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Wieder illegales Rennen auf Berliner Kudamm: Zwei Schwerverletzte, Täter flüchten zu Fuß

Erneut hat es auf dem Berliner Kudamm einen schweren Verkehrsunfall mit Flucht gegeben. Offenbar handelte es sich um ein illegales Rennen mehrerer Autos.
01.09.2020 10:57
Aktualisiert: 01.09.2020 10:57
Lesezeit: 3 min
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Wieder illegales Rennen auf Berliner Kudamm: Zwei Schwerverletzte, Täter flüchten zu Fuß
Ein Blaulicht der Polizei. (Foto: dpa) Foto: Friso Gentsch

Die Front des silbernen Kleinwagens wurde durch den heftigen Aufprall zerstört, die Windschutzscheibe ist zersplittert, die leeren Airbags hängen im Wageninneren: Bei einem schweren Unfall auf dem Berliner Kurfürstendamm vermutlich nach einem illegalen Rennen sind eine 45-jährige Autofahrerin lebensgefährlich und ihre 17-jährige Tochter schwer verletzt worden. Ihr Kleinwagen wurde von einem schweren BMW gerammt und auf die Seite gekippt. Den heftigen Zusammenstoß sollen laut Zeugenaussagen Raser verursacht haben, die sich auf der berühmten Einkaufsmeile im Berliner Westen ein illegales Rennen lieferten.

Gegen 21.20 Uhr am Montagabend fuhren die beiden Frauen laut Polizei auf dem Ku'damm stadteinwärts. Am Lehniner Platz, bekannt durch das Theater Schaubühne, wollten sie nach links abbiegen. Auf der Kreuzung krachte der BMW so heftig in den kleineren Ford, dass Trümmerteile weit durch die Luft flogen und unbeteiligte Spaziergänger verletzten. Ob der BMW so schnell fuhr, dass die Fahrerin ihn zu spät sah, stand zunächst nicht fest. Die Frau musste von Sanitätern und einem Notarzt der Feuerwehr wiederbelebt werden, bevor sie zusammen mit ihrer Tochter ins Krankenhaus gebracht wurde.

Der Aufprall war so stark, dass auch der vordere linke Teil des BMW aufgerissen und deformiert wurde, der Wagen zur Seite schleuderte und gegen drei weitere Autos prallte. Insgesamt wurden acht Autos beschädigt. Die Insassen des BMW flüchteten zu Fuß. Zeugen hatten den Unfall beobachtet. Nach ihren Aussagen soll sich der Fahrer des BMW ein illegales Rennen mit zwei weiteren Autos geliefert haben. Auch diese beiden Fahrer flüchteten - allerdings mit ihren Autos.

Gerade auf dem Berliner Kurfürstendamm kommt es immer wieder zu spontanen Autorennen zwischen jungen Männern in hochmotorisierten Sportwagen oder Limousinen. Ein tödlicher Unfall am 1. Februar 2016 beschäftigte jahrelang die höchsten deutschen Gerichte. Zwei junge Männer begannen damals - nur wenige Meter vom aktuellen Unfallort entfernt - ein Rennen. Mit bis zu 160 Stundenkilometern rasten sie 1,5 Kilometer weit über rote Ampeln bis einer von ihnen auf der Tauentzienstraße nahe dem Kaufhaus KaDeWe einen kleinen Jeep rammte. Der Wagen wurde 70 Meter weit geschleudert, der 69 Jahre alte Fahrer starb.

Im Februar 2017 verurteilte das Landgericht beide Männer als Mörder. Es war das erste Mordurteil gegen Autoraser in Deutschland. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hob es ein Jahr später wegen Rechtsfehlern auf, der Prozess begann von vorn. Im Juni bestätigte der BGH ein erneutes Mordurteil des Landgerichts gegen den Unfallfahrer. Der Fall des zweiten Angeklagten wird neu verhandelt.

Verurteilungen wegen Mordes nach Autoraser-Unfällen sind selten. Härtere Urteile gibt es aber inzwischen, weil das Gesetz 2017 verschärft wurde und Autorennen nun eine Straftat sind. Dafür gibt es bis zu zwei Jahren Gefängnis - und bis zu zehn Jahre, wenn jemand schwer verletzt oder getötet wird. Dabei muss es sich nicht zwingend um ein Rennen zwischen zwei Autos handeln. Nach dem Gesetz kann auch ein Fahrer bestraft werden, der alleine «grob verkehrswidrig und rücksichtslos» rast, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen.

Die Rennen entstehen oft zufällig und spontan. Zwei junge Männer warten mit ihren auffälligen Wagen nebeneinander an Ampeln. Man sieht hinüber, macht ein paar Gesten oder Zeichen - dann geben beide Gas, bis einer aufgibt. Oder es im schlimmsten Fall kracht.

Nach einer Umfrage vom Sommer zählte die Polizei in neun Bundesländern im vergangenen Jahr rund 1900 Fälle von Rennen und Rasern. Oft waren es auch Verfolgungsjagden, bei denen Verdächtige mit Autos vor der Polizei flüchteten. Besonders auffällig war Berlin. Zwar lag Nordrhein-Westfalen mit 659 Fällen an der Spitze - nicht überraschend bei Deutschlands größtem Bundesland. Das kleine Land Berlin folgte jedoch schon auf Platz zwei mit 390 Raser-Fällen, vor Bayern (294) und Baden-Württemberg (252).

Polizei und Staatsanwälte in der Hauptstadt stellen immer wieder fest: Die Raser sind meist männlich und zwischen 20 und 30 Jahre alt. Und sie lieben ihre schnellen Autos. Am meisten zeigen sie sich schockiert, wenn die Polizei Führerschein und Auto beschlagnahmt, wie ein Staatsanwalt berichtet. Wobei viele der Täter und Verdächtigen gerne in geleasten oder gemieteten Autos mit hohen PS-Zahlen unterwegs sind - auch um sich vor Zugriffen von Polizei und Staatsanwaltschaft auf illegal erworbenes Vermögen zu schützen.

Die Berliner Polizei fahndet nun nach dem Unfallfahrer und den anderen Beteiligten. Sie sucht dringend weitere Zeugen des mutmaßlichen Rennens, die sich eine Automarke oder ein Nummernschild gemerkt haben oder Insassen der Fahrzeuge kennen. Am Dienstag fragte sie: «Wer kann Angaben zu der Fahrerin oder dem Fahrer sowie weiteren Insassen des BMW machen? Wo halten sie sich derzeit auf?»

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