Politik

Monsanto: Gentechnik-Industrie bläst zum General-Angriff auf Europa

Die Lobbyisten haben in Brüssel ihren Druck auf die EU verstärkt: In einer konzertierten Aktion fordern verschiedene Verbände einen bedingungslos positiven Umgang mit den Produkten von Monsanto & Co. Einen ersten Erfolg können sie bereits mit der Zulassung einer neuen Gen-Mais-Sorte von Monsanto vermelden. Die aktuellen Schlachten sind die Vorbereitungen auf eine Groß-Offensive in der EU.
29.10.2013 12:54
Lesezeit: 2 min

Nach dem europäischen Volksaufstand gegen die geplante Regulierung des Saatguts in privaten Gärten (hier) und dem Rückzieher der EU (hier) herrscht in Brüssel Verunsicherung: Die Durchsetzung ihrer Interessen in Brüssel war für die Landwirtschafts-Lobby war in den vergangenen Monaten kein Selbstläufer mehr.

Daher bläst die Industrie nun zum Gegenangriff.

In einer konzertierten Aktion soll der EU klar gemacht werden, dass die Kritik an der Gen-Technik von Ahnungslosen vorgetragen wird.

Die korrupte Wissenschaft bestätige dagegen die Richtigkeit der geschäftspolitischen Ziele Aussagen der Konzerne.

Die Agrar-Organisationen haben geharnischte Briefe an EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, Parlamentspräsident Martin Schulz und Ratspräsident Herman Van Rompuy geschrieben in denen sie sich über die Verschärfung der Vorschriften beschweren. In den Schreiben behaupten die Lobbyisten, dass die wissenschaftlichen Belege über die Sicherheit der Gentechnik in der Landwirtschaft ständig wachsen.

Obwohl in der ESFA schon viele von der Industrie eingeschleuste Leute sitzen, würden in der EU Entscheidungen verschleppt - nachdem die EFSA die Unbedenklichkeit der Produkte bescheinigt habe. Noch einmal schießen die Verbände in ihren konzertierten Schreiben gegen die Monsanto-Kritiker und diffamieren im Vorübergehen die Monsanto-kritische Séralini-Studie (mehr dazu und zur Unterwanderung der EU durch Monsanto hier).

Die Lobbyisten, zu denen die deutsche Fördergemeinschaft InnoPlanta und der britische Bauernverband zählen, rufen die EU-Institutionen und die Mitgliedstaaten auf, „eine breitere, ganzheitlichere und langfristigere Sichtweise der Agrarproduktion“ anzunehmen und die Gentechnikvorschriften entsprechend anzupassen.

Das Drängen der Verbände fand offenbar bereits Gehör bei der EU.

In dem für die Genehmigung für neuen-Sorten zuständigen Berufungsausschuss der EU gab es bei der Abstimmung über die Zulassung einer neuen Sorte Monsanto-Genmais keine Mehrheit. Deutschland enthielt sich dabei der Stimme. Dadurch wird die Europäische Kommission eigenmächtig über die Zulassung einer weiteren Sorte Genmais entscheiden können (mehr hier).

Damit liegt der Ball außerhalb des demokratischen Spielfelds.

Die EU beugt sich damit wieder dem massiven Einfluss der Gen-Lobby.

Es geht erneut um eine Pflanzensorte aus dem Monsanto-Labor: den „trockentoleranten MON87640-Mais“. Durch ein zusätzlich eingeführtes Gen kann dieser Mais Wassermangel besser verkraften, ohne Erträge einzubüßen, so die Hersteller Monsanto und BASF. Seit diesem Jahr kann die Sorte in den USA kommerziell erworben werden.

Der Fall ist auch deswegen interessant, weil Monsanto nach der jüngsten Protestwelle der Öffentlichkeit mit der Aussage an der Nase herumgeführt hatte, man wolle sich aus Europa zurückziehen. Etwas weltfremde Medien wie die taz waren der Propaganda aufgesessen und hatten das Ende von Monsanto in Europa ausgerufen (mehr hier).

Tatsächlich ist Monsanto aktiver denn je.

