Weltwirtschaft

Inflation sinkt, Export und Konsum steigen: Deutsche Wirtschaft kommt 2022 ordentlich in Schwung

Lesezeit: 9 min
31.12.2021 16:09  Aktualisiert: 31.12.2021 16:09
Der Konjunktur-Ausblick von Klaus Bauknecht fürs Jahr 2022 verheißt Positives. Lesen Sie hier den ersten Teil der großen Analyse.

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REALWIRTSCHAFT UND INDUSTRIE-BRANCHEN

Belebung der deutschen Wirtschaft ab dem zweiten Quartal 2022

Ohne Zweifel wird sich die vierte Corona-Welle negativ auf die deutsche Konjunktur auswirken – zumindest was das Schlussquartal 2021 und vor allem das erste Quartal 2022 angeht. Doch für den weiteren Konjunkturverlauf der Jahre 2022 und 2023 könnten sich die vierte Welle und die Omikron-Variante sogar positiv auswirken. Denn die zum Teil drastischen Lockdown-Maßnahmen einiger Länder haben gezeigt, dass die Abschottung eines Landes keine Lösung für eine nachhaltige Bekämpfung des Virus darstellt. Hierfür sind Australien oder Neuseeland markante Beispiele. Die Lösung liegt vielmehr in einer andauernden und effektiven Immunisierung beziehungsweise einer verbesserten Widerstandsfähigkeit gegenüber schweren Krankheitsverläufen. Durch die vierte Welle hat sich die politische Hemmschwelle gesenkt, Maßnahmen für eine steigende Impfquote zu forcieren. Dies hellt den mittelfristigen Konjunkturausblick auf.

Mit einer Ausbreitung der hochansteckenden Omikron-Variante dürften die Stimmung und der ifo-Index auch in den kommenden Monaten unter Druck bleiben, ein BIP-Rückgang in Deutschland im ersten Quartal des nächsten Jahres wird immer wahrscheinlicher. Allerdings haben die Volkswirtschaften gelernt, mit dem Virus umzugehen. So sollten Lockdown-Maßnahmen viel selektiver eingesetzt werden, als dies noch 2020 der Fall war – nicht zuletzt dank steigender Impfquoten. Im weiteren Verlauf von 2022 sollte sich die Stimmung deshalb deutlich aufhellen. Allerdings könnte sich die Notenbankpolitik zu einer neuen Gefahr entwickeln. Denn lassen die Lieferengpässe und der damit verbundene Preisdruck nicht spürbar im Verlauf des nächsten Jahres nach, wären Notenbanken weltweit genötigt, die Konjunkturerholung durch deutliche Zinsanhebungen abzubremsen.

Ausblick: Die IKB erwartet im Jahr 2022 ein deutsches BIP-Wachstum von rund vier Prozent, getrieben von vor allem einer deutlichen konjunkturellen Belebung ab dem zweiten Quartal 2022. Der absehbare BIP-Rückgang im ersten Quartal 2022 sollte nicht überbewertet werden.

Privater Konsum wichtiger Bestandteil der konjunkturellen Erholung im Jahr 2022

Der Ausblick für den privaten Konsum bleibt für den deutschen BIP-Verlauf im Jahr 2022 entscheidend. Es ist weiterhin mit einer gewissen Verzerrung bei der Konsumnachfrage zu rechnen, da sich die Auswirkungen der vierten Corona-Welle auf Dienstleistungsbranchen vor allem im ersten Quartal 2022 zeigen sollten. Nach wie vor besteht infolge des aufgestauten Sparvolumens aufgrund der beiden Corona-Jahre ein immenses Wachstumspotenzial – auch wenn die hohe Inflationsrate die reale Kaufkraft in diesem und im kommenden Jahr belasten sollte.

Ausblick: Die IKB erwartet im Jahr 2022 ein Wachstum des privaten Konsums von deutlich über sieben Prozent; allein der statistische Überhang für das nächste Jahr dürfte dabei bei über vier Prozent liegen. Für 2021 liegt die Schätzung bei einem Plus von 0,9 Prozent.

Globale Lieferengpässe lösen sich allmählich auf und stützen den deutschen Export

Das Jahr 2021 war gekennzeichnet von angebotsseitigen Problemen der globalen Industrie. Lieferengpässe, fehlende Frachtkapazitäten und steigende Rohstoffpreise haben auch dem deutschen Wachstumspotenzial und der Exportwirtschaft zugesetzt. Während die Produktion des Verarbeitenden Gewerbes 2021 um rund drei Prozent wachsen konnte – sie lag im November 2021 dennoch immer noch 5,5 Prozent unter dem Niveau von 2019 –, haben die Exporte im Jahr 2021 um schätzungsweise fast acht Prozent zugelegt. Doch auch sie liegen noch immer rund vier Prozent unter ihrem Vorkrisenniveau im Jahr 2019.

