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Aroma-Industrie: Wie Vanille zum zweitteuersten Gewürz der Welt geworden ist

Vanille ist mit einem Kilopreis von 500 Euro eines der teuersten Gewürze der Welt. Warum der Preis so hoch ist und viele wichtige Fragen zur Aroma-Branche in Deutschland beantwortet Dominika Fellner, die Sprecherin der Fachverbände DVAI & DVRH.
21.07.2021 09:00
Lesezeit: 4 min
Aroma-Industrie: Wie Vanille zum zweitteuersten Gewürz der Welt geworden ist
Vanilleeis gehört zu den Klassikern. (Foto: dpa)

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Forschern aus Schottland ist es gelungen, aus PET-Flaschen Vanille-Aroma zu produzieren. Welchen Einfluss kann dies auf Ihre Branche und zwar insbesondere auf die Produzenten von Vanille-Aroma haben?

Dominika Fellner: Das wird man erst sagen können, wenn die Innovation tatsächlich auf dem Markt ist. Dann erst wird sich zeigen, ob und wie sie von den Verbraucherinnen und Verbraucher angenommen wird, die aktuell vor allem natürliche Zutaten in ihren Lebensmitteln bevorzugen. Zudem steht im Moment ja noch die Frage im Raum, ob das von den Forscherinnen und Forschern hergestellte Vanillin überhaupt für den menschlichen Verzehr geeignet ist. Hierzu müssen sicherlich noch einige rechtliche und technische Fragen geklärt werden. In jedem Fall ist das Verfahren eine schöne Demonstration der grünen Chemie, deren Bedeutung in den kommenden Jahren sicherlich in allen Bereichen, also auch bei der Herstellung von Nahrungs- und Genussmitteln, weiter zunehmen wird.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wie kommen die Vanille-Hersteller beziehungsweise die Hersteller von Vanillen-Aromen durch die Pandemie?

Dominika Fellner: Wie alle Unternehmen mussten sich auch unsere Mitglieder im vergangenen Jahr innerhalb weniger Wochen von normaler Betriebsamkeit auf das „Neue Normal“ umstellen. Dabei stand und steht die Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an erster Stelle. Die Betriebe erhöhten die Hygiene- und Schutzmaßnahmen und schufen praktikable Möglichkeiten für das Arbeiten von zuhause.

Gleichzeitig galt es als Teil einer als systemrelevant eingestuften Branche den Warenfluss aufrechtzuerhalten, um die steigende Nachfrage der Lebensmittelproduzenten und des Einzelhandels bedienen zu können. Dank nachhaltiger und enger Zusammenarbeit mit den Rohstofflieferanten sowie auf Basis tragfähiger Liefer- und Logistikketten mit den Kunden gelang das aber sehr gut. Insgesamt half die frühzeitige und flexible Umstellung auf die neuen Bedingungen dem Gros unserer Mitglieder bislang gut durch die Pandemie zu kommen. Wir hoffen dennoch alle auf ein schnelles Ende der aktuellen Situation.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wie ist die Branche der Vanille-Hersteller grundsätzlich in Deutschland strukturiert?

Dominika Fellner: Es gibt nur sehr wenige Aromen-Hersteller, die sich ausschließlich auf die Verarbeitung von Vanille spezialisiert haben. In der Regel ist das Portfolie unserer Mitglieder differenzierter. Blickt man auf die deutsche Aromen-Industrie, so sind über 75 Prozent der Betriebe klein- und mittelständisch geprägt. Viele Firmen haben um die 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es gibt aber auch einige Kleinbetriebe mit weniger als zehn Angestellten.

Insbesondere die kleineren Hersteller sind auf Aromen für bestimmte Produktkategorien spezialisiert, wie etwa Getränke oder Aromen für würzige oder süße Speisen. In der Breite beliefern sie aber eine ganze Reihe von Lebensmittelproduzenten, darunter Hersteller alkoholischer und nicht-alkoholischer Getränke, von Molkerei- und Teeprodukten, Süßwarenproduzenten, die Snackwarenindustrie sowie Produzenten von würzigen Speisen sowie Mundhygieneartikeln und Arzneimitteln.

Verglichen mit der gesamten deutschen Ernährungsindustrie ist die Aromen-Industrie ein eher kleiner Wirtschaftszweig. Jedoch einer, der wesentlich zum Genuss von Lebensmitteln beiträgt. Wie die Ernährungsindustrie insgesamt, ist auch sie in den letzten Jahren stetig gewachsen und erwirtschafte 2017 einen Umsatz von rund 450 Millionen Euro. Das sind etwa 0,25 Prozent des Umsatzes der gesamten Ernährungsindustrie.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Warum ist Vanille als Gewürz so teuer? Und lässt sich das Gewürz auch als Finanz-Investment nutzen?