Das zeigt sich vor allem in der Unterwanderung der Zulassungs-Behörden.

Die Konzerne haben still und heimlich in der Aufsicht die Mehrheit übernommen.

Mehr als die Hälfte der 209 Experten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (ESFA) sollen direkte oder indirekte Verbindungen zu der Gen-Industrie haben, die sie  eigentlich kontrollieren sollen, so Corporate Europe Observatory (CEO).

CEO, eine Nichtregierungsorganisation, ermittelte insgesamt 460 Interessenskonflikte unter den Experten der ESFA. Die Wissenschaftler überführten sich sozusagen selbst, denn als Quelle dienten ihre selbst getätigten Aussagen.

In den vergangenen Jahren verbannte die ESFA bereits 85 Experten aus ihren Arbeitsgruppen wegen diverser Interessen-Konflikte.

Die aktuelle Offensive der Konzerne setzt darauf, dass die Gegner der Gentechnik bei Lebensmitteln zermürbt werden. Die jüngsten Demonstrationen haben Monsanto & Co. ermuntert: Es war keine Revolution auf den Straßen Europas, die die Gentechniker erschreckt hätte.

Hinter dem aggressiven Vorgehen der Gen-Lobby steht eine langfristige Strategie: Mit dem neuen Freihandels-Abkommen der EU mit Kanada bietet sich für Monsanto die Möglichkeit, die EU flächendeckend zu überrollen (mehr dazu hier).

Hier winkt das große Geld.

Und Monsanto wird es sich holen.

Wir erleben die ersten kleinen Gefechte, die als Vorbereitung auf die große Schlacht um das Saatgut in Europa geführt werden.

Die Bürger sollten auf der Hut sein.

Die EU wird ihre Bürger nicht verteidigen.

Im Gegenteil.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Panorama
Panorama Grillmarkt in der Krise? Holzkohle wird teurer
03.07.2025

Grills verkaufen sich längst nicht mehr von selbst. Nach Jahren des Booms mit Rekordumsätzen schwächelt die Nachfrage. Händler und...

DWN
Finanzen
Finanzen Milliarden für Dänemark – Deutschland geht leer aus
03.07.2025

Dänemark holt 1,7 Milliarden DKK aus Deutschland zurück – ohne die deutsche Seite zu beteiligen. Ein heikler Deal im Skandal um...

DWN
Finanzen
Finanzen Vermögen im Visier: Schweiz plant Enteignung durch Erbschaftssteuer für Superreiche
03.07.2025

Die Schweiz steht vor einem Tabubruch: Kommt die 50-Prozent-Steuer auf große Erbschaften? Die Eidgenossen debattieren über ein riskantes...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Drogeriehandel: Wie dm, Rossmann und Müller den Lebensmittelmarkt verändern
03.07.2025

Drogeriemärkte verkaufen längst nicht mehr nur Shampoo und Zahnpasta. Sie werden für Millionen Deutsche zur Einkaufsquelle für...

DWN
Technologie
Technologie KI-Gesetz: Bundesnetzagentur startet Beratungsservice für Unternehmen
03.07.2025

Die neuen EU-Regeln zur Künstlichen Intelligenz verunsichern viele Firmen. Die Bundesnetzagentur will mit einem Beratungsangebot...

DWN
Panorama
Panorama Sprit ist 40 Cent teurer an der Autobahn
03.07.2025

Tanken an der Autobahn kann teuer werden – und das oft völlig unnötig. Eine aktuelle ADAC-Stichprobe deckt auf, wie groß die...

DWN
Politik
Politik Brüssel kapituliert? Warum die USA bei den Zöllen am längeren Hebel sitzen
03.07.2025

Die EU will bei den anstehenden Zollverhandlungen mit den USA Stärke zeigen – doch hinter den Kulissen bröckelt die Fassade. Experten...

DWN
Finanzen
Finanzen USA dominieren die Börsen
03.07.2025

Die Börsenwelt bleibt fest in US-Hand, angeführt von Tech-Giganten wie Nvidia und Apple. Deutsche Unternehmen spielen nur eine...