Finanzen

Europaweite Einlagensicherung: Eine totgeglaubte Idee reißt deutsche Sparer aus ihrem Winterschlaf

Seit Jahren geistert das Projekt einer europäischen Einlagensicherung durch die Diskussion. Der hochtrabende Begriff bedeutet, dass alle Sparer und sonstigen Einleger in ganz Europa für alle Einlagen bei allen Banken in ganz Europa haften sollen. Bei diesem System sind alle Einleger gefährdet. Bis vor wenigen Tagen konnte man als europäischer Sparer noch ruhig schlafen, nun müssen alle Alarmglocken läuten.
09.11.2019 07:36
Aktualisiert: 09.11.2019 07:36
Lesezeit: 5 min
Europaweite Einlagensicherung: Eine totgeglaubte Idee reißt deutsche Sparer aus ihrem Winterschlaf
Ein Eurozeichen spiegelt sich in den Augen eines Mannes. (Foto: dpa)

Seit Jahren geistert das Projekt einer europäischen Einlagensicherung durch die Diskussion über die Schaffung einer Banken-Union. Der hochtrabende Begriff bedeutet, dass alle Sparer und sonstigen Einleger in ganz Europa für alle Einlagen bei allen Banken in ganz Europa haften sollen. Bei diesem System sind alle Einleger gefährdet. Bis vor wenigen Tagen konnte man als europäischer Sparer noch ruhig schlafen, weil die deutsche Bundesregierung stets tapfer Nein gesagt hat. Jetzt hat der derzeit tätige deutsche Finanzminister, Olaf Scholz, plötzlich seine Zustimmung erklärt und ebenfalls eine europäische Einlagensicherung gefordert. Nun müssen alle Alarmglocken läuten.

Manager sind geschützt, für Verluste zahlen andere

Jede Einlagensicherung ist problematisch. Die Manager können unbekümmert große Risiken eingehen, sie wissen, wenn etwas schiefgeht, dann springt die Einlagensicherung ein und andere zahlen für die Fehler. Als Manager kommt man meist ungeschoren davon. Somit sind auch die bestehenden Einlagensicherungen in den einzelnen Staaten ein Faulbett für Bankleiter. Solange allerdings die Einrichtung sich auf Institute beschränkt, die sich den gleichen Regeln unterwerfen, deren Einhaltung auch überprüft wird, mag eine solidarische Hilfseinrichtung zu rechtfertigen sein.

Vollends zur Absurdität wird eine Einlagensicherung aber, wenn sie auch Banken schützt, die mit waghalsigen Geschäften pleitegehen. Und genau das wäre bei einer europäischen Einlagensicherung, die alle Banken einbezieht, der Fall. Wie kann man dem einzelnen Sparer zumuten, dass sein gutes Geld verwendet wird, um einem anderen Einleger zu helfen, der Kunde einer Pleite-Bank ist? Mehr noch: Kommt es zum Zusammenbruch einer Reihe von Banken, dann zieht die Einlagensicherung andere, gesunde Banken mit in den Abgrund und aus einem überschaubaren Problem wird ein Flächenbrand.

Die frivole Idee soll den Finanzministern bei Bankenkrisen helfen

Somit stellt sich die Frage, wieso kommt es zu der penetrant wiederholten Forderung nach einer derart gefährlichen Einrichtung? Die Antwort ist bald gefunden: Es ist ein Wunsch der Regierungen. Bei einer großen Banken-Pleite sind Millionen Kunden betroffen und kein Politiker kann zusehen, wie seine Wähler enorme Verluste erleiden. Also wird bei Bank-Pleiten in die Staatskasse gegriffen und mit Milliarden an Steuergeldern geholfen. Die Rettungsaktionen erfolgen zwar aus wahltaktischen Gründen, sind aber volkswirtschaftlich sinnvoll, weil eine Großbank geschäftliche Beziehungen in zahllose Bereiche hat und die Folgen einer plötzlichen Zahlungsunfähigkeit katastrophal wären. Die unmittelbar Betroffenen schätzen das Geld aus der Staatskasse, die anderen Bürger und Steuerzahler protestieren.

