Politik

Keine Masken, keine Polizei, keine Lockdowns: Wie DWN-Autor Christian Kreiß die Pandemie in Costa Rica erlebte

Lesezeit: 5 min
17.04.2021 09:07
Um den Anti-Corona-Maßnahmen in Deutschland zu entfliehen, verbrachte Christian Kreiß drei Monate in Costa Rica. Der DWN-Autor liefert einen faszinierenden Einblick in einen Teil der Welt, in dem die Menschen mit Corona ganz anders umgehen als in Deutschland.
Keine Masken, keine Polizei, keine Lockdowns: Wie DWN-Autor Christian Kreiß die Pandemie in Costa Rica erlebte
Anfang August findet jedes Jahr eine riesige Pilgerfahrt in Costa Rica statt. Ihr Ziel ist die Messe in der Basilika "Nuestra Señora de los Angeles" zu Ehren der Schutzpatronin des Landes, der "Jungfrau der Engel".

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Wir, das heißt meine Frau, meine beiden Söhne im Alter von 11 und 13 und ich, waren ab Ende Dezember 2020 für gut drei Monate in Costa Rica, um den bedrückenden, freiheitszerstörenden Zuständen in Deutschland zu entfliehen. Ein kurzer Erfahrungsbericht.

Wir hatten ursprünglich nur fünf Wochen geplant um dann doch zwei Mal, bis Anfang April, zu verlängern. Grund dafür waren zum einen die bedrückenden Nachrichten aus Deutschland. Dort wurde der Lockdown entgegen den anfänglichen Ankündigungen und Versprechungen von Monat zu Monat verlängert und immer schlimmer. Im Gegensatz dazu gab und gibt es in Costa Rica einen recht freiheitlichen, lockeren Umgang mit Corona.

Abgesehen von einigen mehrtägigen, weiten Ausflügen ins Landesinnere verbrachten wir praktisch die ganze Zeit in einem spirituellen Zentrum an der nördlichen Pazifikküste von Costa Rica. Dorthin hatte es uns nicht aus weltanschaulichen Gründen verschlagen, sondern weil es die einzige englischsprachige Schule war, die bereit war, unsere Kinder für kurze Zeit aufzunehmen. Letztlich verbrachten sie in der kleinen, waldorf-inspirierten Schule über zwölf Wochen. Die Schule war während der ganzen Corona-Zeit nie geschlossen. Keiner trägt dort Masken, und es gibt keine Abstandsregeln. Der Unterricht findet in kleinen Gruppen statt, und häufig sind die Kinder draußen, um etwas zu bauen oder sich die Tier- und Pflanzenwelt anzusehen.

Die Kinder und Jugendlichen waren nach der Schule normalerweise draußen spielen. Sie kletterten auf Bäume, sprangen in einen Weiher, pflückten Wasseräpfel, spielten verstecken, schwammen, surften und verbrachten wunderbare, unbeschwerte Tage. Außer der Rache Montezumas, von der die meisten Europäer und Nordamerikaner einmal befallen werden, waren alle Kinder, waren auch die Erwachsenen, enorm gesund. Viele soziale Kontakte, Freude am Miteinander, reger Austausch, viel Bewegung im Freien – all das stärkt offenbar das Immunsystem und macht gesund.

In der Region, in der wir waren, gab es unseres Wissens keine schlimme Covid-Erkrankung bei irgendjemandem. Wir haben dort sehr viele Menschen, auch Einheimische, kennengelernt. Niemand dort in der Region kannte jemanden, der gravierend an Covid erkrankt oder gar gestorben wäre. Ein Hotelier erzählte mir, die Regierungszahlen seien alle gefälscht, die Regierung wolle nur Geld machen und Strafen kassieren. Laut offiziellen Regierungsangaben gibt es in Costa Rica per 3. April knapp 600 Corona-Tote pro eine Million Einwohner, in Deutschland etwas über 900.

In dem spirituellen Zentrum sind während der Trockenzeit, die grob von November bis April dauert, immer etwa 250 Menschen. In diesem Zeitraum kommen insgesamt ungefähr 1.000 Menschen aus aller Herren Länder dorthin. Es gibt einen sehr herzlichen, offenen, wenig vorurteilsbelasteten Umgang miteinander, viele Umarmungen und ausführlichen persönlichen Austausch. Es finden zum einen häufig Massen- oder Großveranstaltungen mit teilweise über 100 Teilnehmern, beispielsweise Tanzveranstaltungen, Tipi-Zeremonie, Vollmond-Zeremonie, tägliche Großgruppenmeditationen, Yoga oder Tai Chi statt. Zum anderen gibt es sehr viele Workshops, von Yoga bis hin zu Fasten- und Reinigungskuren. Alle diese Veranstaltungen finden immer ohne Maske und Abstandsregeln statt. Die Menschen waren meiner Erfahrung nach vollkommen Corona-angstfrei. Für mich war das eine große Wohltat.

