Politik

EU-Kommissar warnt vor den Folgen des Verbrenner-Verbots

Kurz nachdem das EU-Parlament das Verbot des Verbrennungsmotors besiegelt hat, warnt ein Kommissar öffentlich vor den schwerwiegenden Folgen der Entscheidung.
16.11.2022 16:00
Aktualisiert: 16.11.2022 16:03
Lesezeit: 2 min
EU-Kommissar warnt vor den Folgen des Verbrenner-Verbots
Arbeiter in einem portugiesischen VW-Werk. Ein EU-Kommissar warnt vor den Folgen des Verbrenner-Verbots. (Foto: dpa) Foto: Pedro Fiuza

Keine Woche, nachdem die Politik auf EU-Ebene ein Verbot von Autos mit Verbrennungsmotor ab dem Jahr 2035 in Europa durchgesetzt hat, warnt ein hochrangiger Kommissar vor den schwerwiegenden Folgen der Entscheidung.

Thierry Breton, französischer Binnenmarkt- und Industriekommissar der EU, zählte in einem Interview mit dem Magazin Politico die negativen Folgen des Entschlusses auf. Demnach werden dem politisch erzwungenen Umstieg auf Elektroautos in der EU etwa 600.000 Arbeitsplätze zum Opfer fallen – besonders bei Zulieferern und im Maschinenbau.

Steigender Strombedarf in der Energie-Krise

Besonders bedenklich seien auch die Konsequenzen der Entscheidung mit Blick auf die Abhängigkeit Europas von Rohstoffen und die gegenwärtige Energie-Krise. Schon 2030, also fünf Jahre vor Inkrafttreten des Verbots, bräuchten europäische Autobauer zur Herstellung der Antriebsbatterien 15 mal mehr Lithium, viermal mehr Kobalt, viermal mehr Graphit und dreimal mehr Nickel als sie gegenwärtig beziehen, so Breton.

Diese Vervielfachung der Bezugsmengen dieser Rohstoffe ist selbstverständlich nicht gewährleistet, wie schon ein Blick auf das als kritisch für E-Autos eingestufte Lithium zeigt: hier explodierten in der jüngsten Vergangenheit die Marktpreise, weil das Angebot nicht mehr mit der Nachfrage Schritt halten konnte.

Lesen Sie dazu: Lithium: Engpässe und explodierende Preise beim Treiber der „Verkehrswende“

Mit Blick auf die derzeit grassierende Energie-Krise besonders bemerkenswert sind Bretons Prognosen zum zukünftigen Stromverbrauch. 20 bis 25 Prozent mehr Strom als heute müssten in Europa verfügbar sein, um die wachsenden Flotten an Elektroautos auf den Straßen zu versorgen. Dieser muss obendrein „klimaneutral“ produziert werden – nach derzeitigen EU-Bestimmungen darf er also beispielsweise nicht von Kohlekraftwerken stammen. Angesichts der Tatsache, dass nach mehr als zwei Jahrzehnten Energiewende in Deutschland auch heute noch zwischen 20 und 50 Prozent des hierzulande täglich generierten Stroms aus Kohlekraftwerken stammt handelt es sich bei den Zielen also um ein ungewisses Vorhaben.

Breton sprach auch die Problematik der unzureichenden Lade-Infrastruktur an. Sieben Millionen Ladestationen brauche es schon in wenigen Jahren auf dem Kontinent, derzeit liege die Zahl bei 350.000. 70 Prozent dieser Station wiederum befinden sich in nur drei Ländern – Deutschland, Frankreich und den Niederlanden. In vielen anderen EU-Staaten existiert demnach noch überhaupt keine entsprechende Infrastruktur.

Anhand dieser Zahlen wir ein weiteres Dilemma deutlich – nämlich, dass die häufig als „klimafreundlich“ dargestellte Elektromobilität nicht „klimafreundlich“ sein kann. Der Aufbau eines riesigen Netzes an mit Starkstrom versorgten Ladepunkten, der extrem energieintensive Bau der Antriebsbatterie sowie der Abbau, die Weiterverarbeitung und der Transport der dafür benötigten Industriemetalle und Rohstoffe führt selbst zu massiven Emissionen und Umweltschäden in anderen Ländern.

Breton lässt sich Hintertüre offen

Breton fordert zudem, dass es der europäischen Automobilindustrie auch nach 2035 noch ermöglicht werden müsse, in Europa Verbrenner für außereuropäische Länder zu bauen – etwa für Absatzmärkte in Asien, Südamerika und Afrika. „Ich empfehle europäischen Firmen, weiterhin Verbrennungsmotoren zu bauen“, wird der Kommissar von Politico zitiert.

Breton kündigte angesichts der absehbaren Schwierigkeiten an, harte Kriterien aufzustellen, um den Fortgang der Entwicklungen genau zu prüfen. Bei dem erzwungenen Umstieg in die E-Mobilität handle sich um eine „gigantische Störung“ für Europas Kern-Industrie. „Das muss man genau untersuchen“, so der Franzose. Im Jahr 2026 werde diese große Bestandsaufnahme stattfinden. Stelle sich dann heraus, dass die Ziele nicht erreicht werden können, müsse das Ausstiegsdatum „ohne Tabus“ verschoben werden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Putins Imperium zerbröckelt: Aserbaidschan demütigt den Kreml – mit Hilfe der Türkei
10.07.2025

Aserbaidschan widersetzt sich offen Moskau, schließt russische Propagandakanäle und greift zur Verhaftung von Russen – ein Tabubruch in...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Neues Gasfeld vor Zypern könnte Europas Energiestrategie neu ausrichten
10.07.2025

Ein neues Erdgasfeld vor Zypern könnte zum Wendepunkt in Europas Energiepolitik werden.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Baywa Milliardenverlust: Jahreszahlen zeigen das ganze Ausmaß der Krise beim Mischkonzern
10.07.2025

Jetzt ist der Milliardenverlust bei der Baywa amtlich: Das Minus von 1,6 Milliarden Euro ist vor allem auf Abschreibungen bei der...

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Rechnung für die Private-Equity-Branche: 79 Milliarden
10.07.2025

Donald Trumps Zollkurs und globale Kriege setzen der Private-Equity-Branche massiv zu. Was hinter dem dramatischen Kapitalschwund steckt...

DWN
Politik
Politik „Kleiner Lichtblick für die Ukraine“ nach Trumps Kehrtwende
10.07.2025

Der Kurswechsel der USA beim Waffenlieferprogramm für die Ukraine dürfte die Gespräche europäischer Staats- und Regierungschefs in...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ostdeutsche Betriebsräte fordern Ende von Habecks Energiewende: Industriestandort gefährdet
10.07.2025

Nach dem Verlust von über 100.000 Industriearbeitsplätzen richten ostdeutsche Betriebsräte einen dramatischen Appell an Kanzler Merz....

DWN
Finanzen
Finanzen US-Schuldenkrise: Droht der Dollar-Kollaps? Was Anleger jetzt wissen müssen
10.07.2025

Die USA spielen mit dem Feuer: Zölle, Dollar-Schwächung und wachsende Schulden bedrohen das globale Finanzsystem. Doch es gibt Strategien...

DWN
Finanzen
Finanzen Hochsteuerland: Staat zockt Menschen ab - Von einem Euro bleiben Arbeitnehmern nur 47 Cent
10.07.2025

Bis zum 13. Juli arbeiten die Menschen in Deutschland in diesem Jahr nach Angaben des Bundes der Steuerzahler für die Staatskasse. Der...