Deutschland

Bald nur noch 15 CDU-Landesverbände? - Bundesspitze erwägt Ausschluss von Thüringen

Nach der Wahl in Thüringen ist heftiger Streit innerhalb der CDU ausgebrochen. Einem Insider zufolge hat die Parteispitze sogar über den Ausschluss des ganzen CDU-Landesverbandes aus der Union diskutiert.
06.02.2020 14:53
Aktualisiert: 06.02.2020 14:53
Lesezeit: 3 min
Bald nur noch 15 CDU-Landesverbände? - Bundesspitze erwägt Ausschluss von Thüringen
CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sieht ihre Partei nach der Thüringen-Wahl in heftigem Streit. (Foto: dpa) Foto: Paul Zinken

Das politische Erdbeben in Thüringen reichte bis nach Südafrika: "Heute ist ein schlechter Tag für die Demokratie", meldete sich Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch aus der Hauptstadt Pretoria zu Wort. Sie kanzelte die thüringische CDU für die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zusammen mit den Stimmen der AfD zum neuen Ministerpräsidenten deutlich ab - und machte deutlich, dass die Ereignisse in Erfurt mehr sind als eine Provinzposse. Sie gefährden den Bestand der großen Koalition - und da greift auch Merkel ein, die noch in der Nacht mit CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer telefoniert hatte. Beide wissen nach Angaben aus Unionskreisen, dass die Wahl die CDU und auch die CDU-Vorsitzende in eine große Krise stürzen.

Denn nun brechen in der Partei ganz offen Spannungen aus, die sich seit Jahren vor allem im Osten aufgebaut hatten. Schon zu Zeiten der CDU-Chefin Merkel hatten sich mit der sogenannten Werte-Union am konservativen Rand und der Union der Mitte erstmals Flügel in der Partei herausgebildet, die sich unversöhnlich bekämpfen. Es gibt einen Grundsatzstreit, ob man verloren gegangene Wähler vor allem von den Grünen oder aber von der AfD zurückholen soll - wie dies Friedrich Merz, Kramp-Karrenbauers früherer Rivale um den Parteivorsitz, gerade wieder gefordert hat. Und aus mehreren Ost-Landesverbänden heißt es, man rätsele, wie man eigentlich mit den neuen Wahlergebnissen umgehen soll, die angesichts der traditionell starken Linken und nun der überproportional starken AfD die Koalitionsbildung sehr schwierig machen.

Bisher war dies ein Regionalthema. Aber die Wahl Kemmerichs mit den Stimmen von CDU und AfD ist nach Meinung Merkel ein "einzigartiger Vorgang", ein "Bruch" mit allen Werten und Prinzipien der CDU, weil man eben nicht gemeinsam mit der rechtspopulistischen AfD Politik gestalten will. Deshalb schrillten im Adenauer-Haus am Mittwoch die Alarmglocken, als die thüringische Landtagsfraktion eben genau diesen Weg ging.

Merkel und Kramp-Karrenbauer müssen nun sogar um die große Koalition kämpfen. Die SPD-Spitze hat gleich für Samstag zu einem Koalitionsgipfel geladen. Thüringens SPD fordert den Bruch der Koalition, sollte sich die CDU nicht überdeutlich von ihrem Landesverband distanzieren. Der lehnte Neuwahlen in Thüringen noch ab, kurz bevor es die ersten Meldungen gab, dass die FDP die Auflösung des Landtages beantragen werde. Wegen der Gefahr, dass nun die Groko-Kritiker in der SPD Oberhand gewinnen, betonte Merkel sogar von Pretoria aus, dass die Verurteilung durch die CDU- und CSU-Spitze schon am Mittwoch sehr eindeutig gewesen sein.

INSIDER - PARTEIAUSSCHLUSS VON CDU-POLITIKERN DISKUTIERT

Nur hilft die Rettung der Koalition Parteichefin Kramp-Karrenbauer wenig. Denn die Fronten in der CDU stehen sich immer unversöhnlicher gegenüber. Während die Bundes-CDU strikt jede Zusammenarbeit mit Linken und AfD ablehnt, verzweifeln einige Ost-Unionisten wie Thüringens Parteichef Mike Mohring, weil ihnen die Optionen ausgehen. Auch die Werte-Union stellte sich hinter die Wahl Kemmerichs. Schon der Gallionsfigur der Unions-Rechten, Hans-Georg Maaßen, war immer wieder unterstellt worden, dass er offen für ein Bündnis mit der AfD sei.