Auch wenn die angebotsseitigen Probleme im Jahr 2022 weiter bestehen bleiben sollten, ist dennoch in Anbetracht globaler Angebotsreaktionen von einer graduellen Auflösung dieser Wachstumsbremsen auszugehen. Vor allem die Investitionsgüterbranchen sollten von Kapazitätsausweitungen profitieren – zumindest in der zweiten Hälfte 2022. Dies sollte die Industrieproduktion stützen und damit die Exporte. Gleichzeitig bleibt die globale Fiskal- und Geldpolitik unterstützend, was die weltweite Nachfrageerholung im Jahr 2022 stärken sollte, aber auch einer deutlichen Entspannung bei den Rohstoffpreisen entgegenwirken könnte.

Ausblick: Die Exporte werden im Jahr 2021 um geschätzte 7,9 Prozent zulegen, und nach einem Rückgang im dritten Quartal 2021 sollten sie im kommenden Jahr um 4,1 Prozent steigen.

Immer noch zurückhaltendes Investitionsverhalten braucht konjunkturelle Impulse

Das Baugewerbe hat auch in den Corona-Jahren 2020 und 2021 einen positiven Wachstumsbeitrag geleistet. Im laufenden Jahr konnte jedoch aufgrund der zunehmend fehlenden Kapazitäten und mangelnder Rohstoffe die anhaltend robuste Nachfrage nicht vollständig bedient werden; Preiserhöhungen und geringere Volumenzuwächse waren die Folge. Auch im Jahr 2022 sollte das Baugewerbe insgesamt positive Beiträge zum deutschen BIP leisten – wenn auch überschaubarer als in den Vorjahren.

Die Ausrüstungsinvestitionen wurden im dritten Quartal 2021 erneut deutlich zurückgefahren. Anhaltende Konjunktur-Risiken sowie durch globale Lieferengpässe forcierte lokale Überkapazitäten belasteten Investitionsentscheidungen. Deshalb liegt das Investitionsniveau noch immer klar unter dem von 2019. Kurzfristig ist infolge der vierten Corona-Welle und anhaltender Lieferengpässe beziehungsweise Stimmungseintrübungen von keiner bedeutenden Erholung auszugehen. Im Verlauf des Jahres 2022 sollte die Konjunkturentwicklung aber für eine spürbare Belebung der Investitionen sorgen, zumal in den kommenden Jahren auch strukturelle Treiber wie der angestrebte Transformationsprozess hin zu einer klimaneutralen Industrie zu einer deutlich höheren Investitionsquote führen sollten.

Ausblick: Wir erwarten für 2022 einen Anstieg der Ausrüstungs-Investitionen um rund sechs Prozent.

Solider Ausblick für die Industriebranchen infolge der weltweiten Wirtschaftsbelebung

Das deutsche Verarbeitende Gewerbe wird das laufende Jahr mit einem Produktionsplus von rund drei Prozent abschließen. Damit ist der starke Einbruch aus dem ersten Corona-Jahr 2020 aber noch längst nicht aufgeholt. Zudem hat sich die Produktion aller Branchen aufgrund der weltweiten Lieferprobleme deutlich abgeschwächt; der Verlauf war ab dem Frühjahr 2021 abwärtsgerichtet. Mit der allmählichen Auflösung der weltweiten Lieferengpässe sollte sich die deutsche Industrie aber im Verlauf von 2022 wieder beleben. Viele Branchen dürften dann fast wieder an ihr Vorkrisenniveau anknüpfen. Das kräftige Plus der Automobilindustrie im Jahr 2022 ergibt sich nach wie vor aus Aufholeffekten. Das Vorkrisenniveau von 2019 wird dennoch um fast 20 Prozent deutlich verfehlt.

Zudem steht die deutsche Industrie weiterhin vor erheblichen Herausforderungen, denn bereits seit 2018 kann der Industrie-Standort Deutschland mit dem Tempo der weltweiten Industrieproduktion nicht mehr mithalten. Hier spielte die Automobilindustrie sicherlich eine entscheidende Rolle. So kann die seit Anfang 2018 stagnierende globale Pkw-Produktion der deutschen Hersteller die negativen lokalen Effekte aus Produktionsverlagerungen, globaler Kapazitätsausweitung und anhaltender Spezialisierung am Standort Deutschland nicht mehr auffangen.

