Wirtschaft

Vier-Stufen-Plan soll Corona-Virus eindämmen

Kann ein Vier-Stufen-Plan eine Pandemie verhindern?
12.03.2020 13:00
Lesezeit: 3 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..
Vier-Stufen-Plan soll Corona-Virus eindämmen
Lieber kein Händeschütteln: Die EU-Gesundheits-Kommissarin Stella Kyriakides und EU-Krisenmanagement-Kommissar Janez Lenarcic (r) legen zu Beginn eines außerordentlichen Treffens der EU-Gesundheitsminister in Brüssel zur Begrüßung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU, l) die Hands aufs Herz. Foto: Virginia Mayo

Die Folgen von COVID-19 (Corona-Virus) für die Weltwirtschaft sind hochgradig unsicher, aber potenziell katastrophal. Mit Stand 5. März hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) 85 Länder und Territorien mit aktiven COVID-19-Fällen identifiziert – gegenüber 50 Ländern in der Vorwoche. Mehr als 100.000 Erkrankungs- und mehrere Tausend Todesfälle wurden weltweit gemeldet, und diese Zahlen geben Umfang und Tragweite des Ausbruchs mit ziemlicher Sicherheit zu niedrig an.

Um zu verstehen, wie die Epidemie eine globale Rezession (oder Schlimmeres) verursachen könnte, braucht man nur in Adam Smiths berühmtes Standardwerk Der Wohlstand der Nationen, Buch I, Kapitel 3: „Die Größe des Marktes – eine Grenze für die Arbeitsteilung“, zu schauen. Bereits jetzt ist klar, dass die Pandemie einen negativen Angebotsschock auslösen könnte, falls die Zahl der verfügbaren Arbeitskräfte dadurch zurückgeht, dass Teile der Erwerbsbevölkerung an dem Virus erkranken oder an ihm sterben. Noch schlimmer ist, dass die unkontrollierte Furcht vor Ansteckung zur Unterbrechung wichtiger Lieferketten führen könnte. Die Medien schenken grenzübergreifenden Lieferketten, an denen China, Südkorea und andere stark betroffene Länder beteiligt sind, zwar bereits eine Menge Aufmerksamkeit, doch mit Verbindungen zu Unternehmen weltweit repräsentieren diese Zentren nur die Spitze des Eisbergs.

Zudem inländische Lieferketten genauso anfällig sind. Mit Verbreitung des Coronavirus werden die Verbindungen zwischen – zwischenzeitlichen und endgültigen – Käufern und Verkäufern in zunehmender Zahl gestört. Wichtiger noch, „die Größe des Marktes“ schrumpft, und der Nutzen der Arbeitsteilung – eine der wichtigsten Triebkräfte des „Wohlstands der Nationen“ – wird stetig begrenzt, weil mehr Ressourcen gebraucht werden, um das, was bisher billiger von anderswo importiert wurde, im Inland zu produzieren. Eine Rückkehr zur Subsistenz-Produktion oder Autarkie, und sei sie nur vorübergehend, würde enormen wirtschaftlichen Schaden verursachen.

Beispiel Großbritannien: Am 3. März veröffentlichte die britische Regierung einen „Aktionsplan“, der eine relativ schlüssige Strategie bei gleichzeitiger Bekämpfung der Krise im Bereich der öffentlichen Gesundheit zu enthalten schien. Die Verfasser sprechen sich darin für eine Reaktion mit vier aufeinanderfolgenden Stufen aus: Eindämmung, Verzögerung, Forschung, Abmilderung. Doch nach der Verbreitung des Coronavirus in China, Südkorea und anderen stark betroffenen Ländern zu urteilen, scheint die Chance des Vereinigten Königreichs auf eine Eindämmung vorbei zu sein. Allein am 4. März stieg die Zahl der COVID-19-Fälle im Land sprunghaft um 60 Prozent, und am nächsten Tag forderte das Virus sein erstes Todesopfer. Bei vielen der neuen Fälle (einschließlich dem des verstorbenen Patienten) war keine Auslandsreise im Spiel, was nahelegt, dass die Übertragung innerhalb der eigenen Bevölkerung bereits im Gange ist.

Damit ist das Vereinigte Königreich in der Phase der „Verzögerung“ angekommen, in der die Spitzenpriorität darin besteht, Infizierte frühzeitig zu ermitteln und zu isolieren. Eine erhöhte Sensibilisierung der Bevölkerung kann hier hilfreich sein. Ziel ist es, Zeit bis zur Ankunft der wärmeren Monate oder zur Entwicklung und zum breitflächigen Einsatz eines Impfstoffs (die Phase der „Forschung“) zu gewinnen.

Sobald die Epidemie im Vereinigten Königreich (und anderen Ländern, auf die der größte Teil des globalen BIP entfällt) Wurzeln geschlagen hat, sind wir voll in die Phase der „Abmilderung“ eingetreten, in der die Priorität darin besteht, unverzichtbare Dienstleistungen zu erbringen und besonderen Risikogruppen zu helfen. In dieser Phase ist die Gefahr nicht nur, dass das reale BIP langsamer wächst, sondern dass Leistung und Produktion aufgrund der Störung der bestehenden Kanäle für Markttransaktionen in einen deutlichen und anhaltenden Niedergang eintreten.

