Die Debatte um die Migrationspolitik und die Einbürgerungserleichterungen zur Bekämpfung des Fachkräftemangels in Deutschland ist ein hitziges Thema. Zuletzt kritisierte das Wall Street Journal die Migrationspolitik der Bundesregierung und zeigte die Fehler auf. Ende November hatte Bundeskanzler Olaf Scholz sich für die Erleichterung der Einbürgerung von Ausländern stark gemacht.
Prof. Dr. Herbert Brücker vom Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung stimmt dem Bundeskanzler zu. Nach den Plänen von Innenministerin Nancy Faeser sollen laut der Welt Ausländerinnen und Ausländer in Zukunft nach fünf anstatt wie bisher nach acht Jahren den deutschen Pass bekommen können.
CDU kritisierte Anfang Dezember das Vorgehen der Bundesregierung
Brücker sieht gegenüber den DWN in der Erleichterung für ein schnelleres Verfahren bei der Einbürgerung viele Vorteile: „Ich kann eigentlich nur Vorteile erkennen. Das häufig vorgebrachte Argument, dass durch die Einbürgerung Risiken für den Sozialstaat entstehen, ist empirisch widerlegt: eingebürgerte Personen haben höhere Erwerbstätigenquoten, verdienen mehr und beziehen weniger Leistungen wie Arbeitslosengeld oder Leistungen der Grundsicherung. Es ist also das Gegenteil des häufig geäußerten Einwands zutreffend.“ Angesichts der Personalnot in der Gesundheitsbranche, hatte sich auch Christian Karagiannidis, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (Divi), für eine Zuwanderung ausgesprochen und betont, dass diese für den Gesundheitsbereich notwendig sei.
Kritischer als Brücker und Karagiannidis sieht Markus C. Kerber, Professor für Finanzwirtschaft und Wirtschaftspolitik an der Technischen Universität Berlin, ein schnelleres Verfahren. Er befürchtet in einem Kommentar den Ausverkauf der Staatsbürgerschaft: „Um den Fachkräftemangel zu beheben, wird die Einbürgerung erleichtert. Das ist weder erforderlich noch staatspolitisch wünschenswert. Die Einbürgerung ist mehr als die Verleihung eines deutschen Passes.“
Von der CDU kam in Person von Generalsekretär Mario Czaja in einem Interview Anfang Dezember mit dem ARD-Morgenmagazin ähnliche Kritik am Vorgehen der Bundesregierung: „Ich finde gefährlich, was die Bundesregierung aktuell macht. Sie vermischt die Asylmigration mit der notwendigen Fachkräfteeinwanderung. Wir haben Menschen, die haben Unterstützungsbedarf, die brauchen unsere Hilfe. Diesen Leuten geben wir die Möglichkeit über das Asylrecht nach Deutschland zu kommen. Andererseits haben wir Interessen und möchten Fachkräfteeinwanderung haben. Beides miteinander zu vermischen, macht die Sache nicht gut.“
Reform des Einwanderungs- und Aufenthaltsrecht wichtig
Brücker sieht anders als Kerber und Czaja die Einbürgerung als Hilfe bei der Integration. Sie habe aber in seinen Augen keine großen Anreizwirkungen auf die Einwanderung. Die empirische Forschung zeige, dass Migrantinnen und Migranten, die eingebürgert sind, deutlich höhere Erwerbstätigenquoten haben, als solche, auf die es nicht zutreffe.
Bei der schnelleren Einbürgerung käme es nicht allein zu einem Selektionseffekt, dass sich Personen die besser in den Arbeitsmarkt integriert seien, eher einbürgern ließen, sondern es gäbe Brücker zufolge auch kausale Effekte. So bewirke die Einbürgerung selbst eine bessere Arbeitsmarktintegration. Dies könne auf höhere Rechtssicherheit für Unternehmen, stärkere Anreize in länderspezifisches Humankapital wie Sprachkenntnisse zu investieren und allgemein eine höhere Sicherheit zurückzuführen sein.
Das Wall Street Journal kritisierte im Bericht über die deutsche Migrationspolitik, dass zwar viele Einwanderer nach Deutschland kommen würde, diese aber nicht in den deutschen Wirtschaftsmarkt passen würden und die Integration schwer sei. Brücker sieht die Erleichterung der Einbürgerung als mögliches Willkommenssignal und Anreiz für gut qualifizierte Arbeitskräfte. Wichtiger sei aber der Integrationseffekt: „Ich halte den Integrationseffekt aber für größer als den Einwanderungseffekt. Um die Einwanderung zu erhöhen, brauchen wir eine grundlegende Reform des Einwanderungs- und Aufenthaltsrechts, wie sie von der Bundesregierung für das kommende Jahr geplant ist.“
Gesetzesentwurf der Bundesregierung ist entscheidend
Das Wall Street Journal vermutet, dass, selbst wenn es der Politik gelingt, mit der Reformierung gut qualifizierte Migranten anzulocken, Deutschland weiterhin eine große Anzahl von Asylbewerbern erhalte, die es nicht beschäftigen könne. Diese würden dann die Reihen der Sozialhilfeempfänger auffüllen und die Kriminalstatistik ankurbeln. Dort seien sie bereits überrepräsentiert, so die amerikanische Zeitung.
Brücker sieht die Politik der aktuellen Bundesregierung und des Innenministeriums nicht so kritisch. Beide würden vieles richtig machen und Hürden für die Arbeitsmigration senken, Erwerbsanreize stärken und Integration erleichtern. Eine offene Frage sei, ob die geplante Reform des Einwanderungsrechts ausreichend ist, um Erwerbsmigration so stark zu erhöhen, wie es für die Bewältigung des demografischen Wandels notwendig sei. Dafür müsse man den Gesetzesentwurf zu Beginn des Jahres abwarten.