Für eine Erholung der gesamten deutschen Industrie ist deshalb nicht nur eine Belebung der Weltwirtschaft notwendig, sondern auch eine stärkere Investitionsbereitschaft am Standort Deutschland. Es geht darum, globale Wachstumsimpulse besser für den lokalen Standort zu nutzen. Somit liegt die langfristige Lösung in Deutschland selbst – und weniger in fehlenden Halbleitern aus Asien.

INFLATION, GELDPOLITIK UND ZINSEN

Deutsche Inflationsrate bleibt 2022 über und 2023 unter dem EZB-Inflationsziel

Steigende Rohstoffpreise, der Corona-bedingte Nachfrageüberhang nach Gütern und die Angebotsprobleme führten zu einem weltweiten Anstieg der Verbraucherpreise. Der anhaltende Kostendruck bei den Erzeugerpreisen – unabhängig von der kurzfristigen Rohstoffpreisentwicklung – signalisiert weiteren kurzfristigen Inflationsdruck. Zwar ist bereits eine moderatere Preisentwicklung bei industrienahen Rohstoffen infolge des weltweiten Rückgangs der Industrieproduktion zu erkennen. Diese sollte sich allerdings erst im Jahresverlauf von 2022 bei den Verbrauchern bemerkbar machen. Noch bleibt der Preisdruck also in den kommenden Monaten aufgrund hoher Energiepreise und Lieferengpässe bestehen. Allerdings wird die deutsche Inflationsrate nach ihren Höchstständen im November und Dezember Anfang 2022 aufgrund fehlender Basiseffekte – Stichwort Mehrwertsteuer-Effekt – wieder sinken.

Grundsätzlich wird sich die Inflationsdynamik im Verlauf des kommenden Jahres ändern. Waren es im Jahr 2021 insbesondere Preisanstiege von Rohstoffen und speziell Energie, die die Inflationsrate nach oben getrieben haben, sollte der Kosten- und Preisdruck im kommenden Jahr deutlich breiter ausfallen und zunehmend von Zweitrundeneffekten bestimmt werden. Zwar wird die Inflationsrate aus technischen Gründen infolge von Basis- bzw. Mehrwertsteuereffekten ab Januar 2022 zurückgehen; die unterliegende Inflationsdynamik wird aber anziehen. Sie könnte durch weitere Lockdown-Maßnahmen und eine fehlende Angebotsausweitung sowie eine robuste Nachfrage hoch bleiben. Da jedoch Rohstoffpreise die Tendenz zur Übertreibung haben, ist durchaus mit absoluten Rückgängen zu rechnen, wenn sich Angebot und Nachfrage im weiteren Verlauf des Jahres 2022 angleichen. Auch 2023 ist von einer zunehmenden Angebotsreaktion auszugehen und damit von einem zunehmenden Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage, was die Möglichkeit einer Inflationsrate unter zwei Prozent im Jahr 2023 festigt.

Hohe Impfquoten und die mittlerweile vorhandene Infrastruktur für Infizierte, Impfungen und Tests verringern die Notwendigkeit eines generellen Lockdowns bei steigenden Infektionsraten. Die Pandemie könnte hingegen ihre Spuren vor allem bei der Inflationsrate hinterlassen. Denn das Angebot von Dienstleistungen ist weiterhin eingeschränkt, während die Nachfrage nach Gütern deutlich über dem Vor-Corona-Niveau liegt. Beides führt zu Preisdruck. Zudem deuten Erzeugerpreise auf beiden Seiten des Atlantiks weiterhin auf Inflationsdruck bei den Verbraucherpreisen hin, was noch ein paar Monate andauern dürfte. Die Risiken sind somit weiterhin und trotz der bereits hohen Inflation kurzfristig nach oben gerichtet.

Geldpolitik weltweit und vor allem in den USA im Umbruch

Weltweit vollziehen Notenbanken aktuell eine geldpolitische Wende. Allein in den ersten drei Dezember-Wochen des laufenden Jahres haben 17 Notenbanken von vor allem Schwellenländern ihre Zinsen angehoben. Zinssenkungen ergaben sich nur in China (von 3,85 Prozent auf 3,8 Prozent) und der Türkei (von 15 Prozent auf 14 Prozent) – siehe Central Bank Rates | Worldwide Interest Rates (cbrates.com), eine aktuelle Auflistung aller Notenbanken und ihrer Leitzinsen.

