Weltwirtschaft

Wegen Corona: Schienenverkehr auf Chinas Neuer Seidenstraße erlebt einen Boom

Lesezeit: 6 min
04.01.2021 13:45
Die Corona-Pandemie hat den Luft-, See- und Straßentransport zum Erliegen gebracht. Doch der Schienenverkehr erlebt einen Boom.
Wegen Corona: Schienenverkehr auf Chinas Neuer Seidenstraße erlebt einen Boom
Die Bahnverbindungen der Neuen Seidenstraße. (Grafik: Nunner Logistics)

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Das Jahr 2020 begann mit den besten Verkehrsdaten auf der Neuen Seidenstraße. Die Situation änderte sich jedoch drastisch gegen Ende Januar/Anfang Februar 2020, als China den ersten Lockdown in Wuhan und die Verschiebung des Schienengüterverkehrs ankündigte. Der gesamte Schienengüterverkehrssektor erwartete eine Abwärtsspirale, da die Schließung der Grenzen nichts anderes bedeuten konnte als geringere Zugfahrten und massive finanzielle Verluste. Die Gesamtwirkung von Corona auf den Luft-, See- und Straßentransport kam jedoch letztendlich dem Schienengüterverkehr zugute, anstatt ihn zu zerstören. Eine Fracht kann per Bahnlinie doppelt so schnell wie über den Seeweg versendet werden. Zudem ist der Bahntransport wesentliche günstiger als der Transport auf dem Luftweg.

Der Luftfrachtverkehr gehörte zu den am stärksten betroffenen Handelssektoren. Passagierflüge wurden in der Mehrzahl gestrichen, und folglich wurden die Frachtkapazitäten drastisch reduziert. Die Preise für den Transport von Produkten auf dem Luftweg stiegen aufgrund des Platzmangels sprunghaft an.

Diese Entwicklung veranlasste zahlreiche Verlader, nach praktikablen und effizienten Alternativen für den Transport ihrer Waren über eurasische Korridore zu suchen. Der Schienengüterverkehr war zur Stelle, um diese herausfordernde Mission zu erfüllen. Flugzeuge saßen am Boden fest, während Lastwagen aufgrund zahlreicher Einschränkungen keine Grenzen überschreiten durften. Züge waren daher die optimale Wahl.

Die sogenannte Verlagerung auf den Schienenverkehr in den ersten Monaten des Jahres 2020 brachte dem Sektor große Vorteile. Der Schienengüterverkehr verzeichnete einen deutlichen Anstieg des Transportvolumens und des Verkehrs zwischen Europa und China. So gab die russische Eisenbahngesellschaft bekannt, dass sich der Containerverkehr im Jahr 2020 verdoppelt hat. „China Railways“ hatte im Jahr 2020 einen Anstieg von etwa 3.000 Zügen verzeichnet, wobei die Gesamtzahl der Züge im eurasischen Verkehr 12.000 beträgt.

In Ländern wie Kasachstan und der Mongolei wurden riesige Mengen an Gütern transportiert. Kasachstan gehört auch zu den Ländern, aus denen der „Mittlere Korridor“ besteht. Zusammen mit Aserbaidschan und Georgien bieten das Land eine Alternative zur noch nicht stark belebten Route für den eurasischen Verkehr. Zu den weiteren Ländern, die im Rahmen der Neuen Seidenstraße eine große Aufmerksamkeit erregt haben, gehören die Türkei, der Iran, Usbekistan und Afghanistan.

Am 4. Dezember 2020 fuhr der erste Zug von der Türkei aus nach China, um Waren zu transportieren. Das türkische Außenministerium teilte mit, dass der Zug dem transkaspischen Ost-West-Mittelkorridor über die 8.693 Kilometer lange Eisenbahnlinie Baku-Tiflis-Kars folgen werde. Er werde dabei zwei Kontinente, zwei Meere und fünf Länder passieren, bis er nach zwölf Tagen in China ankommt.

Am 21. Dezember 2020 teilte „The Daily Sabah“ zusätzlich mit: „Der zweite Zug mit Waren aus der Türkei fuhr am Sonntagabend nach China, teilte das Verkehrs- und Infrastrukturministerium am Montag mit. Mit 1.400 Kühlschränken in 42 Containern fuhr der Zug am Sonntag um 19:05 Uhr Ortszeit vom Bahnhof Çerkezköy in der nordwestlichen Provinz Tekirdağ ab und fuhr am frühen Montag unter dem Bosporus durch den Istanbuler Marmaray-Tunnel. Der Zug wird durch die nordwestliche Provinz Kocaeli, die Hauptstadt Ankara, die zentrale Provinz Sivas und die östliche Provinz Kars fahren, bevor er vom Bahnhof Akhalkalaki in Georgien die türkischen Grenzen überquert. Der Zug wird dann durch Georgien, Aserbaidschan, das Kaspische Meer und Kasachstan reisen, um Xi'an, die Hauptstadt der Provinz Shaanxi in Zentralchina, zu erreichen. Er folgt dem transkaspischen Ost-West-Mittelkorridor mit der Eisenbahnlinie Baku-Tiflis-Kars (BTK).“

Im Jahr 2020 haben zahlreiche europäische Städte Verbindungen zu chinesischen Drehkreuzen aufgenommen. Dazu zählen die Städte Lüttich, Amsterdam und auch britische Häfen.

