Im August 2016 hatte die Bundesregierung die Bevölkerung aufgefordert, sich mit Nahrungsmitteln und Bargeld einzudecken. Die Nachrichtenagentur AFP teilte damals mit: „Zum ersten Mal seit dem Ende des Kalten Krieges will die Bundesregierung die Bevölkerung einem Bericht zufolge wieder zum Anlegen von Vorräten animieren, damit sie sich im Fall einer Katastrophe oder eines bewaffneten Angriffs vorübergehend selbst versorgen kann. ,Die Bevölkerung wird angehalten, einen individuellen Vorrat an Lebensmitteln von zehn Tagen vorzuhalten‘, zitierte die ,Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung‘ aus einem Konzept für die zivile Verteidigung, das die Regierung am Mittwoch beschließen wolle. Dem Bericht zufolge soll die Bevölkerung im Notfall zum Selbstschutz fähig sein, bevor staatliche Maßnahmen anlaufen, um eine ausreichende Versorgung mit Lebensmitteln, Wasser, Energie und Bargeld sicherzustellen.“
Die SPD gab damals einen entsprechenden Hinweis und sagte, die Deutschen seien „neuartigen Gefahren“ ausgesetzt. All diese vorgeschlagenen Maßnahmen hatten damals einen Bezug zur Kriegs- und Terrorgefahr. Doch die aktuelle Pandemie verfügt zumindest über die wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Auswirkungen einer kriegerischen Auseinandersetzung, weshalb beispielsweise Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im März 2020 gesagt hatte: „Wir befinden uns im Krieg“. Der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger hatte zu Beginn der Corona-Pandemie gesagt, dass die Menschen sich nach der Pandemie auf eine neue Weltordnung einstellen müssen. Das Pandemie-Jahr 2020 verglich er mit dem Jahr 1944 – als die Ardennen-Offensive der deutschen Streitkräfte gegen die Alliierten stattfand (HIER). Der Gouverneur von New York, Andrew Cuomo, teilte vor wenigen Tagen mit, dass der Kampf gegen das Virus oberste Priorität habe. „Weil wir uns im Krieg befinden. Ein Krieg, der Anfang letzten Jahres begann, als wir vom COVID-Virus überfallen wurden. Und ein Krieg, der bis heute andauert“, so Cuomo.
Europa ist an einem großen Stromausfall vorbeigeschrammt
Diese Aussagen zogen viel Kritik nach sich. Trotzdem verdeutlichen sie den Ernst der Lage. Und zwar insbesondere, wenn es um die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie-Maßnahmen geht. Warum die Bundesregierung nun besonders vorsichtig und schnell handeln muss, hat folgenden Hintergrund:
„Am vergangenen Freitag, dem 8. Januar 2021, ist das europäische Stromverbundnetz nur knapp an einem großflächigen Zusammenbruch vorbei geschrammt. Gegen 13.04 Uhr kam es zu einem starken Frequenzabfall, der Europa hätte lahmlegen können. Ursache war offenbar ein Stromausfall in Rumänien. Nach Einschätzung des österreichischen Blackout-Experten Herbert Saurugg war es die bislang zweitschwerste Großstörung im europäischen Verbundsystem“, hatten die Deutschen Wirtschaftsnachrichten berichtet (HIER).
Am 9. Januar 2021 hatte die dpa gemeldet: „In mehreren pakistanischen Städten ist aus noch ungeklärter Ursache der Strom ausgefallen. Das Stromnetz der staatlichen Netzgesellschaft sei betroffen, wie das Energieministerium in der Nacht zu Sonntag (Ortszeit) bekannt gab. Tausende Nutzer sozialer Netzwerke berichteten von Stromausfällen in den großen Städten Pakistans, darunter auch Lahore und Karachi. Pakistans Energieminister, Omar Ayub Khan, rief auf Twitter dazu auf, Ruhe zu bewahren. Grund für den umfangreichen Stromausfall sei ein plötzlicher Abfall der Netzfrequenz gewesen. Man arbeite daran, den Fehler zu finden, schrieb der Minister weiter.“
Aus beiden Ereignissen folgt, dass es im Verlauf der aktuellen Pandemie eine reale Gefahr von großen Stromausfällen gibt. Diese können nicht nur durch vorübergehende Defekte, sondern auch durch Cyber-Angriffe ausgelöst werden. „Die COVID-19-Pandemie hat sowohl die physische Welt als auch den digitalen Raum verändert, in dem Unternehmen und Organisationen mit gewaltigen Herausforderungen im Bereich der Cybersicherheit konfrontiert sind, für die nur wenige bereit oder gerüstet waren. Aufgrund der radikalen Veränderung der Arbeitsbedingungen stehen Cyberangriffe und Datenbetrug nun an dritter Stelle unter den größten Sorgen der Wirtschaftsführer, wie im COVID-19 - Risikoausblick des Weltwirtschaftsforums berichtet wird“, teilt das Weltwirtschaftsforum (WEF) in einer Mitteilung mit.