Doch nicht nur Notenbanken von Schwellenländern vollziehen eine geldpolitische Wende. Die Fed hat in ihrer jüngsten Sitzung ebenfalls beschlossen, die Rückführung ihrer Anleihe-Aufkäufe zu beschleunigen. Sie dürfte deshalb im März 2022 ihre Anleihekäufe vollständig beenden, was den Weg frei machen würde für mehrere, wenn auch kleine Zinsschritte im Jahr 2022. Auch die Bank of England hat ihre Zinsen um 15 Basispunkte (bp) auf 0,25 Prozent angehoben, ein Schritt der eigentlich erst für Anfang 2022 erwartet worden war. So versuchen die meisten Notenbanken aus der ultralockeren Geldpolitik zügig auszusteigen, trotz der generellen Einschätzung, der Inflationsanstieg sei nur temporär. Die Sorge, bei der aktuellen geldpolitischen Ausrichtung bestehe eine zunehmende Gefahr „hinter die Kurve zu fallen“ beziehungsweise der Inflationsentwicklung hinterherzulaufen, ist sicherlich ein Grund für den derzeitigen Aktionismus.

Auch die EZB wird 2022 handeln und den deutschen Renditen Auftrieb geben

Die Argumente gelten auch für die EZB, die im aktuellen Zyklus der globalen geldpolitischen Wende ein klarer Nachzügler ist. Denn die Inflationsrate in der Euro-Zone hat ebenso überrascht wie in den USA; und auch in der Euro-Zone herrscht noch Preisdruck. Doch sollte die aktuelle Inflationsrate die Geldpolitik zum Handeln nötigen? Schließlich können Notenbanken Rohstoffpreis- oder Lohnerhöhungen nur begrenzt beeinflussen. Doch darum geht es nicht. Vielmehr ist entscheidend, die Zweitrundeneffekte und damit einen anhaltenden Anstieg der Inflationsrate zu verhindern. Und dies kann die EZB durch eine Straffung erreichen, die das Geldmengenwachstum reduziert beziehungsweise die Nachfrage in der Wirtschaft abkühlt. Denn ohne eine robuste Nachfrage sind Inflationsspiralen nicht möglich. Der aktuelle Konjunkturausblick sowie die Fiskalpolitik in der Euro-Zone deuten auch im kommenden Jahr – in dem die EU-Fiskalregeln weiterhin ausgesetzt sind – auf ein anhaltend robustes Nachfragewachstum, was Zweitrundeneffekte wahrscheinlicher macht.

Doch die hohen Schuldenquoten haben den Hebel der EZB-Geldpolitik vergrößert. Anders ausgedrückt: Zinsen werden niedrig bleiben müssen, und dies erfordert nicht unbedingt eine expansive Geldpolitik. Bereits eine moderate Zinsanhebung wird die Fiskalpolitik nötigen, auf Konsolidierungskurs einzuschwenken. So sollte die Sorge, die EZB laufe der Inflationsentwicklung hinterher, überschaubar bleiben. Denn zum einen bedarf es nur moderater Zinsanhebungen, um die Nachfrage zu beeinflussen; und zum anderen hat sich der geldpolitische Transmissions-Mechanismus reduziert. Das Argument, ein langer und ineffizienter Transmissions-Mechanismus erfordere ein frühes Agieren der Notenbank, ist angesichts des aktuellen Zusammenspiels von Geld und Fiskalpolitik zu vernachlässigen.

So wirkt der aktuelle Transmissions-Mechanismus nicht nur relativ kurzfristig, sondern auch besonders effizient, da steigende Zinsen die Staaten der Euro-Zone schnell auf Konsolidierungskurs bringen sollten. Die eigentliche Frage in der Euro-Zone ist allerdings, ob die Fiskalpolitik auf eine straffere Geldpolitik tatsächlich entsprechend reagieren wird. Würde sie dies nicht tun, weil sie erwartet, dass die EZB die Finanzierung der Staaten sicherstellt, könnte die Euro-Zone ein Inflationsproblem bekommen, vor allem, wenn der fiskalische Spielraum durch Änderungen der EU-Haushaltsregeln erhöht wird. Dieses Risiko ist jedoch zu relativieren. Schließlich ist eine expansive Geldpolitik vor allem dann nötig, wenn die Nachfrage nicht ausreicht, was wiederum für eine niedrige Inflation spricht. Allerdings mag das Jahr 2022 eine Ausnahme sein, weil viele Staaten weiterhin versuchen werden, eine Fiskalpolitik zu betreiben, die sich am Krisenmodus orientiert. Auch das ist ein Grund, warum die Inflationsrate im Jahr 2022 weiter nach oben überraschen könnte.

