Politik

Epstein-Vertraute Maxwell zu 20 Jahren Haft verurteilt

Jahrzehntelang hatte der mit der internationalen Elite bestens bekannte US-Multimillionär Jeffrey Epstein Mädchen missbraucht. Seine «rechte Hand» wurde dafür nun verurteilt. Das Ende des Falles, der Schockwellen durch die US-Gesellschaft trieb?
29.06.2022 10:00
Aktualisiert: 29.06.2022 10:28
Lesezeit: 3 min

Die langjährige Haftstrafe für Ghislaine Maxwell setzt einen vorläufigen Schlusspunkt hinter den Missbrauchsskandal um ihren Ex-Vertrauten und bestens vernetzten US-Multimillionär Jeffrey Epstein. Richterin Alison Nathan verurteilte die 60-Jährige am Dienstag in New York unter anderem wegen Menschenhandels mit Minderjährigen zu Missbrauchszwecken zu 20 Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe von 750 000 Dollar (713 000 Euro) - sie nannte die Verbrechen von Maxwell und Epstein «entsetzlich» und «abscheulich».

Damit geht eine Verhandlung gegen Maxwell zu Ende, die von vielen als Stellvertreterprozess für die Taten Epsteins gesehen wurde, der sich im Sommer 2019 offiziellen Angaben zufolge im Gefängnis das Leben genommen hatte. Der Fall hatte auch deshalb weltweit für Aufsehen gesorgt, weil der Unternehmer mit Prominenten wie den Ex-Präsidenten Bill Clinton und Donald Trump, dem Tech-Milliardär Bill Gates und dem britischen Prinzen Andrew bekannt war.

Während Andrew kürzlich einen Zivilprozess im Zusammenhang mit Epsteins Missbrauchsring abwenden konnte, sind weder gegen ihn noch gegen andere Prominente strafrechtliche Ermittlungen bekannt. Der Maxwell-Prozess wurde auch immer wieder in Verbindung mit den viel beachteten Anklagen der MeToo-Ära gegen Ex-Filmmogul Harvey Weinstein und die Schauspieler Bill Cosby und Kevin Spacey gebracht.

Das von Richterin Nathan für Maxwell gewählte Strafmaß lag wegen der besonderen Schwere der Taten leicht über der gesetzlich vorgeschlagenen Rahmen-Richtlinie von bis zu 19 Jahren und 7 Monaten. Jedoch hatte die Staatsanwaltschaft weit über 30 Jahre gefordert - Maxwells Verteidigung dagegen unter 5. Anwältin Bobbi Sternheim kündigte an, dass ihre Mandantin in Berufung gehen werde.

Am letzten Tag des Prozesses standen sich dabei noch einmal Täterin und Opfer gegenüber. Maxwell ergriff dabei selbst das Wort und sagte, dass sie mit den missbrauchten Frauen fühle. Der Schmerz, den diese erfahren hätten, täte ihr leid - doch sie schob die Schuld vor allem ihrem Ex-Partner zu. «Es ist das größte Bedauern meines Lebens, dass ich Jeffrey Epstein getroffen habe», sagte sie. Die Verbindung zu ihm werde immer auf ihr lasten. Die Verteidigung hatte für eine deutlich mildere Haftstrafe von weniger als zehn Jahren plädiert.

Zuvor hatten mehrere Opfer von Epstein und Maxwell gesprochen. «Zusammen haben Sie undenkbare Dinge getan», sagte eine der Frauen. Die Verurteilte habe keine Reue: «Sie ist nicht traurig und sie würde es wieder tun». Eine anderes Opfer berichtete von den schweren Folgen der Verbrechen, von psychischen Problemen und mehreren Selbstmordversuchen. Maxwell, deren Geschwister in der ersten Reihe im Zuschauerraum saßen, nahm die Aussagen äußerlich eher ungerührt hin, während einige im Gericht Tränen in den Augen hatten. Auffällig oft griff Maxwell zu einem Becher, aus dem sie trank.

Maxwell war bereits im Dezember von einer New Yorker Jury schuldig gesprochen worden. Sie galt als rechte Hand Epsteins und spielte eine zentrale Rolle beim Aufbau eines Rings zum sexuellen Missbrauch von Mädchen. Maxwell hatte angekündigt, in Berufung zu gehen. Richterin Nathan betonte am Dienstag, dass Maxwell sich zwar mitfühlend für die Opfer geäußert habe, jedoch eine «mangelnde Übernahme von Verantwortung» für die Taten zeige.

