Politik

EZB tastet ultra-lockere Geldpolitik nicht an

Lesezeit: 3 min
24.01.2019 13:49
Die EZB ist offenbar nicht mehr in der Lage, die Geldpolitik zu normalisieren. Inzwischen deutet sich der nächste Abschwung der Weltwirtschaft an.
EZB tastet ultra-lockere Geldpolitik nicht an

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Die Europäische Zentralbank will auch nach dem Ende ihrer billionenschweren Anleihenkäufe die Geldpolitik extrem locker halten. Zum einen bekräftigte sie am Donnerstag in Frankfurt, die Leitzinsen noch bis mindestens über den Sommer hinaus nicht antasten zu wollen. Der Schlüsselsatz zur Versorgung der Geschäftsbanken mit Geld liegt seit März 2016 auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent.

Zum anderen will die EZB auch nach der Zinswende noch für längere Zeit fällig werdende Anleihen aus ihrem Bestand ersetzen. Nach Analystenschätzungen könnten so allein dieses Jahr rund 200 Milliarden Euro reinvestiert werden. Damit werden die Euro-Wächter ein großer Akteur am Anleihenmarkt bleiben, um Staaten wie Frankreich uns Italien zu unterstützen.

Die EZB hat ihre auf mehr als 2,6 Billionen Euro angeschwollenen Wertpapierkäufe im Dezember eingestellt. Sie waren in den vergangenen Jahren ihr wichtigstes Kriseninstrument gegen eine aus ihrer Sicht zu geringe Inflation und zu schwache Konjunktur. Die durch die Transaktionen aufgeblähte Notenbank-Bilanz wird nach dem Stopp der Käufe wegen der Reinvestitionen vorerst aufgebläht bleiben.

Wie bisher müssen Geldhäuser zudem Strafzinsen zahlen, wenn sie über Nacht überschüssige Liquidität bei der EZB parken. Der sogenannte Einlagensatz bleibt bei minus 0,4 Prozent.

Damit zeigt die Zentralbank, dass sie die Geldpolitik trotz der zuletzt starken Konjunktur nicht mehr normalisieren kann, weil es sonst zu Schuldenkrisen und Bankrotten in der Realwirtschaft kommen dürfte. Inzwischen deutet sich wieder ein deutlicher Abschwung in der Weltwirtschaft an.

Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet mit Blick auf den weiteren geldpolitischen Kurs der EZB, dass es in Draghis Amtszeit höchstwahrscheinlich keine Leitzinsanhebung mehr geben wird:

EZB-Chef Mario Draghi wird seine achtjährige Amtszeit Ende Oktober vermutlich ohne Zinserhöhung abschließen. Denn die zuletzt spürbare Konjunktureintrübung macht es für die Europäische Zentralbank schwerer, ihre Geldpolitik langsam zu straffen. Die Finanzmärkte erwarteten die Zinswende erst im Jahr 2020, sagte Draghi am Donnerstag in Frankfurt. Dies zeige, dass sie verstanden hätten, welche Faktoren die EZB-Linie bestimmten.

Am Geldmarkt wurde sofort auf den Wink des Italieners reagiert. Investoren taxieren die Wahrscheinlichkeit einer Zinserhöhung in diesem Jahr nur noch auf 40 Prozent. Bisher waren es 45 Prozent.

Der Leitzins liegt seit März 2016 auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent. Offiziell stellt die EZB in Aussicht, ihre Schlüsselsätze noch bis mindestens über den Sommer 2019 hinaus nicht anzutasten. Bislang hat noch kein EZB-Präsident eine Amtszeit ohne Zinserhöhung beendet.

Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer wertete Draghis Äußerungen als "Sargnagel für eine frühe Zinserhöhung". Seine Botschaft sei, dass es 2019 nichts mit der Zinswende werde, wenn sich die Wirtschaft nicht bald erhole. "Trübt sich die konjunkturelle Situation weiter ein, werden die europäischen Währungshüter entweder länger als erwartet expansiv bleiben oder sogar eine neuerliche geldpolitische Lockerung lancieren", ergänzte der Chefvolkswirt der Liechtensteiner VP Bank, Thomas Gitzel.

WIRTSCHAFT LÄUFT NICHT MEHR RUND

Die zuletzt veröffentlichten Konjunkturdaten seien schlechter als erwartet ausgefallen, sagte Draghi. "Die andauernden Unsicherheiten, insbesondere in Bezug auf geopolitische Faktoren und die Bedrohung durch den Protektionismus, lasten auf dem Wirtschaftsklima." Die Währungshüter kippten deshalb ihre bisherige Einschätzung, dass sich bei den Perspektiven für das Wirtschaftswachstum Gefahren und Chancen weitgehend die Waage halten. Nunmehr würden die Gefahren überwiegen. Diese Einschätzung hätten alle EZB-Ratsmitglieder geteilt. Allerdings sei eine Rezession unwahrscheinlich.

Die pessimistischen Äußerungen zur Konjunktur belasteten den Euro. Die Gemeinschaftswährung fiel zeitweise um 0,7 Prozent auf ein Fünfeinhalb-Wochen-Tief von 1,1305 Dollar.

Der Einkaufsmanager-Index für die Industrie und Dienstleistungsbranche in der Euro-Zone fiel im Januar auf den schlechtesten Wert seit fünfeinhalb Jahren. Zudem trübte sich die Stimmung in der Wirtschaft vor der Jahreswende deutlich ein. Industriebetriebe fuhren ihre Produktion zuletzt überraschend kräftig zurück - vor allem bei Maschinen, Anlagen und anderen Investitionsgütern. Die deutsche Wirtschaft hatte im vierten Quartal nur ein kleines Plus beim Bruttoinlandsprodukt erzielt und entkam damit nur knapp einer Rezession.

Sollten die belastenden Faktoren für die Wirtschaft anhalten, könne die Wirtschaftsdynamik für längere Zeit schwach bleiben, sagte Draghi. "Wir haben immer noch den ganzen Werkzeugkasten zur Verfügung." Im März werde die Notenbank die Lage neu diskutieren. Die EZB hat neben den Nullzinsen die Wirtschaft mit Wertpapierkäufen im Volumen von 2,6 Billionen Euro gestützt.

LANGFRISTIGE GELDSPRITZEN IN DER DISKUSSION

Auf ihrem ersten Zinstreffen in diesem Jahr sprachen die Währungshüter auch über langfristige Geldspritzen für Banken. Mehrere Mitglieder des EZB-Rats hätten dieses Thema aufgebracht, sagte Draghi. Allerdings habe keine Entscheidung angestanden. Draghi betonte, falls es zu einer Neuauflage kommen sollte, müsse die Geldpolitik gute Gründe dafür vorbringen.

Die EZB hatte 2016 eine Serie solcher im Fachjargon als TLTROs bekannten Langfrist-Darlehen aufgelegt, um die Kreditvergabe anzukurbeln. Volkswirte haben darauf hingewiesen, dass ab Mitte 2019 ein Engpass drohen könnte, sollten zahlreiche Geldhäuser erhaltene TLTRO-Darlehen frühzeitig zurückzahlen, ohne eine ähnlich günstige Anschlussfinanzierung an der Hand zu haben.


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