Einschätzung: Angesichts der hohen staatlichen Schuldenquoten kann die EZB selbst bei einer moderaten geldpolitischen Wende einen spürbaren Einfluss auf die Realwirtschaft ausüben. Deshalb ist Vorsicht geboten – im Timing wie beim Ausmaß. Voraussetzung für eine geldpolitischen Wende sollte allerdings sein, dass die Staaten mit Konsolidierung auf Zinsanstiege reagieren. Dies wird im Jahr 2022 weniger der Fall sein. Deshalb ist die EZB gut beraten, eine Beendigung der außerordentlich unterstützenden Maßnahmen in Aussicht zu stellen. Eine vollständige Beendigung der Ankäufe bereits Anfang nächsten Jahres – wie es die Fed anvisiert – ist in Europa jedoch noch nicht notwendig. Denn bereits eine spürbare Reduzierung würde dem langen Ende der Zinskurve ausreichend Auftrieb geben.

Geldpolitische Wende erhöht Risiken auf Devisenmärken

Aktuell schreiten vor allem die Schwellenländer bei der geldpolitischen Straffung voran, während 2022 und 2023 zunehmend Industriestaaten folgen sollten. Da Notenbanken weltweit die Zinsen nicht synchron anheben, hat die globale geldpolitische Wende das Potenzial für erhöhte Volatilität auf den Devisenmärkten. Steigende Zinsen in den USA sollten grundsätzlich Devisenkurse von Schwellenländern unter Druck setzen. Dies gilt insbesondere für Länder mit strukturellen Problemen, wie ein nicht ausreichendes Potenzialwachstum, hohe Fremdwährungsverschuldung oder ein anhaltendes Leistungsbilanzdefizit. Hierzu zählen sicherlich Südafrika und aktuell vor allem die Türkei. Eine perspektivische Normalisierung der europäischen Zinsen sowie eine grundsätzliche Festigung des Glaubens an den Euro sollten hingegen die Gemeinschaftswährung gegenüber dem Schweizer Franken stärken, der jahrelang und trotz negativer Zinsen als „safe-haven-Währung“ angesehen wurde. Sinkende Rohstoffpreise könnten die Volatilität von Devisenkursen einiger Schwellenländer weiter erhöhen.

Während Notenbanken weltweit an der Zinsschraube drehen oder ihre Ankaufvolumen deutlich zurückfahren, fällt es der EZB schwer, aus ihrer ultra-lockeren Geldpolitik auszusteigen. Sie wird zwar ihre Netto-Ankäufe im Verlauf des Jahres 2022 reduzieren, ihre Bilanz wird sie aber dennoch weiter ausweiten. Zinsanhebungen, welche die Bank of England bereits umgesetzt und die Fed in Aussicht gestellt hat, scheint die EZB frühestens 2023 vornehmen zu wollen. Zwar sollten Bundrenditen infolge der graduellen Wende dennoch ansteigen, das Zinsdifferenzial zu den US-Zinsen könnte sich allerdings kurzfristig weiter ausweiten, was für einen stärkeren US-Dollar sprechen würde. Allerdings hat die fiskalische sowie geldpolitische Reaktion Europas auf die Corona-Pandemie die Gemeinschaftswährung grundsätzlich gestärkt. Die EZB ist zur Notenbank aller Euro-Staaten geworden; und Zweifel, dass Prinzipien, Regulatorik oder Verträge zu einem Ausfall eines Euro-Landes führen, sind in den Hintergrund geraten. Die Corona-Krise ist deshalb als ein positiver Katalysator für die weitere Integration der Euro-Staaten zu sehen, was den Euro perspektivisch stärken wird. Dies wird durch die Einführung einer EU-Anleihe zur Finanzierung des EU-Wiederaufbaufonds bekräftigt. Da sich das Zinsdifferenzial zu den US-Zinsen nur moderat ausweiten sollte – schließlich steigen Bundrenditen auch an –, ist deshalb perspektivisch eher von einem stärkeren Euro auszugehen. Eine deutliche Aufwertung ist angesichts der geldpolitischen und konjunkturellen Implikationen nicht zu erwarten.

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Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der "IKB Deutsche Industriebank AG" verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank. Zudem lehrt der promovierte Volkswirtschaftler an der "Nelson Mandela University" in Südafrika. 


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