Deutschland

Minister Habeck für Renteneintrittsfenster statt fixes Renteneintrittsalter

Lesezeit: 2 min
21.02.2022 15:37
Für Fachkräfte soll es laut Wirtschaftsminister Habeck ein freiwilliges höheres Renteneintrittsalter geben. Er spricht von einem "Renteneintrittsfenster".
Minister Habeck für Renteneintrittsfenster statt fixes Renteneintrittsalter
Wirtschaftsminister Robert Habeck will das Renteneintrittsalter für Fachkräfte flexibel gestalten. (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Viele Unternehmen finden schon jetzt nicht genügend qualifizierte Fachkräfte - das Problem dürfte sich aber in den kommenden Jahren noch verschärfen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will gegensteuern und auch darauf setzen, dass mehr Arbeitnehmer über die Regelaltersgrenze hinweg freiwillig länger arbeiten. Habeck sagte dem Handelsblatt, auf einer freiwilligen Basis sollte es längere Lebensarbeitszeiten geben können. «Man sollte flexibel länger arbeiten können. Das wäre ein doppelter Gewinn: Wer will, kann sein Wissen, sein Können, seine Erfahrung noch länger einbringen.»

Davon könnten Betriebe und die Gesellschaft profitieren, so Habeck. «Und wir könnten dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Wir sollten also über so etwas wie ein Renteneintrittsfenster sprechen, kein fixes Alter.»

In einem Papier des Ministeriums heißt es, der Fachkräftemangel werde sich in den kommenden Jahren verschärfen. Mit dem Übergang der geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand werde die Zahl der Erwerbspersonen signifikant zurückgehen. Gleichzeitig würden die Digitalisierung und die Transformation hin zur Klimaneutralität den Fachkräftebedarf erhöhen beziehungsweise verändern.

Die Bundesregierung werde ihre Fachkräftestrategie weiterentwickeln, heißt es in dem Papier. So solle ein Rahmen geschaffen werden, damit Beschäftigte mindestens bis zur Regelaltersgrenze arbeiten und gegebenenfalls freiwillig, wer das möchte, auch darüber hinaus - zum Beispiel durch eine Flexibilisierung des Renteneintritts, verbunden mit finanziellen Anreizen, länger zu arbeiten, für diejenigen, die das möchten.

Nach geltender Rechtslage wird die Altersgrenze für die Rente ohne Abschläge bis 2029 schrittweise von 65 auf 67 Jahre angehoben. Immer wieder gibt es Debatten um ein höheres gesetzliches Renteneintrittsalter. Habeck geht es aber darum, dass mehr Arbeitnehmer freiwillig länger arbeiten. Laut Papier des Ministeriums gehen die Deutschen im Schnitt mit 64 Jahren in Rente, das bedeutet vor dem Regeleintrittsalter.

Nach der sogenannten Flexirente können Arbeitnehmer bereits länger arbeiten, wenn sie die Regelaltersgrenze erreicht haben. Dafür gibt es Zuschläge. Wie es aus dem Ministerium hieß, geht es Habeck mit seinem Vorstoß auch darum, noch einmal darüber zu diskutieren, ob diese Anreize ausreichen. In dem Papier des Ministeriums wird als eine Aufgabe im Kampf gegen den Fachkräftemangel genannt, das Arbeitsvolumen zu erhöhen: «Insbesondere bei Frauen und Älteren gibt es noch ungenutzte Potenziale.»

DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel sagte der dpa am Montag: «Wer kennt ihn nicht aus seiner Kinderzeit: Den Ratschlag, einfach zu schweigen, wenn es nichts Kluges zu sagen gibt. Vizekanzler Habecks Vorschlag, das Renteneintrittsalter freiwillig zu flexibilisieren, fällt unter diesen Vorbehalt. Was der Minister wissen sollte: Schon heute kann jede und jeder Beschäftigte über die gesetzliche Regelaltersgrenze weiter arbeiten, wenn sie oder er dazu gesundheitlich in der Lage ist. Das geltende Recht verbietet das nicht.» Es setze sogar die geforderten Anreize.

