Beamte des britischen Geheimdienstes MI5, der dem Innenministerium des Landes untersteht, sowie ihre Informanten dürfen ungestraft töten und andere schwere Straftaten begehen, solange sie Polizei und Staatsanwaltschaft davon überzeugen können, dass ihr Handeln im öffentlichen Interesse gelegen hat. Dies wurde im Dezember vom Investigatory Powers Tribunal (IPT) entschieden, das als einziges britisches Gericht Klagen gegen Geheimdienste verhandelt und mit Richtern des Hohen Gerichtshofs besetzt ist.
Damit wurde das Verfahren bestätigt, das im März 2018 von der damaligen Premierministerin Theresa May öffentlich gemacht wurde. Doch das Urteil fiel denkbar knapp aus, da zwei der fünf Richter dagegen stimmten. Ihrer Ansicht nach gibt es keine rechtliche Grundlage dafür, MI5-Beamten die Beteiligung an einer Straftat zu genehmigen. Wenn man dies zulasse, könnte dies zu einem Machtmissbrauch führen. Es ist das erste Mal in der 20-jährigen Geschichte des IPT, dass eine abweichende Meinung veröffentlicht wurde.
Zwar hat es dem Urteil zufolge für den MI5 zu keinem Zeitpunkt eine Immunität vor Strafverfolgung gegeben, und dessen Beamten und Agenten müssten sich für Verbrechen vor dem Gesetz verantworten. Dabei könnten sie jedoch einer Verurteilung entgehen, wenn sie gegenüber den Strafverfolgungsbehörden nachweisen können, dass sie in gerechtfertigter Weise handelten und ihr Handeln im öffentlichen Interesse lag.
Geklagt hatten mehrere Menschenrechtsgruppen und dabei argumentiert, dass das bestehende Verfahren gegen britisches Recht und gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoße, da es die Begehung von Straftaten durch MI5-Agenten zulasse. Doch das Hohe Gericht wies die Klage ab und unterstützte das im März 2018 von Premierministerin May beschriebene Verfahren, wie der britische Telegraph berichtet.
In den von Theresa May veröffentlichten Richtlinien des Geheimdienstes heißt es, dass die Autorisierung eines Agenten keinen rechtlichen Status hat, sondern lediglich die Grundlage für die Rechtfertigung einer Entscheidung des Sicherheitsdienstes bildet, falls anschließend wegen einer Straftat ermittelt werden sollte. Weiter heißt es in den Richtlinien:
"Die Art der Arbeit des Dienstes ist so beschaffen, dass seine Agenten häufig beauftragt werden, über raffinierte Terroristen und andere Personen und Organisationen zu berichten. [...] Unter diesen Umständen kann es manchmal notwendig und verhältnismäßig sein, dass sich die Agenten an Straftaten beteiligen, um den Zugang zu Informationen zu sichern oder aufrechtzuerhalten, die zur Rettung von Leben oder zur Störung schwererer Straftaten genutzt werden können."
Bei der Verlesung des Urteils betonte Lord Justice Singh jedoch den Abschnitt in den Richtlinien, der anerkennt, dass jedes Verbrechen vor den Strafverfolgungsbehörden gerechtfertigt werden muss. Darin heißt es: "Insbesondere das Genehmigungsverfahren und die damit verbundenen Aufzeichnungen können die Grundlage für die Erklärung des Dienstes gegenüber den Strafverfolgungsbehörden bilden, dass eine Strafverfolgung nicht im öffentlichen Interesse liegt".
Die Mehrheitsentscheidung kommt zu dem Schluss, dass das Verfahren dem Geheimdienst eine "implizite Befugnis" gibt, sich an kriminellen Aktivitäten zu beteiligen, fügte aber hinzu: "Es ist wichtig zu verstehen, dass dies nicht bedeutet, dass er die Befugnis hat, seinen eigenen Beamten oder den von ihnen gehandhabten Agenten Immunität vor dem Straf- oder Zivilrecht zu verleihen". Der MI5 gebe nicht vor, eine solche Immunität zu gewähren, und sei dazu auch nicht befugt.
Die Mehrheitsentscheidung wird von den Geheimdiensten begrüßt werden, die befürchtet hatten, dass ihre Agenten durch die Furcht vor Strafverfolgung an der Ausübung ihrer Pflichten behindert werden könnten.
Die Kläger haben bereits angekündigt, gegen das Urteil Berufung einzulegen. Ilia Siatitsa von Privacy International sagte: "Das IPT hat entschieden, dass der MI5 seinen Informanten heimlich die Erlaubnis geben kann, in Großbritannien schwere Straftaten, einschließlich Gewalt, zu begehen. Aber zwei seiner fünf Mitglieder haben stark abweichende Meinungen abgegeben und versucht, grundlegende Standards der Rechtsstaatlichkeit aufrechtzuerhalten".