Finanzen

Chinas digitale Zentralbankwährung könnte zum Vorbild für die Welt werden

China wird voraussichtlich als erstes Land der Welt eine digitale Zentralbankwährung herausgeben. Damit eröffnen sich neue Möglichkeiten der Geldpolitik und der staatlichen Kontrolle über die Geldflüsse.
11.09.2019 10:50
Aktualisiert: 11.09.2019 12:06
Lesezeit: 3 min
Chinas digitale Zentralbankwährung könnte zum Vorbild für die Welt werden
Der digitale Yuan soll das Bargeld ersetzen. (Foto: dpa) Foto: Karl-Josef Hildenbrand

Die chinesische Zentralbank steht kurz davor, eine digitale Version des Yuan herauszugeben. Damit wird China das erste Land der Welt mit einer digitalen Zentralbankwährung sein. Die Eile der Chinesen erklärte ein führender Mitarbeiter der People's Bank of China (PBoC) wie berichtet damit, dass das Land seine "Währungssouveränität" schützen will. Chinas Zentralbank verfolgt das Ziel, ihre Währung an den technologischen Fortschritt anzupassen und eine stärkere Kontrolle über sie zu erlangen. Die Digitalwährung wird an den Yuan geknüpft sein, der aber zumindest vorerst auch in seiner herkömmlichen Form weiter existieren wird.

Den von der Zentralbank angemeldeten Patenten und offiziellen Angaben zufolge sollen Verbraucher und Unternehmen digitale Brieftaschen, die von der Zentralbank bereit gestellt werden, auf ihre Handys herunterladen. Dann können sie das digitale Geld erwerben, indem sie es über ihre Konten bei den Geschäftsbanken kaufen und auf ihre digitalen Brieftaschen überweisen. Nun können sie Geld an andere Personen oder Unternehmen überweisen, wenn diese auch über digitale Brieftaschen verfügen.

In China sind schon heute viele Transaktionen elektronisch. Im ersten Quartal 2019 wickelten Bezahl-Apps 59 Billionen Yuan (8,3 Billionen Dollar) an Transaktionen ab. Das waren 15 Prozent mehr als im Jahr zuvor, zitiert Bloomberg Zahlen des Forschungsunternehmens Analysys. Alipay von Ant Financial wickelte demnach fast die Hälfte der App-Transaktionen ab und WeChat Pay von Tencent ein Drittel.

Nach Angaben von Chinas Zentralbank betrugen alle bargeldlosen Transaktionen, wozu neben den erwähnten App-Zahlungen auch Dinge wie Überweisungen und Kartenzahlungen zählen, im Jahr 2018 insgesamt 3,8 Billiarden Yuan (530 Billionen Dollar). Den Trend weg vom Bargeld gibt es nicht nur in China. Eine Umfrage der Zentralbank in Schweden ergab, dass im vergangenen Jahr nur 13 Prozent der Menschen ihren letzten Kauf in bar bezahlt hatten, gegenüber 39 Prozent im Jahr 2010.

Welche Ziele verfolgt China mit digitalem Yuan?

Das Projekt wurde bereits 2014 vom ehemaligen Zentralbank-Gouverneur Zhou Xiaochuan gestartet, der im März 2018 in den Ruhestand gegangen ist. Zhou wollte verhindern, dass China eines Tages eine Norm für digitale Währungen aus dem Ausland übernehmen muss, ähnlich seiner Abhängigkeit vom Swift-System. Zudem könnte der digitale Yuan den Behörden die Möglichkeit eröffnen, die Geldflüsse leichter zu verfolgen, was bei der Bekämpfung von Geldwäsche und illegalen Aktivitäten nützlich wäre.

Die Eile der Chinesen, die ihren digitalen Yuan noch dieses Jahr an den Start bringen wollen, erklärt sich auch durch den Druck von Facebook. Das US-Unternehmen will im kommenden Jahr eine eigene digitale Münze namens Libra einführen, die durch einen Korb von Wertpapieren und Währungen wie Dollar, Euro, Pfund und Yen gedeckt werden soll.

China fürchtet, dass Libra die Dominanz des Dollars stärken und Chinas Kontrolle schwächen könnte. "Es gäbe im Wesentlichen einen Boss, nämlich den US-Dollar und die Vereinigten Staaten. Dies hätte eine Reihe von wirtschaftlichen, finanziellen und sogar internationalen politischen Konsequenzen", sagte Chinas Zentralbankchef Wang Xin im Juli.

Bereits im Jahr 2017 hat China Kryptowährungsbörsen und so genannte Initial Coin Offerings (ICOs) verboten. Denn Kryptowährungen sind eine Möglichkeit, Geld aus China ins Ausland zu überweisen, was zu Kapitalabflüssen führen und den Wert des Yuan untergraben könnte. Daher haben chinesische Beamte bereits die Aufsicht von Libra durch die Währungsbehörden gefordert. Denn zwar ist die Website von Facebook in China verboten. Doch viele Chinesen verschaffen sich mithilfe von VPN (Virtual Private Network) Zugang.

Unterschiede zu Bitcoin

Der digitale Yuan wird keine Kryptowährung sein, obwohl die Chinesen große Hoffnungen mit Blockchain verbinden. Zwar soll Chinas Zentralbank die Möglichkeiten der Technologie geprüft haben. Doch Kryptowährungen wie Bitcoin wären gar nicht in der Lage, eine ausreichende Menge von Transaktionen zu unterstützen. So verzeichnete man in China am 11. November letzten Jahres (dem Singles' Day oder Guanggun Jie) eine Zahlungsnachfrage von bis zu 92.771 Transaktionen pro Sekunde. Bitcoin hingegen ermöglicht derzeit nur rund 5 Transaktionen pro Sekunde.