In diesem Szenario würde der ursprüngliche negative Angebotsschock rasch durch Nachfrageschocks verschärft. Der Rückgang der Gesamtnachfrage würde zunächst bei denen beginnen, die zu krank zum Arbeiten sind oder anderweitig an der Arbeit gehindert werden, und dann durch eine Ausweitung der Vorsorge-Ansparungen sowie einen Rückgang der Investitionsausgaben verstärkt werden. Und was noch schlimmer ist: Das neue Klima der Unsicherheit könnte – je nachdem, ob das Coronavirus zu einem wiederkehrenden Problem wird oder nicht – jahrelang anhalten.

Gesunden Unternehmen, die eigentlich gesund sind, deren Aufträge jedoch für Wochen oder sogar Monate einbrechen, könnte der Konkurs drohen. Angesichts der sowie schon äußerst niedrigen Zinsen sind weitere Zinssenkungen durch die Notenbanken jedoch keine tauglichen Instrumente, um die Probleme zu beheben. Stattdessen müssen die Notenbanken, Regulierungsbehörden und sonstigen Entscheidungsträger zu günstigen Bedingungen Kredite zur Verfügung stellen sowie Anreize für die Kreditgeber schaffen (oder diese anweisen), durch das Coronavirus in Mitleidenschaft gezogene Kreditnehmer solvent zu halten. Die Bilanzen der Notenbanken bieten die Mittel, um die Löcher in den Finanzen der Unternehmen und privaten Haushalte zu stopfen. Eine derartige Intervention wird unweigerlich eine gewisse Anzahl von Zombie-Firmen retten, die auch ohne die Epidemie pleite gegangen wären – dies ist jedoch ein zweitrangiges Problem, dessen Lösung man auf einen späteren Zeitpunkt verschieben sollte.

Abschließend sollten die Regierungen bereit sein, die Lohnfortzahlung für kranke und in Quarantäne befindliche Arbeitnehmer zu übernehmen. Und um den Mangel einer effektiven Nachfrage zu bekämpfen, können herkömmliche fiskalische Impulse (intelligent ausgerichtete öffentliche Ausgaben und Steuersenkungen) genutzt werden.

Tatsache ist, dass die Politik über die nötigen wirtschaftlichen Instrumente verfügt, um die durch das Coronavirus angerichteten Schäden zu minimieren. Fakt ist jedoch auch, dass selbst bei Umsetzung dieser Maßnahmen der Weltwirtschaft ein düsteres, mehr einer Depression als einer Rezession ähnelndes Szenario bevorstehen könnte.

Aus dem Englischen von Jan Doolan

Willem H. Buiter war Chefökonom der Citigroup und ist derzeit Gastprofessor an der Columbia University.



Copyright: Project Syndicate, 2020.

www.project-syndicate.org

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Schnappen Sie sich den COME Mining Cloud-Mining-Vertrag und starten Sie Ihre Mining-Reise ganz einfach mit einem stabilen Tageseinkommen von über 7.000 $

Bei unseren Recherchen zum Bitcoin-Mining stellten wir fest, dass das traditionelle Mining-Modell für die meisten Nutzer ungeeignet ist....

Willem H. Buiter

Willem H. Buiter ist außerordentlicher Professor an der renommierten Columbia University, ehemaliger Chef-Volkswirt des Finanzdienstleisters "Citigroup" und ehemaliges Mitglieder des geldpolitischen Ausschusses der Bank of England. Er ist sowohl britischer als auch amerikanischer Staatsbürger. 
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Überraschender Aufschwung: Chinas Exporte trotzen globalen Spannungen
14.10.2025

Chinas Außenhandel hat im September deutlich zugelegt und damit die Erwartungen der Analysten übertroffen. Trotz Handelskonflikten und...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis schlägt alle Anlageklassen: Warum Gold alles übertrifft
14.10.2025

Der Goldpreis hat in zwanzig Jahren alle Anlageklassen übertroffen. Inflation, Schulden und geopolitische Spannungen treiben die...

DWN
Politik
Politik Trump-Krise: Mit bizarrer Aussage offenbart der US-Präsident seine größte Schwäche
13.10.2025

Donald Trump gesteht erstmals einen historischen Fehler ein: Seine angebliche Freundschaft zu Wladimir Putin habe „nichts bedeutet“....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeitsmarkt kippt: Mehr Arbeitslose, weniger Stellen - Stellenabbau statt Fachkräftemangel
13.10.2025

Wirtschaftskrise bremst Neueinstellungen: Die aktuellen Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigen, dass der...

DWN
Finanzen
Finanzen Broadcom-Aktie hebt ab: Neuer KI-Deal mit OpenAI beflügelt den Aktienkurs – Analysten warnen
13.10.2025

Ein neuer Milliarden-Deal mit OpenAI lässt die Broadcom-Aktie in die Höhe schnellen – doch Insiderverkäufe und Marktunsicherheiten...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Commerzbank-Aktie: Konzern kommt beim Stellenabbau schneller voran als geplant
13.10.2025

Die Commerzbank erzielt beim Abbau von rund 3.300 Arbeitsplätzen in Deutschland deutliche Fortschritte. Nach Angaben des Betriebsrats ist...

DWN
Panorama
Panorama Teure Lifte, volle Pisten: Skifahren bleibt trotz Preisplus beliebt
13.10.2025

Die Preise für Skipässe in den Alpen ziehen an – in Österreich um etwa vier Prozent, mancherorts noch mehr. Doch die Lust auf Schnee...

DWN
Politik
Politik Bundesnachrichtendienst warnt: Mögliche verschärfte Krise mit Russland
13.10.2025

BND-Präsident Martin Jäger zieht eine ernste Bilanz der Sicherheitslage: Eine „heiße Konfrontation“ mit Russland sei jederzeit...