In Bezug auf Transitziele und Verkehrstore betrifft die wichtigste Entwicklung jedoch Polen und die Ukraine. Überlastungen an Grenzübergängen wie die von Brest/Malaszewicze führten zur Suche nach alternativen Zugangswegen in Europa. Die Route über die Ukraine stellt eine Verbindung mit großem Potenzial dar, die in der Vergangenheit aufgrund politischer Probleme blockiert wurde.

Eine noch interessantere alternative Route im Jahr 2020 stellte die Route über die russische Enklave Kaliningrad dar. Ab 2017 wurde sie als alternative Route zum Hauptkorridor Brest - Terespol eröffnet (Güterzüge fahren nach der Überquerung von Belarus durch Litauen). Kaliningrad trug 2020 am meisten zur Entlastung der Grenzen bei. Von der Enklave aus gibt es mehrere Möglichkeiten für den weiteren Transport. Das Gebiet liegt an der Ostsee. Vom Seehafen aus wird Fracht auf Feederschiffen zu Zielen in Skandinavien, Benelux oder Großbritannien verladen. Aber auch Züge fahren über Kaliningrad zu Hubs wie Duisburg. Einige bemerkenswerte Strecken sind: Chengdu-Rotterdam, Kaliningrad-Rostock-Verona und der Xi'an-Neuss Express, der die bisher schnellste Eisenbahnverbindung zwischen China und Deutschland darstellt, so die Zeitung „Global Times“, die das Medienorgan der Kommunistischen Partei Chinas ist.

Zu den negativen Beobachtungen in Bezug auf die Neue Seidenstraße im Jahr 2020 gehörte das Ungleichgewicht der vollen Container von und nach China. Auch nach der ersten Welle der Pandemie war das Export/Import-Gleichgewicht zwischen Europa und China gestört. Insbesondere im November 2020 schickte China ungefähr zehn volle Züge pro Woche nach Europa. Auf der anderen Seite überstiegen die Züge in Richtung Osten nicht die Anzahl von zwei pro Woche.

Nicht nur die Anzahl der Züge in Richtung Osten war erheblich geringer, sondern auch die Kapazitäten waren differenziert. In vielen Fällen waren die Container nicht voll. In der Tat kehrten die Container leer nach China zurück und oftmals kehrten sie überhaupt nicht zurück. Infolgedessen litt China unter einem starken Mangel an Containern, während die europäischen Häfen sie gleichzeitig auffüllten. Diese Situation wirkte sich auch auf die Kosten im Zusammenhang mit der Verwendung von Containern aus.

In Bezug auf die Zukunft der Neuen Seidenstraße lassen sich zwei Aspekte erkennen. Der erste Aspekt betrifft die Politik, während der zweite Aspekt den technologischen und regionalen Fortschritt betrifft. Die EU erkennt an, dass China ein wesentlicher Handelspartner Europas ist. Gleichzeitig fordert die EU von China, sich an die Maßgaben von Transparenz, Nachhaltigkeit und gleiche Wettbewerbsbedingungen zu halten.

Darüber hinaus bilden Interoperabilität, Digitalisierung und eine verbesserte Infrastruktur der regionalen Ziele die Hauptziele des Eisenbahnsektors. Die Bedeutung wettbewerbsfähiger und robuster Transitziele auf und um die Neue Seidenstraße wird häufig diskutiert. Viele Eisenbahnunternehmen, Logistikunternehmen und Verlader haben erkannt, dass es für alle von Vorteil ist, die Verbindungen und die Infrastruktur zwischen regionalen Ländern zu verbessern, die derzeit keine zentrale Position im eurasischen Handel einnehmen, berichtet „Railfreight.com“.

Ein solcher Ansatz könnte sich in vielerlei Hinsicht als vorteilhaft erweisen. Erstens und wie oben erwähnt, können verschiedene Routen und Transportmöglichkeiten dazu beitragen, optimale und schnelle Verbindungen zwischen dem Westen und dem Osten zu organisieren. Eine solche Entwicklung könnte Geld und Zeit sparen und auch dazu beitragen, häufigere Zugreisen einzurichten. Darüber hinaus könnte der daraus resultierende Wettbewerb dazu beitragen, Monopole zu vermeiden und gleiche Bedingungen für alle wirtschaftlichen Akteure zu schaffen.

