Das im Suezkanal festgefahrene Containerschiff könnte den Bergungsteams zufolge Anfang nächster Woche wieder freigesetzt werden. Voraussetzungen seien aber stärkere Schlepper, Baggerarbeiten und Flut, sagte der Chef der mit den Arbeiten betrauten Firma Boskalis, Peter Berdowski am späten Freitagabend dem Sender „Nieuwsuur“. „Wir wollen es nach dem Wochenende erledigen, aber es muss alles passen“, sagte Berdowski. Auf beiden Seiten des Kanals gibt es einen großen Andrang von Container-Schiffen und Öl-Tankern.
Der Bug der 400 Meter langen „Ever Given“ sei komplett im Sand festgefahren, das Heck aber nicht. Das könnte als Hebel genutzt werden, um das Schiff freizubekommen, sagte Berdowski. Starke Schlepper sollten am Wochenende am Unglücksort eintreffen sowie ein Kran an Land. „Sollte es uns nächste Woche nicht gelingen, das Schiff loszukriegen, müssen wir etwa 600 Container vom Bug abladen, um das Gewicht zu reduzieren.“ Das werfe die Bergungsarbeiten mindestens um Tage zurück. Wo die Container dann hingestellt werden könnten, sei noch ein Rätsel. Experten hätten zudem gewarnt, dass das Abladen komplex und langwierig sei.
Die USA boten ihre Hilfe an. „Wir haben Ausrüstung und Kapazitäten, die die meisten Länder nicht haben. Wir werden schauen, wie wir hier behilflich sein können“, sagte US-Präsident Joe Biden vor Reportern am Freitag. Die Suez Canal Authority (SCA), die Eigentümerin und Betreiberin des Kanals ist, begrüßte das Angebot der USA und erklärte, die Türkei wolle ebenfalls Hilfe schicken. Dem „Guardian“ zufolge könnte der Suez-Kanal noch über Wochen hinweg verstopft bleiben.
Zuletzt wurde versucht, mit Baggern Zehntausende Tonnen Sand vom Bug des Schiffes zu räumen und es somit aus seiner Querlage zu befreien. Die Arbeiten wurden aber am späten Freitagabend unterbrochen. Der 224.000 Tonnen schwere und 59 Meter breite Frachter gehört zu den größten Containerschiffen der Welt und war am Dienstag wegen starker Winde auf Grund gelaufen. Bis zum späten Freitagnachmittag stauten sich deswegen mehr als 200 Schiffe an beiden Enden des Kanals, einer der wichtigsten Wasserstraßen der Welt.
Durch den Suezkanal werden etwa 30 Prozent des weltweiten Containervolumens verschifft und etwa zwölf Prozent aller Waren. Besonders betroffen dürften Russland und Saudi-Arabien sein, die beiden Staaten, die am meisten Öl durch den Kanal schicken. Indien und China sind dagegen die größten Importeure, teilten Analysten von Vortexa mit. Auch die deutsche Wirtschaft dürfte der Stau teuer zu stehen kommen.
Geopolitische Einordnung der Suez-Krise
Die aktuelle Krise stellt eine Katastrophe für den Seeweg der Neuen Seidenstraße dar. Der Seeweg beginnt im chinesischen Fuzhou und verläuft von da aus nach Jakarta. Ab Jakarta geht es weiter nach Colombo in Sri Lanka, Kolkata in Indien und von da aus nach Kenia (Mombasa-Nairobi Standard Gauge Railway) und über den Golf von Aden und den Suezkanal nach Athen und dann nach Italien.
Die Seeroute endet in Venedig und trifft dort mit der Landroute der neuen Seidenstraße zusammen. Um das Projekt vollständig umsetzen zu können, investiert China in den 65 Ländern, die die Neue Seidenstraße umfasst, in den Ausbau der Infrastruktur, in das Transportwesen und in die Energiewirtschaft. Die chinesischen Investitionen im Zusammenhang mit der Initiative beliefen sich seit 2013 auf insgesamt 60 Milliarden US-Dollar. Bis 2023 will Peking weitere 600 Milliarden bis 800 Milliarden US-Dollar investieren. Das kündigte Ning Jizhe, der stellvertretende Vorsitzende der Nationalen Kommission für Entwicklung und Reform, im vergangenen Jahr an. Die chinesischen Investitionen dürften jährlich zwischen 120 und 130 Milliarden US-Dollar pro Jahr liegen, sagte Jizhe dem Blatt The Economic Times.
US-Präsident Joe Biden hat inmitten der Suez-Krise ein Gegenstück der demokratischen Staaten zu Chinas Handelsprojekt der Neuen Seidenstraße vorgeschlagen. Er habe dies bei einem Telefongespräch mit dem britischen Premierminister Boris Johnson angeregt, sagte Biden am 26. März 2021 vor Journalisten. Damit könne man „Gemeinschaften auf der ganzen Welt helfen, die wirklich Hilfe brauchen“.
Der letzte große Schlag gegen den Seeweg der Neuen Seidenstraße ereignete sich im August 2020. Damals wurde der Hafen von Beirut durch eine Riesen-Explosion zerstört (HIER).