Beim häufigen Herumreisen mit dem Mietauto im Land sahen wir, dass alle Läden offen waren, alle Friseure, Restaurants und Hotels. Es war kein Lockdown zu erkennen. Fröhliche, unbeschwerte Menschen, die Restaurants und Hotels gut besucht. In den Läden und Restaurants (auf dem Weg bis zum Sitzplatz) gibt es Maskenpflicht. Sie wird aber häufig nicht sehr ernst genommen. FFP2-Masken scheinen dort so gut wie nicht zu existieren, auch medizinische Masken sind die große Ausnahme. Es war eine ungeheuer spannende Zeit.

Wie Corona ein Land geistig erkranken lässt

Dann zurück in Deutschland: Ich habe den Eindruck, das Land ist schwer krank – nicht Covid-krank, sondern seelisch und geistig. Selbstverständlich gibt es Covid-Erkrankungen in Deutschland, ebenso wie in Costa Rica. Ein guter Bekannter von uns ist Ende März mit 66 Jahren nach wochenlangem Krankenhausaufenthalt und künstlicher Beatmung an Covid gestorben.

Was den tagtäglichen Umgang der Menschen mit dem Virus anlangt, gibt es enorme Unterschiede zwischen den beiden Ländern. Die Costa-Ricaner sind voll Lebensfreude, Fröhlichkeit, Freundlichkeit und wirken vollkommen Corona-angstfrei. In Deutschland genau das Gegenteil: Hier haben die Menschen reihenweise geradezu Panik vor dem Virus; es herrschen Angst, Nervosität, Niedergeschlagenheit, Apathie, Aggressivität. Viel Polizei ist auf den Straßen. Mein Eindruck ist, dass in Deutschland kein vernünftiges Verhältnis zur realen Gefahr besteht, Besonnenheit oder gar Unbeschwertheit sind Fremdworte. Alles wirkt angstdurchsetzt, angstzersetzt.

Der Umgang mit dem Virus in Deutschland ist geradezu krankmachend. Vor allem unsere Kinder werden durch das Wegfallen von Sport, Bewegung im Freien und Treffen mit Freunden systematisch in ihrem Immunsystem geschwächt und anfällig für Krankheiten gemacht. Die Medien verzerren die Darstellungen zu Corona in beängstigendem Ausmaß, gelegentlich lügen sie sogar. Kritische Stimmen kommen kaum zu Wort oder werden mundtot gemacht. Youtube löscht systematisch Corona-kritische Darstellungen, Amazon verweigert den Verkauf von Corona-kritischen Büchern. Es herrscht – teilweise offene – Zensur, nur merken es viele Menschen leider nicht, solange sie nicht selbst betroffen sind.

In Deutschland werden Vernunft und Logik in einem Ausmaß missachtet, das ich bis 2020 für unmöglich gehalten hätte. Ein paar Beispiele:

  • Nach der Rückkehr aus Costa Rica muss man mindestens fünf Tage in Quarantäne, obwohl die Neuinfektionen pro eine Million Einwohner weniger als halb so hoch sind wie in Deutschland. Vor dem Flug muss man einen Corona-Test machen, sonst darf man nicht mitfliegen. Ist man nachgewiesenermaßen negativ, so sitzen alle diese nicht Infizierten mit FFP2- oder medizinischen Masken im Flugzeug und müssen hinterher mindesten fünf Tage in Quarantäne

  • Kinder werden in den Schulen getestet und alle, die nachweislich gesund sind, sitzen hinterher mit Maske im Unterricht

  • Der Gesundheitsminister sagt, dass es ein Fehler war, den Einzelhandel zu schließen, dass das nicht wieder passieren werde … und ein paar Monate später wird der Einzelhandel doch wieder dichtgemacht

  • Die Kanzlerin erklärt im November einen „Lockdown light“ für zwei Wochen – dann wird er von Monat zu Monat schlimmer und dauert an über vier Monate

