gibt.

Verglichen mit den rund eine Million Angestellten bei Banken und Versicherungen ist das zwar immer noch bescheiden. Doch beide Seiten buhlen um die besten Mitarbeiter. In Zürich, wo mehrere US-Techkonzerne forschen, kommen Firmen wie Google als potente Konkurrenten dazu.

Dass der Kampf um Talente mit dem Aufkommen von Fintechs verschärft hat, räumt auch Dorothee Pfeuffer ein, die bei der Commerzbank für Rekrutierung zuständig ist. Mit flexiblen Arbeitszeitmodellen und Angeboten zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie umgarnt das Geldhaus die Kandidaten. Zudem glaubt sie, mit einer Image-Korrektur punkten zu können. "Wir sind nicht mehr die klassische Großbank."

Was die Personalmanagerin nicht sagt: Bei Fintechs sind die Gehälter üblicherweise deutlich bescheidener. Oder wie es Gunter ausdrückt: "Mit dem Wechsel zu einem Fintech verschiebt sich das Gehalt in die Zukunft – in der Hoffnung, dass die Zukunft so großartig wie die Vision ist." Konkreter wird Jan Brzezek, Chef der Schweizer Crypto Finance. "Wir bezahlen etwa die Hälfte der Banken", sagt der 36-jährige frühere UBS-Mann. Dafür könnten seine 40 Mitarbeiter - 80 Prozent davon kommen von Banken - etwas bewirken und seien nicht nur eine Nummer wie in einem Großbetrieb. Dennoch war es für seine Firma auch schon mal einfacher, Top-Leute zu finden. "Das Interesse an Jobs bei uns schwankt eins zu eins mit dem Kurs von Bitcoin und anderen Kryptowährungen". Vom Rekordwert hat Bitcoin inzwischen rund 80 Prozent an Wert verloren.

Auch Andreas Krischke beobachtet, dass sich der Hype um Fintechs etwas abgekühlt hat. Vielen sei inzwischen bewusst geworden, wie groß das Risiko eines Jobs bei einem Fintech sei, sagt der Geschäftsführer von Indigo Headhunters. Die Abgänge von Mitarbeitern zu Fintechs könnten die Banken problemlos ersetzen, so viele seien es ja auch nicht. "Weil vor allem die besten Leute wechseln, ist das aber dennoch gefährlich für die Institute", warnt Krischke. "Denn der Abgang eines Aushängeschildes sendet ein negatives Signal und verunsichert die Mitarbeiter, die zurückbleiben."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas Kapitalmarktunion im Rückstand: Banker fordern radikale Integration
12.07.2025

Europas Finanzelite schlägt Alarm: Ohne eine gemeinsame Kapitalmarktunion drohen Investitionen und Innovationen dauerhaft in die USA...

DWN
Immobilien
Immobilien Bauzinsen aktuell weiterhin hoch: Worauf Häuslebauer und Immobilienkäufer jetzt achten sollten
12.07.2025

Die Zinsen auf unser Erspartes sinken – die Bauzinsen für Kredite bleiben allerdings hoch. Was für Bauherren und Immobilienkäufer...

DWN
Finanzen
Finanzen Checkliste: So vermeiden Sie unnötige Kreditkarten-Gebühren auf Reisen
12.07.2025

Ob am Strand, in der Stadt oder im Hotel – im Ausland lauern versteckte Kreditkarten-Gebühren. Mit diesen Tricks umgehen Sie...

DWN
Technologie
Technologie Elektrische Kleinwagen: Kompakte Elektroautos für die Innenstadt
12.07.2025

Elektrische Kleinwagen erobern die Straßen – effizient, kompakt und emissionsfrei. Immer mehr Modelle treten an, um Verbrenner zu...

DWN
Finanzen
Finanzen Elterngeld: Warum oft eine Steuernachzahlung droht
12.07.2025

Das Elterngeld soll junge Familien entlasten – doch am Jahresende folgt oft das böse Erwachen. Trotz Steuerfreiheit lauert ein...

DWN
Finanzen
Finanzen Krypto ersetzt Börse: Robinhood bietet Token-Anteile an OpenAI und SpaceX
12.07.2025

Die Handelsplattform Robinhood bringt tokenisierte Beteiligungen an OpenAI und SpaceX auf den Markt. Doch was wie ein Investment klingt,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Meta-KI: Facebook-Mutter wirbt KI-Top-Talente von OpenAI ab – Altman schlägt Alarm
12.07.2025

Der KI-Krieg spitzt sich zu: Meta kauft sich Top-Talente, OpenAI wehrt sich mit Krisenurlaub – und Europa droht im Wettrennen um die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deindustrialisierung: Ostdeutsche Betriebsräte fordern Ende von Habecks Energiewende - Industriestandort gefährdet
11.07.2025

Nach dem Verlust von über 100.000 Industriearbeitsplätzen richten ostdeutsche Betriebsräte einen dramatischen Appell an Kanzler Merz....