„Cyberangriffe auf kritische Energieinfrastrukturen stellen ein Risiko für Energiesysteme, Volkswirtschaften und das Wohl der Gesellschaft dar. Der Macht- und Kontrollverlust in einer großen Region über einen längeren Zeitraum würde schwerwiegende Auswirkungen auf Unternehmen, Regierungen und Gesellschaften im weiteren Sinne haben. In den letzten zehn oder mehr Jahren hat die Elektrizitätsindustrie eine rasche und transformative Digitalisierung ihres Ökosystems durchlaufen, die für die Gewährleistung der Zuverlässigkeit und Kontinuität der Stromversorgung während der Pandemie von entscheidender Bedeutung ist. Diese digitalen Technologien haben das Maß an Interkonnektivität und Konvergenz von Betriebstechnologie (OT) und Informationstechnologie (IT) verbessert - und erweitern die Cyberangriffsfläche, die böswillige Akteure nutzen können. Ohne Anpassung werden zuvor sichere Systeme und Umgebungen unsicher“, so das WEF in einem Bericht mit dem Titel „Der Aufbau eines cyberresistenten Elektrizitätssektors ist eine Schlüsselpriorität für die Zeit nach COVID“.
Im Jahr 2018 hatte das „Harvard Business Review“ gewarnt: „Aber die nächste Krise könnte überhaupt nicht von einem finanziellen Schock herrühren. Der wahrscheinlichere Schuldige: ein Cyber-Angriff, der weltweit zu Störungen der Finanzdienstleistungsfähigkeiten, insbesondere der Zahlungssysteme, führt.“
Wenn am 8. Januar 2021 das europäische Stromnetz zusammengebrochen wäre, hätte dies zwangsläufig auch eine zerstörerische Auswirkung auf den Banken-Sektor gehabt. Der Hinweis der Bundesregierung aus dem Jahr 2016, sich zumindest über einen bestimmten Zeitraum mit Nahrungsmitteln und Bargeld einzudecken, sollte auch in diesem Zusammenhang bedacht werden.
Vorsicht bei der Verschärfung des Lockdowns
Die umschriebene Gefahr wird durch ein anderes Szenario, das eintreten könnte, erhöht. Wir müssen davon ausgehen, dass der Lockdown verschärft wird. Doch eine Verschärfung des Lockdowns könnte unter bestimmten Umständen die Lieferketten massiv einschränken, was das Nahrungsmittelangebot verknappen lassen würde. Im Zusammenspiel mit einem Cyber-Angriff hätte dies besonders zerstörerische und gefährliche Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke hatte im Gespräch mit der Tageszeitung „Die Welt“ vor einem Lockdown in der Industrie gewarnt, wobei er durchaus für eine generelle Verschärfung des Lockdowns plädiert. „Kraftwerke müssen weiterlaufen, auch Instandhaltungsbetriebe. Wasser, Abwasser, Strom, Gas, Logistik - das muss doch alles funktionieren, sonst brechen die Versorgung und das ganze Land zusammen“, sagte er. Aus dieser Aussage geht eine große Sorge hervor. Offenbar besteht eine reale Gefahr, dass die Versorgung des Landes zusammenbrechen oder zumindest massiv gestört werden könnte.
Die Bundesregierung muss alles daransetzen, um die Nahrungsmittel-Lieferketten aufrechtzuerhalten. Was kann getan werden, wenn ein europaweiter oder deutschlandweiter Stromausfall die Lieferketten zum Erliegen bringt? Diese Frage muss gestellt werden. Schließlich wird Strom benötigt, um die Lieferketten funktionstüchtig zu halten.
Doch damit (leider) nicht genug. Es gibt auch eine gesellschaftliche Gefahr. Denn Menschen, die sich über ihre Nahrungsversorgung Sorgen machen müssen, neigen dazu, auf die Straßen zu gehen, um gegen ihre jeweilige Regierung vorzugehen. Dieses Szenario darf nicht im Hinblick auf neue Demonstrationen betrachtet werden. Stattdessen wären Plünderungen, massive Gewalt gegen Regierungsgebäude und Offizielle und Gewalt untereinander die Folge.
Wenn dann noch Provokateure eine ethnische oder/und religiöse Komponente einspielen würden, hätten wir ein totales Chaos. Die Bürger sollten genau darauf schauen, welche Aktionen, Nachrichten oder Botschaften zu einer Spaltung der Gesellschaft entlang ethnischer, religiöser und/oder politisch-ideologischer Linien führen, um nicht in diese Falle zu tappen (HIER).
Denn all die Menschen in Deutschland, die Tag für Tag fahrlässig oder vorsätzlich verunsichert werden, tragen keine Schuld an der aktuellen Misere (HIER).