Nun hoffen die Regierungen, dass bei einer europäischen Einlagensicherung alle Sparer und sonstigen Einleger in der EU für Pleite-Banken zahlen werden und die Staaten nicht mehr einspringen müssen.

Bisher lautete die Parole der deutschen Politiker: Wir können doch nicht zulassen, dass ein deutscher Sparer für eine marode Bank in Südeuropa zahlt. In dieser Überheblichkeit kam die Überzeugung zum Ausdruck, dass ein deutsches Institut nie Probleme verursache. Offenbar liest der amtierende Finanzminister Olaf Scholz genau die aktuellen Berichte aus der Bankenwelt und kommt zu dem Schluss, dass auch er mit einer großen Bank-Pleite konfrontiert werden könnte. Und ist nun ebenfalls ein Vorkämpfer dafür, dass alle Einleger in der EU im Ernstfall geplündert werden.

Die Verschärfung der Bankenaufsicht hat den Banken nicht genützt

Nach der Finanzkrise 2008 machte sich in der Politik die Überzeugung breit, man müsse nur strenge Regeln beschließen und eine mächtige Bankenaufsicht installieren, da könne einfach nichts mehr geschehen. Betrachtet man allerdings die Situation der europäischen Banken heute muss man zu dem Schluss kommen, dass dieses Rezept nicht gewirkt hat. Peinlich ist auch, dass die US-Banken blühen, dass also die Reaktionen auf die Finanzkrise jenseits des Atlantiks klüger und wirksamer waren. In Europa weiß man nichts Anderes zu tun als die erfolglose Bankenpolitik fortzusetzen und sich dabei an eine Illusion zu klammern, die bereits an und für sich unsinnig ist. Übrigens vertritt auch Herr Scholz diese Schimäre.

Die Schimäre besagt, es würde genügen, die faulen Kredite der Banken zu sanieren, dann wären alle Institute gesund und man könnte getrost eine europäische Einlagensicherung installieren. Es ist erstaunlich, wie viele Denkfehler in einem Satz enthalten sein können.

- Die Vorstellung, man könne in einer Bank Ordnung machen und dann gäbe es keine Risiken, keine Gefahren mehr, ist weltfremd und schlichtweg falsch. Ein so genannt „guter“ Kredit kann bei Änderung der Konjunktur sehr rasch zu einem Krisenfall werden. Umgekehrt macht eine erfolgreiche Sanierung einen „faulen“ Fall zu einer Erfolgsgeschichte. Ein Kredit ist ein lebendiges Geschäft, dessen Qualität sich laufend mit der wirtschaftlichen Entwicklung des Kreditnehmers ändert.

- Alle Regeln der Bankenaufsicht sind darauf abgestellt, das Risiko aus den Banken zu nehmen und künftig fernzuhalten. Man nimmt einfach nicht zur Kenntnis, dass die Übernahme von Risiken das eigentliche Geschäft der Banken ist. Kredit kommt von credo, ich glaube, dass der Kunde das geliehene Geld zurückzahlen wird. Das Management dieses Risikos wird über die Kreditzinsen mitbezahlt und diese Entlohnung ist die Basis des Bankgeschäfts.

- Mit dem Begriff „die faulen Kredite“ wird die Idee verfolgt, es gäbe eben faule und gute Kredite. Damit nicht genug, die faulen Kredite würden über Jahre in den Banken „liegen“ und man müsse sie nur ein für alle Male beseitigen. Oft ist auch davon die Rede, dass Ausleihungen seit der Finanzkrise, also seit über zehn Jahren, in den Instituten gleichsam modern.

- Eine uneinbringliche Forderung muss wertberichtigt, also als Verlust anerkannt werden. Es ist unmöglich, einen Ausfall zehn Jahre zu leugnen und weiter als Aktivum in den Büchern zu führen. Kein Wirtschaftsprüfer darf das tolerieren.

Bei tatsächlichen Krisen ist jede Einlagensicherung überfordert

Aber die Problematik ist mit diesen grundsätzlichen Missverständnissen nicht ausreichend ausgelotet. Zu fragen ist, was sind denn das für Kredite oder sonstige Forderungen, die eine Bank ruinieren können und die Einlagensicherung auf den Plan rufen?