Dominika Fellner: Vor dem Genuss des warmen und vollmundigen Vanille-Aromas steht ein Anbau- und Verarbeitungsprozess, der intensiver und langwieriger als bei allen anderen landwirtschaftlichen Nutzpflanzen ist. Vanille ist daher nach Safran das zweitteuerste Gewürz der Welt.

Es fängt schon damit an, dass die Vanillepflanze hohe Ansprüche an ihren Standort stellt und daher nur in wenigen Regionen der Welt, darunter Mexiko, Indien, Tahiti und Madagaskar wächst. Darüber hinaus dauert es etwa drei bis vier Jahre, bis sie überhaupt das erste Mal blüht. Dann muss sie in der Regel von Hand bestäubt werden. Ihre Früchte – umgangssprachlich Schoten genannt – sind also nur begrenzt verfügbar und müssen darüber hinaus nach der Ernte einen aufwendigen Verarbeitungsprozess - die sogenannte Fermentation- durchlaufen, damit sich ihr typischer Vanille-Geschmack entwickelt.

Ihr Preis auf dem Weltmarkt unterlag in den letzten Jahren zum Teil erheblichen Schwankungen. Grund dafür ist einerseits die gestiegene Nachfrage der Verbraucherinnen und Verbrauchern nach natürlichen Inhaltsstoffen. Andererseits haben wetterbedingte Ernteausfälle und politische wie soziale Unruhen in den Anbauländern das Angebot verknappt. Konnte man 2012 das Kilo Vanille noch für etwa 20 Dollar erwerben, musste man in den letzten Jahren zwischen 500 bis 600 Dollar bezahlen. Ob der Preis in den kommenden Jahren auf einem ähnlich hohen Niveau bleibt, bleibt abzuwarten. Mit einem Rückgang der Nachfrage ist aus unserer Sicht jedenfalls nicht zu rechnen.

Deutsche Wirtschaftnachrichten: Was sind grundsätzlich die wesentlichen Herausforderungen für die Branche? Wie dürfte sich die Branche im laufenden Jahr noch entwickeln?

Dominika Fellner: Bedingt durch die anhaltende Pandemie haben sich die Essgewohnheiten vieler Verbraucherinnen und Verbraucher in den letzten zwölf Monaten verändert. Es ist wahrscheinlich, dass – wie in jeder Krise – manche dieser Veränderungen nur kurzfristiger Natur sind, während sich andere langfristig etablieren werden. Von unseren Unternehmen verlangt das eine neue Qualität an unternehmerischem Mut und unternehmerischer Voraussicht.

Wir erleben aktuell zum Beispiel eine gesteigerte Wertschätzung für Lebensmittelprodukte, die vor allem durch die Renaissance des heimischen Kochens bedingt wird. Eine große Zahl von Verbrauchern, die vorher kaum oder höchstens sporadisch gekocht haben, sind von den aktuellen Umständen an den Herd gezwungen worden. Vielen rückt damit wieder stärker ins Bewusstsein, wie viel Arbeit in manchen Gerichten steckt und wie viel Zeit wir durch das „Outsourcen“ des Kochens normalerweise gewinnen. Sie lernen die Ausgangsprodukte mehr wertzuschätzen und entwickeln ein Gespür für verschiedene Qualitäten. Sicher denkt ein Teil der Verbraucher auch künftig mehr darüber nach, was, wie und wieso sie konsumieren. Sie werden sich dafür interessieren, wo ihre Produkte herkommen und wie man sie erzeugt hat.

Diese gesteigerte Wertschätzung für Nahrungsmittel intensiviert voraussichtlich auch die Maßnahmen zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung und zur Schonung natürlicher Rohstoffe. Und damit wären wir wieder beim Anfang unseres Gesprächs und den Möglichkeiten des Upcyclings, die in den kommenden Jahrzehnten sicherlich an Bedeutung gewinnen werden. Aromen-Hersteller nehmen hier bereits heute eine Vorreiterrolle in der Lebensmittelindustrie ein. Denn sie nutzen und investieren seit Jahrzehnten in Produkte, die in Kreislaufwirtschaften eingebunden sind. Die Gewinnung aromatischer Öle aus Orangen- und Zitrusschalen gehört zu den typischen Beispielen.

Deutsche Wirtschaftnachrichten: Frau Fellner, herzlichen Dank für das Gespräch.

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