Ungarn will die von der EU-Kommission geplante Verschärfung der Sanktionen gegen Russland nicht mittragen. Die Ausweitung der Einfuhrbeschränkungen für Öl und Gas aus Russland sei für ihn eine rote Linie, sagte Ministerpräsident Viktor Orban am Mittwoch in Budapest. Er zeigte sich zudem bereit, für Gaslieferungen - wie von Russland verlangt - in Rubel zu bezahlen. Andere EU-Staaten, wie Deutschland, lehnen dies ab und wollen ihre Rechnungen weiterhin in Euro oder Dollar begleichen.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte zuvor in Reaktion auf angebliche Kriegsverbrechen russischer Truppen neben einem Importstopp von Kohle auch ein Ölembargo angedroht. "Diese Sanktionen werden nicht unsere letzten Sanktionen sein", sagte sie im Europa-Parlament und ergänzte: "Jetzt müssen wir uns Öl anschauen und die Einnahmen, die Russland aus fossilen Brennstoffen bezieht."
Ungarns Außenminister Peter Szijjarto erklärte, die Gas-Versorgung des Landes sei durch einen Vertrag mit der staatlichen MVM und dem russischen Konzern Gazprom geregelt. In diesem Vertrag spiele die EU keine Rolle. Aus seiner Sicht sei eine gemeinsame Haltung der russisches Gas importierenden EU-Staaten nicht nötig.
Orban hat Russlands Präsidenten Wladimir Putin nach eigenen Angaben zu Verhandlungen eingeladen. Putin habe darauf positiv reagiert, allerdings Bedingungen gestellt. Um welche Bedingungen es dabei geht, sagt Orban zunächst nicht. Nach seinen Vorstellungen sollen an den Gesprächen in Ungarn neben dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj auch Bundeskanzler Olaf Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron teilnehmen.
Ukraines Botschafterin einbestellt
Das ungarische Außenministerium hat die Botschafterin der Ukraine in Budapest, Ljubow Nepop, einbestellt. „Es ist an der Zeit, dass die ukrainischen Führer mit der Beleidigung Ungarns aufhören“, schrieb Außenminister Peter Szijjarto am Mittwoch auf seiner Facebook-Seite. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban in den letzten Tagen mehrfach dazu aufgerufen, sich klar auf die Seite der von Russland angegriffenen Ukraine zu stellen.
Der Budapester Regierungschef untersagte er Waffenlieferungen, die durch Ungarn direkt an die benachbarte Ukraine gehen. Als eines von wenigen EU-Ländern hat das Donauland seit Beginn des Krieges gegen die Ukraine keine russischen Diplomaten ausgewiesen.
EU bereitet Sanktionen vor
Ungarn muss sich wegen möglicher Verstöße gegen rechtsstaatliche Prinzipien als erstes Land einem Verfahren zur Kürzung von EU-Mitteln stellen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte am Dienstag im Straßburger Europaparlament an, dass ihre Behörde den ersten Schritt des sogenannten Rechtsstaatsmechanismus unternehmen werde. Darüber habe die EU-Kommission die ungarischen Behörden am Dienstag informiert.
„Bei Ungarn, wir haben uns sehr klar ausgedrückt, ist das Problem Korruption“, sagte von der Leyen. Man sei derzeit nicht in der Lage, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Im Parlament erntete von der Leyen für ihre Ankündigung Applaus.
Zunächst einmal kann Budapest nun binnen einer Frist von mindestens einem Monat und maximal drei Monaten Stellung zu den Vorwürfen beziehen und gegebenenfalls Abhilfemaßnahmen vorschlagen. Die EU-Kommission berücksichtigt dies dann bei der Entscheidung darüber, ob sie den EU-Staaten tatsächlich vorschlagen wird, Ungarn EU-Mittel zu kürzen. Auch dazu könnte Budapest sich dann noch einmal äußern. Letztlich braucht es dann noch die Zustimmung von mindestens 15 EU-Staaten mit mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung.
Ungarns Regierung hat auf die Aktivierung des Rechtsstaatsmechanismus ablehnend reagiert. Die EU-Kommission mache einen „Fehler“, erklärte Kanzleramtsminister Gergely Gulyas am Dienstag gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur MTI. Bei der Parlamentswahl am vergangenen Sonntag habe die Regierungspartei Fidesz „eine noch nie gesehene Unterstützung“ erfahren.
„Eben deshalb sollte die Kommission die grundlegenden Regeln der Demokratie akzeptieren und nicht die Bedürfnisse der bei der Wahl geschlagenen ungarischen Linken befriedigen“, fügte Gulyas hinzu. Die Fidesz-Partei von Ministerpräsident Viktor Orban vereinte bei der Abstimmung am Sonntag 53 Prozent der Stimmen auf sich.