Finanzen

Großbritannien veröffentlicht gefälschte Arbeitslosenraten, Wirtschaft bricht massiv ein

Die britische Wirtschaft ist im zweiten Quartal schwer eingebrochen. Währenddessen veröffentlicht das Statistikamt eine Arbeitslosenrate, von der jeder weiß, dass sie die Wirklichkeit nicht abbildet.
12.08.2020 08:44
Aktualisiert: 12.08.2020 08:44
Lesezeit: 2 min
Großbritannien veröffentlicht gefälschte Arbeitslosenraten, Wirtschaft bricht massiv ein
Premierminister Boris Johnson. (Foto: dpa) Foto: Matthew Horwood

Die britische Wirtschaft ist im Frühjahr wegen der Corona-Pandemie in Rekordtempo abgestürzt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) brach von April bis Juni um 20,4 Prozent zum Vorquartal ein, wie das Statistikamt am Mittwoch in London mitteilte. Kein anderes großes Industrieland hat ein so großes Minus gemeldet. Zum Vergleich: Die deutsche Wirtschaft schrumpfte im zweiten Quartal mit 10,1 Prozent nur etwa halb so stark. Da die britische Wirtschaft bereits im vorangegangenen Vierteljahr schrumpfte, befindet sie sich nun auch offiziell in der Rezession.

Die Pandemie hat Großbritannien besonders stark zugesetzt: Bislang wurden der Johns Hopkins University zufolge 313.394 Infektionen festgestellt, 46.611 starben an Covid-19. Die Regierung von Premierminister Boris Johnson hatte nach anfänglichem Zögern einen harten Lockdown durchgesetzt, der weite Teile der Wirtschaft zum Erliegen brachte.

Inzwischen gibt es aber auch Signale, dass die sechstgrößte Volkswirtschaft der Welt mit der Aufhebung vieler Beschränkungen wieder wächst. Im Juni allein legte sie um 8,7 Prozent zum Mai zu, wie das Statistikamt betonte. "Die Wirtschaft begann sich im Juni zu erholen", sagte Jonathan Athow vom Office for National Statistics. "Trotzdem liegt das BIP immer noch ein Sechstel unter dem Niveau vom Februar, bevor das Virus zuschlug."

Nach Prognose der britischen Notenbank wird das Bruttoinlandsprodukt dieses Jahr insgesamt um 9,5 Prozent fallen - ein Konjunktureinbruch, wie ihn Großbritannien seit rund 100 Jahren nicht mehr erlebt hat. Nächstes Jahr soll dann ein Wachstum von neun Prozent folgen.

Zahl der Beschäftigten bricht ein, Arbeitslosenrate bleibt dieselbe

Die Corona-Rezession hat im Frühjahr so viele Jobs in Großbritannien ausradiert wie seit der Finanzkrise 2009 nicht mehr. Die Zahl der Beschäftigten fiel von April bis Juni um 220.000, wie das Statistikamt am Dienstag in London mitteilte. Dabei gaben so viele Selbstständige auf wie nie zuvor, während die Zahl der Angestellten zunahm. Die Arbeitslosenquote blieb mit 3,9 Prozent unverändert. Allerdings haben viele Briten die Jobsuche aufgegeben und wurden deshalb nicht als arbeitslos registriert. Zudem gaben etwa 300.000 Personen an, dass sie beschäftigt waren, obwohl sie nicht arbeiteten und keinen Lohn erhielten - was bedeutet, dass die offizielle Arbeitslosenrate zu niedrig angesetzt ist.

"Mir war immer klar, dass wir nicht jeden Arbeitsplatz schützen können", sagte Finanzminister Rihsi Sunak. Die Hilfsprogramme der Regierung würden aber wirken. Dadurch werde sichergestellt, "dass niemand ohne Hoffnung bleibt". Die Notenbank geht davon aus, dass sich die Arbeitslosenquote bis Jahresende auf 7,5 Prozent in etwa verdoppeln könnte.

Die Notenbank kündigte eine noch stärkere Unterstützung der Wirtschaft für den Fall an, dass sich die Konjunktur weiter abschwächt. Sollte es Anzeichen für eine "Dysfunktion" der Märkte geben, werde man handeln, sagte der stellvertretende Gouverneur Dave Ramsden der "Times". Die BoE habe noch deutlichen Spielraum. Die sei darauf vorbereitet, dann mehr als die bislang veranschlagten 745 Milliarden Pfund (830 Milliarden Euro) in die Wirtschaft zu pumpen. Wichtig sei, wie sich der Arbeitsmarkt entwickele. Einige Unternehmen würden die Krise nicht überstehen, und es würden Jobs verloren gehen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

DWN
Politik
Politik „Choose Europe“: Brüssel will Gründer mit Kapital halten
31.05.2025

Die EU startet einen neuen Wachstumsfonds, der Start-ups mit Eigenkapital unterstützen und in Europa halten soll. Doch Geld allein wird...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Energiewende umgekehrt: US-Firmen fliehen vor Trumps Klimapolitik – nach Europa
31.05.2025

Während Trump grüne Fördermittel in den USA kürzt, wendet sich die Clean-Tech-Branche von ihrer Heimat ab. Jetzt entstehen in Europa...

DWN
Politik
Politik Ärztepräsident warnt vor „Versorgungsnotstand“
31.05.2025

Ärztepräsident Klaus Reinhardt warnt vor Beeinträchtigungen im medizinischen Netz für Patienten, wenn nicht bald Reformen zu mehr...

DWN
Finanzen
Finanzen Gesetzliche Erbfolge: Wer erbt, wenn es kein Testament gibt
31.05.2025

Jeder kann selbst bestimmen, wer seine Erben sein sollen. Wer das allerdings nicht durch ein Testament oder einen Erbvertrag regelt und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Datensammeln ohne Richtung: Warum der falsche Analyst Ihrem Unternehmen schadet
31.05.2025

Viele Unternehmen sammeln Daten – doch ohne den richtigen Analysten bleiben sie blind. Wer falsche Experten einsetzt, riskiert...

DWN
Panorama
Panorama Umfrage: Vielen Bädern fehlt das Personal
31.05.2025

Viele Bäder in Deutschland haben laut einer Umfrage mit Personalengpässen zu kämpfen. So hatten 38 Prozent der befragten Hallen- und...

DWN
Finanzen
Finanzen Trump plant Milliardeninvestition in Bitcoin und andere Kryptowährungen
31.05.2025

Donald Trump will Bitcoin zur Staatsangelegenheit machen – mit Milliarden-Investitionen seiner Mediengruppe. Während der Markt jubelt,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinas Monopol auf Seltene Erden wankt – doch der Westen zahlt den Preis
31.05.2025

China kontrolliert die Welt der Seltenen Erden – und lässt Konkurrenz nur zu ihren Bedingungen zu. Neue Minen entstehen, doch ihre...