  • Die Kanzlerin erklärt im Oktober, dass uns vier schwere Monate bevorstehen, und im März sagt sie das Gleiche wieder

  • Die Kanzlerin sagt: „Corona ist und bleibt also eine Gefahr für jede und jeden von uns“. Sie ist offenbar nicht besonders fit im Lesen von Statistiken, denn die widersprechen alle dieser Aussage

  • Der wichtigste Berater der Regierung in Sachen Corona sagt, dass Masken gegen die Pandemie nichts nützen, und ein halbes Jahr später tragen selbst Kinder im Unterricht sie

  • Im Freien auf einer Bank sitzen ist verboten (Nordrhein-Westfalen)

  • „In der Sonne sitzen ist verboten“ (Aussage eines bayerischen Polizisten Ende März 2020)

  • Wenn man bei der Impfung Begleiterscheinungen hat, ist es ein Zeichen dafür, dass sie wirkt

  • Wenn man bei der Impfung keine Begleiterscheinungen hat, ist es ein Zeichen dafür, dass sie gut verträglich ist

Die Liste könnte fast beliebig verlängert werden. Argumente werden so hingebogen, wie man sie braucht. Vernunft und Wissenschaft werden beliebig gebeugt. Der gesunde Menschenverstand wird systematisch ausgeschaltet. Das erinnert mich sehr an einen Ausspruch von Mephisto in Goethes Faust:

„Verachte nur Vernunft und Wissenschaft,

Des Menschen allerhöchste Kraft,

Laß nur in Blend- und Zauberwerken

Dich von dem Lügengeist bestärken,

So hab ich dich schon unbedingt“

Es hat ganz den Anschein, als wäre ein großer Teil unserer Corona-Politik hiervon inspiriert, und als hätte er, der Mephisto, uns schon unbedingt.

Auch in Costa Rica gibt es Verordnungen, die allem gesunden Menschenverstand widersprechen. Beispielsweise, dass nur Autos mit bestimmte Kennzeichen-Endziffern an bestimmten Wochentagen fahren dürfen. Dadurch werden die Menschen in Busse gedrängt, wo die Leute extrem eng an eng beieinanderstehen und sich viel leichter infizieren können. Aber das Ausmaß an Absurdität scheint in Deutschland doch erheblich größer zu sein. Vor allem aber: Das Ausmaß an Staatsgläubigkeit in den beiden Ländern ist so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Die Costa-Ricaner glauben und vertrauen ihrer Regierung meinem Eindruck nach grundsätzlich so gut wie gar nicht. Zu Recht. Wir könnten in dieser Hinsicht, was Corona-Politik anlangt, viel von ihnen lernen.

Fazit

Der Umgang mit Corona in Costa Rica erscheint mir komplett anders, sehr viel entspannter als in Deutschland. Die Menschen sind nicht annähernd so verängstigt, aggressiv und nervös, sondern sehr fröhlich und lebensbejahend – „pura vida“ ("Leben pur") ist eine sehr oft gehörte Begrüßungs- und Abschiedsformel. Das passt gut zu dem Land. Trotzdem gibt es offiziell ein Drittel weniger Covid-Tote als bei uns. Offenbar kann man mit dem Virus auch ganz anders umgehen als wir es tun. Wir könnten viel von Costa Rica lernen, was den Umgang mit Corona anbelangt.

                                                                            ***

Prof. Dr. Christian Kreiß, Jahrgang 1962: Studium und Promotion in Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftsgeschichte an der LMU München. Neun Jahre Berufstätigkeit als Bankier, davon sieben Jahre als Investment Banker. Seit 2002 Professor an der Hochschule Aalen für Finanzierung und Volkswirtschaftslehre. Autor von sieben Büchern: Gekaufte Wissenschaft (2020); Das Mephisto-Prinzip in unserer Wirtschaft (2019); BWL Blenden Wuchern Lamentieren (2019, zusammen mit Heinz Siebenbrock); Werbung nein danke (2016); Gekaufte Forschung (2015); Geplanter Verschleiß (2014); Profitwahn (2013). Drei Einladungen in den Deutschen Bundestag als unabhängiger Experte (Grüne, Linke, SPD), Gewerkschaftsmitglied bei ver.di. Zahlreiche Fernseh-, Rundfunk- und Zeitschriften-Interviews, öffentliche Vorträge und Veröffentlichungen. Homepage www.menschengerechtewirtschaft.de


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