Deutschland

Städte- und Gemeindebund warnt vor Stromausfällen

Lesezeit: 3 min
10.09.2022 15:06  Aktualisiert: 10.09.2022 15:06
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat wegen der unsicheren Energieversorgung einen Ausbau des Katastrophenschutzes gefordert. Es drohten Blackouts.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat angesichts der Energiekrise vor flächendeckenden Stromausfällen in Deutschland gewarnt. «Die Gefahr eines Blackouts ist gegeben», sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der «Welt am Sonntag». Die Vorbereitung auf echte Krisensituationen müsse verbessert werden. Experten halten das deutsche Stromnetz allerdings für gut gewappnet.

«Die Angst ist zu einem großen Teil Panikmache», sagte Energieexperte Christoph Maurer vom Beratungsunternehmen Consentec dem Fernsehsender n-tv. Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck sieht grundsätzliche eine hohe Versorgungssicherheit.

Landsberg warnte konkret vor der Gefahr einer «Überlastung des Stromnetzes - etwa wenn die 650.000 in diesem Jahr verkauften Heizlüfter ans Netz gehen, sollte die Gasversorgung ausfallen». Auch feindliche Hackerangriffe seien ein realistisches Szenario. «Wir können flächendeckende Stromausfälle nicht ausschließen», sagte er. Für diesen Fall sei Deutschland ungenügend gerüstet.

Er forderte die Bürger auf, die Empfehlungen des Bundes zum Katastrophenschutz ernst zu nehmen und Wasser sowie Lebensmittel im Haus zu haben. Bei einem großflächigen Stromausfall «läuft kein Wasser, man kann nicht tanken, nach zwei Tagen kann man sein Handy nicht mehr laden», beschrieb er.

Ein Stromnetz-Stresstest der Bundesregierung kam kürzlich zu dem Ergebnis, «dass stundenweise krisenhafte Situationen im Stromsystem im Winter 22/23 zwar sehr unwahrscheinlich sind, aktuell aber nicht vollständig ausgeschlossen werden können». Dabei ging es um ein Extrem-Szenario, in dem wegen Gasmangels ein Viertel bis die Hälfte der Gaskraftwerke in Süddeutschland ausfallen, zugleich anhaltendes Niedrigwasser den Nachschub für Kohlekraftwerke ausbremst, französische Atomkraftwerke weiter außer Betrieb sind und viele Heizlüfter gleichzeitig genutzt werden.

Maurer erklärte bereits am Mittwoch, einen echten Blackout könne man niemals komplett ausschließen. «Mit Blick auf den kommenden Herbst und Winter müssen wir uns darum allerdings nicht primär sorgen», sagte er. Wenn überhaupt, gehe es wohl eher darum, dass geplant für kurze Zeiträume bestimmte Städte oder Stadtteile vom Netz genommen würden. Echte Blackouts, also großflächige, langfristige Stromausfälle, seien meist nicht davon getrieben, dass zu wenig Strom im System sei.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) drängt vor diesem Hintergrund weiter auf einen längeren Betrieb der verbliebenen drei Kernkraftwerke. «Habeck und die Ampel riskieren bewusst einen Blackout», sagte er der «Neuen Osnabrücker Zeitung». Die Entscheidung, zwei der drei verbliebenen Kernkraftwerke nur in Reserve zu halten, sei «ideologisch getrieben und verantwortungslos».

Habeck hatte auf der Grundlage des Stresstests vorgeschlagen, die zwei süddeutschen Kraftwerke für den Fall von Engpässen noch bis Mitte April einsatzbereit zu halten: Isar 2 in Bayern und Neckarwestheim in Baden-Württemberg. Eigentlich sollten alle deutschen Atomkraftwerke zum Jahresende endgültig vom Netz gehen. Eine generelle Laufzeitverlängerung lehnte Habeck ab, was unter anderem für Streit mit der FDP sorgte.

«Die Ampel hofft auf einen milden Winter, aber wenn es ein kalter Winter wird, hat Deutschland ein faustdickes Energieproblem», warnte Söder. «Es wird zu Abschaltungen kommen - und das wird existenzgefährdend für unsere Betriebe.» Wenn man die Kernkraftwerke abschalte, fehle Strom für zehn Millionen Haushalte.

«Wir kommen da durch»

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dagegen versprach mit Blick auf die Energiekrise: «Wir kommen da durch.» Die Menschen in Deutschland spürten, dass sie in einer ernsten Zeit lebten. «Wir haben uns aber vorbereitet», versicherte der Kanzler in seiner wöchentlichen Videobotschaft. «Wir werden uns als Land unterhaken, weil wir ein solidarisches Land sind.»