- Da sind in erster Linie die Staaten zu nennen, die sogar gesetzlich als risikolos eingestuft sind. Tatsächlich haben allein die EURO-Staaten 10.000 Milliarden Euro Schulden. Davon sind etwa 2.000 Mrd. von der Europäischen Zentralbank finanziert. Die restlichen 8.000 Mrd. haben zum großen Teil die Banken bereitgestellt.

- Wenn nun ein Staat zahlungsunfähig wird und ausfällt, dann kann dies nicht ohne dramatische Folgen für die Kreditinstitute bleiben. Staaten werden gerne als unsinkbar bezeichnet. Nur: Wenn man den Steuerzahlern keine zusätzlichen Abgaben abverlangen kann und wenn die Anleger die Anleihen eines Staates nicht mehrt zeichnen, dann kommt es zum Staatsbankrott und in der Folge zu Bank-Pleiten.

- Zahlen müsste dann die europäische Einlagensicherung. Nur ist keine Einlagensicherung in der Lage, für tausende Milliarden aufzukommen. Alle Konzepte decken nur einige Prozente des Einlagenvolumens ab.

Zur Debatte steht die Schaffung eines Fonds, der von den Banken zu dotieren wäre, der aber einen geringen Teil der Einlagen sichern könnte, die Rede ist von 4 Prozent. Vorstellbar ist der Abschluss einer Versicherung, die aber auch nicht unbegrenzt zahlen könnte. Letztlich müssten also wieder die Staaten mit Steuergeld einspringen. Oder den Sparern und Einlegern wird mitgeteilt, dass nur ein Teil ihrer Forderungen erfüllt wird.

Laufend werden solide Finanzierungen zu „faulen Krediten“ erklärt

Abgesehen von den Gefahren, die sich aus der extrem hohen Staatsfinanzierung ergeben, sind die Kredite an Unternehmen und Private zu beachten. Diese werden allerdings im Gegensatz zu den Ausleihungen an „risikolose“ Staaten von der Aufsicht als besonders gefährlich gesehen werden.

- Hier erweist sich die Politik als besonders grotesk. Obwohl dieser Bereich die geringsten Ausfälle auslöst, behindern die in den vergangenen Jahren geschaffenen Regeln die traditionelle Kreditvergabe extrem. Am Rande angemerkt: Eine Milliarden-Spekulation kann eine Bank problemlos eingehen, ein Kredit über 30.000 Euro an einen Handwerker, der eine neue Maschine braucht, löst einen gigantischen Verwaltungsaufwand aus.

- Kreditnehmer, die auch nur die geringsten Probleme haben, werden in der Bonität herabgestuft, die Ausleihungen sind als gefährdet zu markieren. Dadurch werden Finanzierungen, die sich im normalen Auf und Ab der Geschäftsentwicklung bewegen, sehr leicht zu „faulen Krediten“.

- Auf diese Art wird künstlich ein Risiko-Potenzial geortet. Allerdings treiben die von der Aufsicht erzwungenen Restriktionen die Kunden in größte Schwierigkeiten. Im Endeffekt werden die Kredite tatsächlich zu gefährdeten Finanzierungen.

- In der langen Reihe der absurden Vorschriften ist die derzeit umgesetzte Auflage, die Banken müssen bei Probleme die Sicherheiten der Kreditnehmer rasch verwerten, der ultimative Schlag gegen das Kreditgeschäft.

Ohne ein funktionierendes Kommerzgeschäft, ohne private Kunden und ohne Staaten, die ihre Schulden in einem verkraftbaren Rahmen halten, gibt es kein funktionierendes Bankwesen. Und in der Folge keine Finanzierung der Volkswirtschaft, also auch keine Kreditzinsen, aus denen die Zinsen der Einleger bezahlt werden müssen. Aus den vielen Grotesken ergibt sich eine absurde Konsequenz: Die Aufseher haben natürlich recht, wenn die Banken kein Risiko übernehmen, können sie auch nicht pleitegehen und folglich kann man dann getrost eine europäische Einlagensicherung installieren. Nur gibt es dann keine Banken, da sie ohne Risiko zu finanzieren auch keinen Ertrag erwirtschaften.

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Ronald Barazon

                                                                            ***

Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er ist einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift „Der Volkswirt“ sowie Moderator beim ORF.

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