Die wahren Probleme lägen nicht im Rentenrecht, sondern in dem für viele ältere Beschäftigte «zugemauerten» Arbeitsmarkt und in raren altersgerechten Arbeitsplätzen, so Piel. «Die braucht es nämlich dringend, damit Beschäftigte überhaupt bis zur Regelaltersgrenze arbeiten können. Hier wäre der Bundeswirtschaftsminister Habeck gefragt, an die Arbeitgeber harte Forderungen zu stellen, damit ältere Beschäftigte noch eingestellt werden und dann auch gesund und unter guten Bedingungen bis zum Renteneintritt arbeiten können.»

Ähnliche Kritik kam von der IG Metall: «Wer Fachkräfte sichern und Beschäftigte jenseits des 60. Lebensjahres gewinnen will, muss nicht das Rentenrecht ändern, sondern die Arbeitsbedingungen verbessern», erklärte das geschäftsführende Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban. «Die übergroße Mehrheit der Beschäftigten schafft die Regelaltersgrenze nur schwer. Stress und Arbeitshetze sowie hohe körperliche Belastungen drängen Beschäftigte aus dem Erwerbsleben.»

Habeck sagte dem Handelsblatt: «Die Fachkräftesicherung ist eine Gesamtaufgabe von extrem hoher wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Bedeutung. Wir sind in keinem der Themenfelder wehrlos oder zu Untätigkeit verdammt.» So gebe es bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf «Schwachstellen».

Vom Fachkräftemangel besonders betroffen sind aus Sicht des Ministeriums neben der Gesundheits- und Pflegebranche Berufe aus den Bereichen Handwerk, IT sowie Metall und Elektrotechnik. Laut einer vor kurzem vorgelegten Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags befürchten 61 Prozent der Firmen, nicht genügend qualifiziertes Personal zu finden.

Als weitere Maßnahme gegen den Fachkräftemangel spricht sich das Ministerium dafür aus, die Einwanderung qualifizierter Fachkräfte aus Drittstaaten zu verstärken. Dafür müssten etwa rechtliche Hürden gesenkt und Verwaltungsverfahren etwa bei Visa und Berufsanerkennung vereinfacht und beschleunigt werden.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Technologie
Technologie 3D Spark: Ein Hamburger Start-up revolutioniert die Bahnbranche
25.04.2024

Die Schienenfahrzeugindustrie befindet sich in einem grundlegenden Wandel, in dessen Verlauf manuelle Fertigungsprozesse zunehmend...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Automesse China 2024: Deutsche Autohersteller im Preiskrieg mit BYD, Xiaomi und Co.
25.04.2024

Bei der Automesse in China steht der eskalierende Preiskrieg bei Elektroautos im Vordergrund. Mit hohen Rabatten kämpfen die Hersteller...

DWN
Politik
Politik Bericht: Habeck-Mitarbeiter sollen Kritik am Atom-Aus missachtet haben
25.04.2024

Wichtige Mitarbeiter von Bundesministern Habeck und Lemke sollen laut einem Bericht interne Zweifel am fristgerechten Atomausstieg...

DWN
Finanzen
Finanzen Feiertagszuschlag: Was Unternehmer an den Mai-Feiertagen beachten sollten
25.04.2024

Feiertagszuschläge sind ein bedeutendes Thema für Unternehmen und Arbeitnehmer gleichermaßen. Wir werfen einen genauen Blick auf die...

DWN
Finanzen
Finanzen Teurer Anlegerfehler: Wie der Blick in den Rückspiegel fehlgeht
25.04.2024

Anleger orientieren sich an den Renditen der vergangenen drei bis zehn Jahre, um Aktien oder Fonds auszuwählen. Doch laut Finanzexperten...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Kommunikation im Wandel – Was es für Unternehmen in Zukunft bedeutet
25.04.2024

In einer Ära schneller Veränderungen wird die Analyse von Trends in der Unternehmenskommunikation immer entscheidender. Die Akademische...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lieferdienste in Deutschland: Bei Flink, Wolt und anderen Lieferando-Konkurrenten geht es um alles oder nichts
25.04.2024

Getir, Lieferando, Wolt, UberEats - es fällt schwer, in deutschen Großstädten beim Angebot der Essenskuriere den Überblick zu...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Familienunternehmer in Sorge: Land verliert an Wettbewerbsfähigkeit
25.04.2024

In einer Umfrage kritisieren zahlreiche Familienunternehmer die Politik aufgrund von übermäßiger Bürokratie und Regulierung. Besonders...