Jahrzehntelang soll der Missbrauch zahlreicher Minderjähriger auf Epsteins Anwesen in New York, Florida, Santa Fe und auf den Virgin Islands stattgefunden haben. Eine frühere Anklage gegen Epstein mündete in einen für den Unternehmer sehr vorteilhaften Deal, der ihn zum Symbol einer gesellschaftlichen Elite machte, die selbst mit Verbrechen durchkommt. Seine Beziehungen zu Prominenten und sein Tod führten zu zahlreichen Gerüchten und Verschwörungstheorien. US-Staatsanwalt Damian Williams sagte nach dem Richterspruch, dass Urteil sende «eine starke Botschaft aus, dass niemand über dem Gesetz steht.»

Maxwells Aufgabe beim systematischen Missbrauch durch Epstein war es der Anklage zufolge, das Vertrauen von Mädchen zu gewinnen und sie ihrem ehemaligen Partner - oft für sogenannte Massagen - zuzuführen. Sie ist die Tochter des legendären britischen Verlegers Robert Maxwell (1923-1991). Sie war Anfang der 1990er Jahre nach New York gekommen wo sie Epstein auf einer der zahlreichen Promi-Partys traf. Sie war zeitweise mit ihm liiert. Epsteins Umfeld beschrieb ihre Rolle in seinem Leben als eine Mischung aus Angestellter und bester Freundin.

In vielen Reaktionen auf das Urteil ging es auch um mögliche Mitschuldige in dem Missbrauchskomplex. So kommentierte etwa der bekannte britische Journalist und TV-Moderator Piers Morgen auf Twitter: «Wer waren Ghislaine Maxwells reiche, mächtige und (manchmal) berühmte Kunden? Das sollte man uns sagen.»

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Unternehmen
Unternehmen Shitstorm im Joballtag: Hate Speech am Arbeitsplatz explodiert – was Unternehmen jetzt tun müssen
11.07.2025

Hassrede hat den Mittelstand erreicht – von Social Media bis ins Kundengespräch. Wo endet Meinungsfreiheit, wo beginnt...

DWN
Politik
Politik Milliardenschwere Steuerentlastungen für Unternehmen: Bundesrat macht Weg frei für Wachstumspaket
11.07.2025

Deutschland steht wirtschaftlich unter Druck. Das Wachstumspaket der Bundesregierung soll neue Investitionen anregen und Unternehmen...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell im Plus: Zwischen Zollstreit, Zinspolitik und charttechnischer Entscheidung
11.07.2025

Der Goldpreis schwankt – zwischen geopolitischer Unsicherheit, robuster US-Wirtschaft und charttechnischen Signalen. Anleger fragen sich:...

DWN
Politik
Politik Generälin über Krieg mit Russland: Ist Lettland die Schwachstelle der NATO?
11.07.2025

NATO-Generälin Jette Albinus rechnet mit russischem Angriff auf Lettland. Der Einsatz wäre kein Afghanistanszenario – sondern ein Kampf...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Kurs unter Druck: Sorgen um US-Zölle dämpfen Rekordlaune
11.07.2025

Nach seinem Rekordhoch gerät der DAX-Kurs zum Wochenausklang unter Druck. Drohende Zölle aus den USA und schwache Unternehmensdaten...

DWN
Politik
Politik Zölle auf Wein? Deutsche Winzer blicken mit Sorge auf mögliche US-Zölle
11.07.2025

Strafzölle in Höhe von 200 Prozent auf Weinimporte aus der EU – mit diesem Szenario hatte US-Präsident Donald Trump noch im April...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Insolvenzen: Deutschlands Pleitewelle hält an – ein Blick auf Ursachen und Folgen
11.07.2025

Die Zahl der Insolvenzen in Deutschland steigt weiter – wenn auch etwas langsamer. Trotzdem deuten aktuelle Daten auf tiefgreifende...

DWN
Politik
Politik Trump kündigt Erklärung zu Russland an – neue Dynamik oder taktisches Manöver?
11.07.2025

Ein Treffen in Malaysia, neue russische Vorschläge und Trumps Ankündigung einer großen Russland-Erklärung: Zeichnet sich eine Wende im...