Chinas Zentralbank will nach eigenen Angaben "ein Gleichgewicht" schaffen zwischen Anonymität und der Notwendigkeit, gegen Finanzkriminalität vorzugehen, sagte Mu Changchun, der stellvertretende Direktor der Zahlungsabteilung bei der PBOC. Doch was das heißt, ist unklar.

Zwar hat die Zentralbank gesagt, dass Banken keinen vollständigen Zugang zu den Benutzerdaten erhalten sollen. Doch die Benutzeridentitäten werden wahrscheinlich an einzelne Wallets gebunden sein, was den Behörden weite Einblicke in das Leben der Bürger verschaffen würde. Zudem hat der stellvertretende Zentralbank-Gouverneur Fan Yifei angedeutet, dass Banken möglicherweise täglich Informationen über Transaktionen an die Zentralbank übermitteln müssen und dass es Obergrenzen für Transaktionen geben könnte.

Doch warum sollten die Bürger den digitalen Yuan nutzen, wo sie doch zahlreiche andere elektronische Zahlungsoptionen haben? Zudem sind Alipay und WeChat Pay fest im bestehenden System von sozialen Medien, Online-Handel und vielen weiteren Möglichkeiten verankert. Mu sagt, dass eine digitale Zentralbankwährung gegenüber Alipay und WeChat Pay den Vorteil hat, dass die Zentralbank im Gegensatz zu den privaten Anbietern nicht in Konkurs gehen kann.

Im Unterschied zu anderen elektronischen Zahlungsoptionen handelt es sich beim digitalen Yuan wie beim Bargeld um Zentralbankgeld und nicht um Sichteinlagen. Der digitale Yuan soll aber zumindest in absehbarer Zeit nicht die Sichteinlagen ersetzen, sondern das Bargeld. Für die chinesische Zentralbank bietet der digitale Yuan gegenüber dem Bargeld den Vorteil, dass sie auf den digitalen Yuan negative Zinssätze anwenden könnte, was bei Münzen und Scheinen nicht möglich ist.

Zwar ist China weltweit führend bei digitalen Zentralbankwährungen. Doch Anfang des Jahres ergab eine anonyme Umfrage der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), dass die meisten globalen Zentralbanken sich mit dem Thema befassen. So hat Uruguay ein Pilotprogramm namens e-Peso durchgeführt, das vom Internationalen Währungsfonds gelobt worden ist. Die Schwedische Reichsbank untersucht die Möglichkeiten einer digitalen E-Krona. Und im vergangenen Monat forderte der Gouverneur der Bank of England, Mark Carney, sogar die Einführung einer globalen digitalen Reservewährung, um die Dominanz des Dollar zu beenden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Geldanlage: Mit einem Fondsdepot mehr aus dem eigenen Geld machen

Wer vor zehn Jahren 50.000 Euro in den Weltaktienindex investiert hat, kann sich heute über mehr als 250.000 Euro freuen! Mit der...

DWN
Politik
Politik Wahlsieger Merz: Trotz Wermutstropfen Rambo-Zambo
23.02.2025

Der CDU-Chef bringt den Vorsprung aus den Umfragen ins Ziel: Die Union gewinnt die Bundestagswahl. Doch ein wichtiges selbstgestecktes Ziel...

DWN
Politik
Politik Historisches Debakel für die SPD: Scholz' Tage sind gezählt
23.02.2025

Trotz Widerstands innerhalb seiner Partei wollte er es noch einmal versuchen – und ist kläglich gescheitert. Die kürzeste Amtszeit...

DWN
Politik
Politik Erwartungen verfehlt: FDP erleidet mit Lindner herbe Wahlniederlage
23.02.2025

Die FDP bleibt unter den eigenen Erwartungen und hat sich von der Krise in der Ampel-Koalition nicht erholt. Parteichef Lindner und seine...

DWN
Politik
Politik Bundestagswahl: Union gewinnt vor AfD, Fiasko für die SPD - droht erneut eine Dreierkoalition?
23.02.2025

CDU und CSU gehen als klare Sieger aus der Bundestagswahl hervor – für die SPD ist es das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte. Die...

DWN
Politik
Politik Merz triumphiert, Scholz geschwächt: Die Konsequenzen der Wahl
23.02.2025

Deutschland hat entschieden, und es gibt einen klaren Gewinner. Dennoch dürfte die Regierungsbildung herausfordernd werden, da die Zeit...

DWN
Politik
Politik Wie es nach der Bundestagswahl weitergeht
23.02.2025

Nach der Bundestagswahl beginnt die nächste Phase: die Regierungsbildung. Dabei sind zahlreiche Schritte erforderlich, die sich über...

DWN
Politik
Politik Wahlrecht 2025: Kleinerer Bundestag, größere Auswirkungen – Das ändert sich für Wähler und Parteien
23.02.2025

Am Wahltag selbst werden die meisten Wählerinnen und Wähler keinen Unterschied bemerken. Doch hinter den Kulissen verändert sich...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Schweizer Infrastrukturexperte: "Deutschland war lange der Wirtschaftsmotor Europas – das muss wieder so sein"
23.02.2025

Deutschland kämpft mit maroden Brücken, Straßen, Schienen, Strom- und Kommunikationsnetzen. Der Schweizer Infrastrukturexperte Alexander...