Eines der wichtigsten Probleme überhaupt, die gelöst werden müssen, ist die Frage, wie man die stark wachsende Weltbevölkerung künftig ernähren kann. Die Vereinten Nationen (UN) gehen davon aus, dass die Erdbevölkerung bis 2050 um mehr als ein Drittel auf fast zehn Milliarden Menschen steigt. Die Weltorganisation schätzt, dass sich deswegen die Produktion von Lebensmitteln sogar verdoppeln muss. Folglich wird die Branche eine riesige Anpassungsleistung vollbringen müssen, um den nahezu explodierenden Bedarf zu decken.
Eine Grundlage dafür ist Saatgut, für dessen Herstellung Kalisalz benötigt wird. Was viele nicht wissen: Einer der größten Produzenten, der einen starken Einfluss auf die Welt-Produktion des lebensnotwendigen Grundstoffs ausübt, ist Weißrussland. Der osteuropäische Staat liegt weltweit bei der Produktion auf dem dritten Platz, wie aus aktuellen Statistiken des wissenschaftlichen Instituts USGS hervorgeht. Das Land gilt im Westen als "letzte Diktatur Europas" und wird vom weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko mit harter Hand geführt.
Lukaschenko will Produktion um ein Drittel erhöhen
Doch jetzt will Lukaschenko, gegen den die EU seit 2006 wegen Menschenrechtsverletzungen Reisebeschränkungen verhängt hat, seine Macht am Kali-Markt noch weiter ausbauen. Deshalb errichtet er gemeinsam mit dem russischen Oligarchen Michail Guzerijew eine neue Produktionsstätte mit Zechen, Kraftwerk und Wohnungen für die Beschäftigten in der Nieschinski-Region – ganz im Süden des Landes, das etwa 60 Prozent der Fläche Deutschlands einnimmt.
Die Fabrik soll von der weißrussischen Firma „Slawkalij“ betrieben werden, die Guzerijew gehört. „Ich gehe davon aus, dass die Anlage bis Ende 2022 fertig gestellt sein wird“, sagt Guzerijew. „Darüber hinaus dürfte sie bereits zwei Jahre später einen Gewinn von 600 Millionen Dollar erreichen“, zitiert das weißrussische Wirtschaftsportal „Belrynok“ den Milliardär.
Hintergrund: Das Projekt wird schon seit einigen Jahren gebaut. Das Investitionsvolumen liegt bei zwei Milliarden Dollar, das zu 70 Prozent mit Krediten einer chinesischen Bank finanziert wird. Die Fabrik wird den Planungen zufolge pro Jahr zusätzliche zwei Millionen Tonnen herstellen.
Das wäre ein spürbarer Beitrag für die weißrussischen Produktion, die derzeit bei etwa 7,1 Millionen Tonnen liegt. Damit würde sich die jährliche Herstellung um fast ein Drittel erhöhen und Weißrussland auf der Welt-Rangliste auf den zweiten Platz vorrücken. „Wir wollen die Bedingungen am Markt diktieren“, zeigte sich Lukaschenko selbstbewusst.
Aktuell liegt das Land auf dem dritten Rang – gleich hinter Russland mit 7,5 Millionen Tonnen und Kanada mit 12 Millionen Tonnen. Auf dem vierten Platz landete China (13 Prozent oder 5,5 Millionen Tonnen), gefolgt von Deutschland (sieben Prozent oder 2,9 Millionen Tonnen) mit seinem börsennotierten Produzenten K+S aus Kassel. Den Rest steuern andere Staaten bei – unter anderem Spanien und die USA.
Wert des Weltmarktes bei zwölf Milliarden Dollar
Die USGS geht davon aus, dass im vergangenen Jahr die Weltproduktion bei rund 42 Millionen Tonnen gelegen hat. Nach damaligen Preisen lag der Wert des gesamten Marktes zwischen elf und zwölf Milliarden Dollar. Und der dürfte weiter massiv steigen.
Daran hält Weißrussland bereits jetzt schon einen gewichtigen Teil, der vom staatlich kontrollierten Konzern Belaruskalij produziert wird – einem der größten Kali-Hersteller der Welt. Das Unternehmen liegt in der zentralweißrussischen Bergbau-Stadt Salihorsk und generiert jährliche Umsätze zwischen zwei und drei Milliarden Dollar. Der Produzent ist einer der größten Arbeitgeber des Landes, bei dem sich rund 20.000 Mitarbeiter auf den Lohnlisten befinden.
Auch hier hat Lukaschenko aufgerüstet, wenn auch im kleineren Umfang als bei „Slawkalij“. Der Hersteller hat gerade im Juli den Bau einer neuen Produktionsstätte beendet. Die Kapazität liegt bei mehr als 280.000 Tonnen. Und auch hier hat Lukaschenko auf chinesische Unterstützung zurückgegriffen. Denn der Partner bei diesem Projekt war die chinesische Firma Migao Corporation.
Wichtig: Der Kali-Riese liefert seine Produkte auch nach West-Europa und nach Deutschland. Das Handelsvolumen hat in den vergangenen Jahren teilweise erheblich geschwankt und lag bei etwa 25 Millionen Euro. Die gesamten Einfuhren betrugen etwa 500 Millionen Euro, wie die Wirtschaftsförderungsgesellschaft GTAI berichtet.
Jetzt will der Dünger-Riese Belaruskalij erstmal eine kurze Atempause einlegen. So wird der Hersteller im September und Oktober seine Produktion für zwei Monate verringern, um die Maschinen und Anlagen zu warten. Für einen Industriekonzern ist es normal, dass das Unternehmen ab und an seine Leistung zurückfährt, um die Geräte zu warten und reinigen. Am ambitionierten Ziel von Lukaschenko, den wichtigen Kali-Markt unter Kontrolle zu bekommen, wird das nichts ändern. Auch Deutschland muss das osteuropäische Land in den kommenden Jahren noch mehr beobachten als bisher.