All dies könnte durch die Implementierung digitaler und interoperabler Technologien auf den Strecken der Neuen Seidenstraße weiter verbessert werden. Die Erleichterung der Operationen kann sicherlich dazu beitragen, dass die Transitländer wachsen und Störungen vermieden werden. In Kombination mit den richtigen rechtlichen Rahmenbedingungen könnte die Neue Seidenstraße in den folgenden Jahren noch mehr florieren und einen größeren Anteil am eurasischen Verkehr beanspruchen.

Eine wichtige Rolle bei der Unterstützung der Neuen Seidenstraße spielen mittlerweile Großbritannien und die Türkei. Beide Länder formen derzeit eine Allianz, um die Neue Seidenstraße vor wirtschaftlichen und militärischen Sabotageakten zu schützen.

Die Neue Seidenstraße hat sowohl einen See- als auch einen Landweg. Der Landweg beginnt im chinesischen Xian und verläuft über Zentralasien nach Duschanbe in Tadschikistan. Von da aus verläuft die Route über Turkmenistan, den Iran, Nordirak, Nordostsyrien, Türkei, Bulgarien, Rumänien, Ukraine, Russland (Moskau), Weißrussland, Polen, Deutschland und die Niederlande (Rotterdam). Von Rotterdam aus verläuft die Route durch Österreich bis nach Italien (Venedig). Der Seeweg beginnt im chinesischen Fuzhou und verläuft von da aus nach Jakarta. Ab Jakarta geht es weiter nach Colombo in Sri Lanka, Kolkata in Indien und von da aus nach Nairobi in Äthiopien. Von Nairobi aus erstreckt sich der Seeweg über den Golf von Aden und den Suezkanal nach Athen und dann nach Italien. Die Seeroute endet in Venedig und trifft dort mit der Landroute der neuen Seidenstraße zusammen.

Um das Projekt vollständig umsetzen zu können, investiert China in den 65 Ländern, die die Neue Seidenstraße umfasst, in den Ausbau der Infrastruktur, in das Transportwesen und in die Energiewirtschaft. Nach Angaben der Financial Times könnte sich das Investitionsvolumen im Zusammenhang mit der Neuen Seidenstraße auf über 900 Milliarden US-Dollar erstrecken. Die Neue Seidenstraße habe das Potenzial, eine “globale Lücke” im Bereich der Infrastruktur zu schließen. Zudem könnte das Projekt das Wachstum in den Entwicklungsländern unterstützen und gleichzeitig den Handel ankurbeln.

Duisburg spielt, wie bereits erwähnt, eine große Rolle beim chinesischen Projekt zur Neuen Seidenstraße. Metropole Ruhr berichtet: „Über die 11.000 km lange Zugverbindung zwischen Ostasien und Duisburg lassen sich Waren umweltfreundlich, schneller als mit Containerschiffen und kostengünstiger als per Luftfracht transportieren. Vom größten Binnenhafen der Welt können sie optimal innerhalb Europas verteilt werden. Und wenn der Export mal schneller gehen muss, sind auch die großen deutschen Flughäfen nicht weit entfernt. Duisburg liegt am Ende der neuen Seidenstraße und wird gerade das Eingangstor für chinesische Unternehmen, die sich für den Investitionsstandort Metropole Ruhr interessieren.“

Das Konfuzius-Institut Metropole Ruhr führt aus: „Durch die direkte Verbindung nach China hofft man im Ruhrgebiet auf chinesische Investitionen und Unternehmensansiedlungen, auf eine Vitalisierung der Industrie, der Dienstleistungen und des Arbeitsmarktes (beispielsweise durch den Ausbau des Logports). Längerfristig ist denkbar, dass Personenzüge die neue Strecke nutzen. Das könnte den kulturellen Austausch weiter beflügeln und den Ausbau des Tourismus voranbringen.“

Nach Angaben des China Business Network Duisburg (CBND) sollen bis 2020 jährlich 3.000 Züge zwischen Duisburg und der Hauptstadt der Provinz Sichuan verkehren.

Der Hauptgeschäftsführer der IHK Niederrhein, Dr. Stefan Dietzfelbinger, reiste im Dezember mit einer Delegation nach Peking. Dietzfelbinger sagte: „Die neue Seidenstraße eröffnet der Wirtschaft am Niederrhein hervorragende Kooperationsmöglichkeiten mit Unternehmen und Investoren in China. Durch diese Zugverbindung ist das Logistikdrehkreuz in Duisburg auch international in den Fokus gerückt“.


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