Wie groß die Besorgnis in der CDU-Spitze vor einer dauerhaften Beschädigung der Partei durch einen Dammbruch nach links oder rechts ist, zeigten die hektischen Beratungen am Mittwoch und Donnerstag hinter den Kulissen - und die drastischen Maßnahmen, die diskutiert wurden. Weil die CDU-Chefin den selbstbewussten Landesverbänden letztlich keine Anweisungen geben kann, wurde intern auch diskutiert, ob man einzelne Akteure in Erfurt aus der Partei ausschließen sollte, wie eine mit den Überlegungen vertraute Person sagte. Das Problem: Die ganze CDU-Fraktion hatte für Kemmerich gestimmt und gab sich auch am Donnerstag nicht schuldbewusst. Sogar ein Ausschluss des ganzen CDU-Landesverbandes aus der Union wurde in den Beratungen erwähnt, wie der Insider sagte. Das Problem hierbei: Dies würde die gesamte Statik der CDU in Deutschland verändern und Befürchtungen einer Abspaltung ostdeutscher Landesverbände noch befeuern.

"Kramp-Karrenbauer kann deshalb eigentlich kaum eine gute Wahl treffen. In Thüringen wie im Bund stecken wir in einer lose-lose-Situation", sagte deshalb ein Mitglied aus dem CDU-Bundesverband, das nicht genannt werden wollte. Der aufgebrochene Richtungsstreit in der CDU wird ausgerechnet in den Monaten weiter schwelen, in denen die Partei über die Kanzlerkandidatur der Union entscheiden muss. Kramp-Karrenbauer leidet hier ohnehin schon unter schlechten Umfragewerten. Und dann kündigte ihr Rivale Friedrich Merz ausgerechnet am Mittwoch an, dass er seinen Aufsichtsratsposten bei dem US-Vermögensverwalter Blackrock aufgeben wolle. Er wolle sich intensiver um die CDU kümmern, begründete er den Schritt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Frühere AfD-Chefin: Frauke Petry kündigt Gründung neuer Partei an - Alternative für die FDP?
11.05.2025

Die frühere Vorsitzende der AfD will vom kommenden Jahr an mit einer neuen Partei bei Wahlen antreten. Ziel der Partei soll sein, dass...

DWN
Immobilien
Immobilien Deutschlands Zukunft? Wohnquartiere als soziale Brennpunkte: Armut, Migration und Überalterung
11.05.2025

Armut, Migration, Wohnungsmangel, Überalterung und Einsamkeit: Immer mehr Wohnquartiere in Deutschland sind überfordert. Eine neue Studie...

DWN
Finanzen
Finanzen Ölpreis: OPEC-Konflikt eskaliert – Saudi-Arabien warnt vor Marktchaos
11.05.2025

Ein gefährlicher Riss geht durch die mächtige Allianz der OPEC-Plus-Staaten. Statt mit geschlossener Strategie die Preise zu...

DWN
Politik
Politik Kann Deutschland Europa retten? Der neue Koalitionsvertrag offenbart alte Schwächen
11.05.2025

Zum Europatag 2025 richtet sich der Blick erneut nach Berlin. Die Erwartungen an Deutschland sind hoch – nicht nur innerhalb der Union,...

DWN
Finanzen
Finanzen Börsenkrisen: Warum Volatilität kein Risiko ist
11.05.2025

Wenn die Börsen Achterbahn fahren, zittern viele Anleger. Doch Panik ist oft der schlechteste Berater – denn was aussieht wie ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Strategien für Krisenzeiten: Wie Sie jetzt Ihre Unternehmensleistung steigern
11.05.2025

Steigende Kosten, Fachkräftemangel, Finanzierungsdruck – viele KMU kämpfen ums Überleben. Doch mit den richtigen Strategien lässt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft USA vor Energieumbruch: Strom wird zum neuen Öl – und zur nächsten geopolitischen Baustelle
11.05.2025

Ein fundamentaler Wandel zeichnet sich in der US-Wirtschaft ab: Elektrizität verdrängt Öl als Rückgrat der nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bill Gates verschenkt Vermögen – Symbol einer neuen Weltordnung oder letzter Akt der alten Eliten?
11.05.2025

Bill Gates verschenkt sein Vermögen – ein historischer Akt der Großzügigkeit oder ein strategischer Schachzug globaler Machtpolitik?...