Finanzen

Deutscher Staat muss deutlich höhere Zinsen zahlen

Lesezeit: 2 min
10.12.2022 11:26  Aktualisiert: 10.12.2022 11:26
Hohe Inflation und starke Neuverschuldung in der Eurozone belasten auch deutsche Bundesanleihen. Die Renditen werden 2023 auf den höchsten Stand seit zehn Jahren steigen.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Rallye bei europäischen Anleihen stockt. Denn Pläne der Europäischen Zentralbank, ihre Anleihebestände deutlich zu reduzieren, und die hohe Inflation in der Eurozone belasten den Markt. Wetten auf einen Kursrückgang deutscher Bundesanleihen, die als die sicherste Anlage in Europa gelten, haben sich in den letzten zwei Wochen verdreifacht. Die Kurse für deutsche und italienische zehnjährige Staatsanleihen sind diese Woche zum ersten Mal seit einem Monat gefallen.

Die jüngste weltweite Anleihenrallye wurde durch Wetten auf einen nachlassenden Preisdruck angetrieben. Doch nun warnen Anleger, dass die Inflation in Europa besorgniserregender ist. Hinzu kommt ein Anstieg der Kreditaufnahme. Die Strategen von Goldman Sachs und BNP Paribas erwarten daher, dass die Renditen auf zehnjährige deutsche Bundesanleihen im ersten Quartal auf 2,75 Prozent steigen werden. Dies wäre der höchste Stand seit mehr als zehn Jahren.

"Der Markt hat all diese positiven Nachrichten eingepreist, sodass er anfällig für einen Umschwung ist", zitiert Bloomberg Guillermo Felices, einen globalen Anlagestrategen bei der US-Investmentfirma PGIM, die ein Vermögen von 1,3 Billionen Dollar verwaltet. "Wir müssen sehr vorsichtig sein, denn dies könnte die Ruhe vor dem Sturm sein."

Im Hinblick auf die EZB-Entscheidung am kommenden Donnerstag erwarten die Anleger Einzelheiten darüber, wie die Notenbank ihre im Rahmen der quantitativen Lockerung gekauften Anleihen im Wert von 5 Billionen Euro abbauen will. Zwar hat die EZB einen schrittweisen Ansatz angedeutet, wahrscheinlich in Form einer Pause bei der Reinvestition fällig werdender Anleihen. Doch wird dies mit einer weiteren massiven Ausweitung der Staatsschulden kollidieren.

Dies wird durch Steuerprogramme vorangetrieben, die die Verbraucher vor einer Lebenshaltungskostenkrise schützen sollen. Im Gegensatz zu früheren staatlichen Finanzspritzen in den letzten zehn Jahren wird der Markt nicht mehr durch Anleihekäufe der Zentralbank gestützt werden. Die Privatanleger werden im nächsten Jahr die größte Menge an Staatsanleihen der Eurozone in diesem Jahrhundert zu verdauen haben, warnen die Banken.

Die Strategen der Commerzbank gehen derzeit davon aus, dass das Angebot an deutschen Bundesanleihen im nächsten Jahr auf den Rekordwert von 270 Milliarden Euro ansteigen wird. Angesichts dieses enormen Emissionsvolumens könnten die Anleger höhere Renditen verlangen, selbst von wirtschaftlich stärkeren Ländern wie Deutschland.

Voraussichtlich wird die EZB ebenso wie die Federal Reserve den Umfang ihrer Zinserhöhungen in der nächsten Woche auf 50 Basispunkte verlangsamen, nachdem sie zuvor eine Reihe von starken Zinserhöhungen um 75 Basispunkte vorgenommen hat. Laut Gurpreet Gill, Makrostratege bei Goldman Sachs Asset Management, müssen die Notenbanker einen Rückgang der Inflation auf 2 Prozent bis 2025 erwarten, um die Zinserhöhung im nächsten Jahr zu unterbrechen.