Deutschland sei vorbereitet dafür, dass Russland seine Gaslieferungen wegen des Kriegs gegen die Ukraine weitgehend einstelle. Nach Wartungsarbeiten und einem angeblichen technischen Defekt fließt bereits seit vergangener Woche über die Leitung Nord Stream nichts mehr nach Deutschland. Die Bundesregierung stellt sich darauf ein, dass das auch so bleibt. «Wir haben uns aber vorbereitet», sagte Scholz und verwies auf den Bau von Flüssiggas-Terminals an den norddeutschen Küsten, den Füllstand der Gasspeicher, die Nutzung von Kohlekraftwerken und notfalls auch weiter Atomkraftwerken.

Grünen-Chefin Ricarda Lang rechnet mit Zustimmung ihrer Parteibasis zu Habecks Vorgehen. «Ich bin zuversichtlich, dass der Parteitag den nun eingeschlagenen Weg mittragen wird», sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. «Die Mitglieder merken, dass wir es uns nicht leicht gemacht haben.» Sie betonte, die Reserve solle klar zeitlich begrenzt und eine einmalige Sache sein. Für den Herbst und Winter 2023/24 könne Deutschland mit Gas aus anderen Quellen und erneuerbaren Energien vorsorgen. Einen Wiedereinstieg in die Atomkraft werde es nicht geben.

Auf die Frage, ob die Grünen die Verantwortung für einen Blackout übernähmen, antwortete die Parteichefin: «Die ganze Regierung trägt gemeinsam Verantwortung in dieser Energiekrise. Es werden zahlreiche Maßnahmen ergriffen, die Blackouts verhindern werden - abgesichert durch die Einsatz-Reserve als Ultima Ratio.» (dpa)


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Bildung für die Zukunft SOS-Kinderdorf Thüringen im Einsatz für die Demokratie

In einer Zeit, in der die Unzufriedenheit mit der Politik wächst, engagiert sich das SOS-Kinderdorf Thüringen mit einem Demokratieprojekt...

DWN
Politik
Politik Normenkontrollrat plant Empfehlungen für neue Regierung
27.12.2024

Eine Institution, von der man viel zu wenig hört: Ohne ein verbessertes Datenmanagement, einfachere Gesetze und mehr digitale Prozesse...

DWN
Immobilien
Immobilien Die teuersten deutschen Immobilien in 2024: Welche Städte sind die Spitzenreiter?
27.12.2024

Der deutsche Luxusmarkt scheint wieder gesund und munter zu sein, nachdem das Segment im Jahr 2023 unter Druck geraten ist als Verkäufe...

DWN
Politik
Politik In der deutschen Wirtschaft überwiegt Pessimismus
27.12.2024

Wohin steuert die deutsche Wirtschaft nach dem zweiten Rezessionsjahr in Folge? Viele Verbände blicken mit Sorgen nach vorn. Die Gründe...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Clean Industrial Deal: Warum die EU jetzt handeln muss
26.12.2024

Vor fünf Jahren setzte die EU mit dem Europäischen Green Deal neue Maßstäbe im globalen Klimaschutz. Heute, angesichts wachsender...

DWN
Politik
Politik „Atomkraft? Nein Danke“: Habeck-Ministerium manipulierte wohl AKW-Studie für Atomausstieg
26.12.2024

Manipulation im Wirtschaftsministerium? Wie interne Unterlagen jetzt aufdecken, soll das Wirtschaftsministerium unter Robert Habeck gezielt...

DWN
Politik
Politik Papst eröffnet Heiliges Jahr mit Hoffnungsbotschaft
26.12.2024

Ein strammes Programm hatte der gesundheitlich angeschlagene Papst an Weihnachten zu stemmen: Er eröffnete das Heilige Jahr der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschland schafft Gasspeicherumlage ab: Entlastung für Nachbarländer, Mehrkosten für Verbraucher
26.12.2024

Deutschland verabschiedet sich von der umstrittenen Gasspeicherumlage an Grenzübergangspunkten zu Nachbarländern. Mit einer Änderung des...

DWN
Immobilien
Immobilien Sechs Jahre Mietenstopp: Können Mietpreiserhöhungen gesetzlich verboten werden?
26.12.2024

Der aktuelle Wohnmarkt bereitet Volk wie Bundesregierung Kopfzerbrechen. Laut Umfragen glauben immer weniger Deutsche daran, sich den Traum...