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Geschlossene Läden und Ausgangssperren: Merkel macht Deutschland endgültig dicht

Lesezeit: 3 min
13.04.2021 18:29  Aktualisiert: 13.04.2021 18:29
Auf die Menschen in weiten Teilen Deutschlands kommen Ausgangsbeschränkungen und geschlossene Läden nach bundesweit verbindlichen Vorgaben zu. Ob der sogenannte Bundes-Lockdown wirklich etwas bringen wird, wird sich zeigen lassen.
Geschlossene Läden und Ausgangssperren: Merkel macht Deutschland endgültig dicht
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gibt im Bundestag eine Regierungserklärung zur Corona-Pandemie und zum Europäischen Rat ab. (Foto: dpa)

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Auf die Menschen in weiten Teilen Deutschlands kommen Ausgangsbeschränkungen und geschlossene Läden nach bundesweit verbindlichen Vorgaben zu. Entsprechende Änderungen des Infektionsschutzgesetzes hat die Bundesregierung am Dienstag beschlossen. Ziel ist die bessere Eindämmung der Corona-Pandemie. Kommende Woche könnten die Neuerungen erst vom Parlament beschlossen werden und dann den Bundesrat passieren.

Der Mittelstand hatte zuvor einen Kurswechsel bei der Corona-Politik der Bundesregierung gefordert (HIER). Diese Forderung ist offenbar komplett ins Leere gelaufen.

«Wir setzen die Notbremse bundesweit um», sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU). «Die Unklarheiten, was in dem einen oder anderen Landkreis wann gilt oder was wann nicht gilt - das ist dann vorbei.» Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) erklärte nach dpa-Informationen in der Sitzung der SPD-Fraktion, die Bürger blickten nicht mehr durch bei den Corona-Regeln. «Ziel des Gesetzentwurfs ist es, klare und einheitliche Regeln zu schaffen und die Grundlage zu legen, dass die Notbremse bei Inzidenzen über 100 konsequent gezogen wird.»

Die nächtlichen Verhandlungsrunden von Union, SPD und Bundesregierung haben zwar einen kabinettsreifen Beschluss geliefert, die Gespräche im Bundestag gehen aber weiter. «Die nächsten Tage nutzen wir, um die bundesgesetzlichen Maßnahmen widerspruchsfrei und verfassungsfest auszugestalten», sagte der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jan-Marco Luczak (CDU), der Deutschen Presse-Agentur.

Vorgesehen sind nun unter anderem Ausgangsbeschränkungen. So soll von 21.00 bis 5.00 Uhr der Aufenthalt außerhalb einer Wohnung oder eines dazugehörigen Gartens im Grundsatz nicht erlaubt sein, wobei es Ausnahmen gibt. Gelten sollen diese und andere Beschränkungen, wenn in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt an drei aufeinanderfolgenden Tagen die 7-Tage-Inzidenz über 100 liegt. Das bedeutet, dass binnen einer Woche mehr als 100 Neuinfizierte auf 100 000 Einwohner kommen.

Dieser Punkt ist allerdings umstritten. «Im weiteren Verfahren werden wir nochmal intensiv prüfen, dass neben dem Inzidenzwert weitere Kriterien herangezogen werden», kündigte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese an. Auch die FDP hat hier Bedenken. «Das Gesetz soll an die nackte Inzidenzzahl als Tatbestand geknüpft sein. Die aber ist unzuverlässig und bildet die Lage vor Ort nicht ausreichend klar ab», sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Marco Buschmann der «Welt» (Mittwoch).

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach forderte, die geplanten Ausgangsbeschränkungen nicht aufzuweichen. Ausgangssperren hätten in Portugal, England und Frankreich eine wichtige Rolle bei der Pandemiebekämpfung gespielt, sagte er der «Augsburger Allgemeinen». Studien hätten auch eine klare Wirksamkeit erwiesen.

In einem neuen Paragrafen 28b des Infektionsschutzgesetzes soll ferner festgelegt werden, dass private Zusammenkünfte im öffentlichen oder privaten Raum dann nur gestattet sind, wenn an ihnen höchstens die Angehörigen eines Haushalts und eine weitere Person einschließlich dazugehörender Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres teilnehmen.

Unter anderem dürfen bei einer höheren Inzidenz zudem die meisten Läden und die Freizeit- und Kultureinrichtungen sowie die Gastronomie in der Regel nicht öffnen. Übernachtungsangeboten zu touristischen Zwecken sollen bei entsprechenden Inzidenzen in einer Region untersagt sein.

An Schulen soll Präsenzunterricht nur mit zwei Coronatests pro Woche gestattet werden. Überschreitet in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt an drei aufeinander folgenden Tagen die 7-Tage-Inzidenz 200, soll Präsenzunterricht untersagt werden.

Vorgesehen ist zudem, dass der Bund über eigene Verordnungen die Corona-Maßnahmen vor Ort steuern kann - dazu bräuchte es aber jeweils die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat Dieser Zustimmungsvorbehalt des Bundestags sei ein entscheidender Punkt, sagt SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese, der das Gesetz mit ausgehandelt hat. «Hier haben wir als SPD-Fraktion bereits jetzt einen wichtigen Punkt verankert.» Die FDP sieht das deutlich kritischer. Die Einbindung des Parlaments bleibe vage, kritisierte Buschmann. Die Frist sei zu kurz.

Auch die Grünen reagierten enttäuscht. Sie fordern noch schärfere Maßnahmen. «Was wir jetzt vorgelegt bekommen haben, ist ein Notbehelf für eine Notbremse», sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Sie vermisste insbesondere schärfere Vorgaben für die Arbeitswelt, mit weiterreichenden Vorgaben für das Homeoffice und Pflichttests, sowie mehr Schutz für Kinder und Jugendliche. Bereits ab einer Inzidenz von 100 müsse der Präsenzunterricht zurückgefahren werden.

Lebensfremd sei auch, dass bei den Regelungen zur Kontaktbeschränkung nicht zwischen Begegnungen in Innenräumen und an frischer Luft unterschieden wird, sagte Göring-Eckardt. Erst tags zuvor hatten Aerosol-Forscher behauptet, dass Sars-CoV-2 fast ausnahmslos in Innenräumen übertragen wird.

Auch der Verband Bildung und Erziehung (VBE) kritisierte die geplante Corona-Notbremse für die Schulen als unzureichend. «Für alle anderen Bereiche gilt die Notbremse ab 100, im Bildungsbereich kann bis zur doppelten Inzidenz Unterricht vor Ort stattfinden», stellte der Gewerkschaftschef Udo Beckmann fest. «Für diese Abweichung fordern wir eine wissenschaftlich belegbare Begründung und die Festlegung von Maßnahmen, die zusätzlich bei Inzidenzen zwischen 100 und 200 zu ergriffen sind.»

Stundenlang war unter Hochdruck über die Regelungen verhandelt worden. Nach dpa-Informationen sollen in der Vorlage Fraktions- und Länderwünsche von der Bundesregierung in wichtigen Punkten berücksichtigt worden sein.


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