Die unterschiedlichen Aussichten für die USA und Europa sind vor allem auf die Energiekrise zurückzuführen. Denn der Wirtschaftskrieg gegen Russland belastet die europäische Wirtschaft viel stärker, vor allem die deutsche Wirtschaft, die bisher stark auf russische Energie gesetzt hat. Die durch schwankende Gaspreise bedingte Inflation ist weniger vorhersehbar und wird wahrscheinlich höher bleiben.

"Ich habe das Gefühl, dass wir in Europa in ein anderes Inflationsumfeld eingetreten sind", sagt Gill von Goldman und verweist auf den Kontrast zur historisch niedrigen Inflation in der Eurozone aufgrund der Arbeitnehmerfreizügigkeit. "Das Ausmaß der Inflation ist einfach viel größer: Sie hat sich von Waren und Energie auf Dienstleistungenausgeweitet, insbesondere auf die Mieten."

Das Risiko eines weiteren Inflationsschubs durch steigende Gaspreise hält Mike Riddell, Makro-Portfoliomanager bei Allianz Global Investors, von Anleihen aus dem Euroraum fern, während er US-Staatsanleihen kauft, weil er erwartet, dass die Rezession dort die Inflation in Schach hält. In Europa bestehe das "enorme Risiko" eines weiteren angebotsseitigen Schocks mit einem Kälteeinbruch im Winter, der einen weiteren Anstieg der Gaspreise mit sich bringen könne.


Mehr zum Thema:  

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Jobs der Zukunft: Wie sich der globale Arbeitsmarkt bis 2030 verändert
16.01.2025

Künstliche Intelligenz, Automatisierung, digitale Infrastruktur und demografische Veränderungen zählen zu den wichtigsten Treibern, die...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Intel-Fabrik in Sachsen-Anhalt kommt später – oder gar nicht mehr? Magdeburg im Warte-Modus
16.01.2025

Intels Chipfabrik in Magdeburg sollte die größte Firmenansiedlung in der Geschichte der Bundesrepublik werden. Jetzt liegen die Pläne...

DWN
Finanzen
Finanzen Ripple-XRP-Prognose 2025: Die aktuelle Ripple-XRP-Kursentwicklung und was Anleger jetzt wissen sollten
16.01.2025

Der XRP-Kurs, der lange Zeit von Unsicherheiten geprägt war, zeigt sich auch zu Beginn des Jahres 2025 relativ stabil - und legt aktuell...

DWN
Technologie
Technologie Jeff Bezos-Rakete New Glenn schafft Landung nicht - die Gründe
16.01.2025

Milliardär gegen Milliardär: Elon Musks Unternehmen SpaceX erobert seit längerem den Weltraum, nun will Blue Origin von Jeff Bezos...

DWN
Politik
Politik Sachsen: Landtag wählt AfD-Abgeordneten Hütter in Kontrollgremium für Verfassungsschutz
16.01.2025

In der Parlamentarischen Kontrollkommission in Sachsen wird zukünftig auch ein AfD-Abgeordneter sitzen. Die Kommission kontrolliert die...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tupperware Deutschland: Hersteller für Haushaltswaren stellt Geschäft endgültig ein
16.01.2025

Tupperware Deutschland hat seine Geschäftstätigkeit beendet, wie der US-Konzern auf seiner Website mitteilte. In den Vereinigten Staaten...

DWN
Politik
Politik AKW-Ausstieg: Schlagabtausch bei Habeck im U-Ausschuss zum Atomausstieg
16.01.2025

Der Bundestags-Untersuchungsausschuss zum Atomausstieg befragt heute in seiner planmäßig letzten Sitzung zwei prominente Zeugen:...

DWN
Politik
Politik AfD-Chef Chrupalla auf Einladung aus den USA bei Trumps Amtseinführung
16.01.2025

AfD-Chef Chrupalla reist zu Trumps Amtseinführung. Die AfD hat nach eigenen Angaben eine Einladung bekommen. Alice Weidel wird wegen der...